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Technologie > Intelligente Lagerlogik

Weniger Lager, mehr Tempo: Partscloud senkt Ersatzteilkosten im Maschinenbau mit KI

Mit KI statt Bauchgefühl: Partscloud hilft Maschinenbauern, Ersatzteillager effizient zu planen und bis zu 79 % der Lagerkosten zu sparen.

Systematisch einlagern: Benjamin Reichenecker (l.) und Fabian Gemmecke helfen bei der Ersatzteilfrage. (Foto: PartsCloud)

Von Björn Hartmann

Jeder Maschinenbauer kennt das: Die fertige Maschine ist an den Kunden ausgeliefert, sie sollte viele Jahre problemlos laufen. Aber einige Teile müssen dennoch im eigenen Lager vorgehalten werden, falls etwas ausfällt und repariert werden muss. Nur welche? Eine Prognose ist in der Regel kaum möglich oder viel zu aufwendig. Entweder fehlt genau das Teil im Lager, das ersetzt werden muss. Oder wenn immer alle Teile der Maschine vorrätig sind, ist es sehr teuer – und die allermeisten werden nie gebraucht.

Zwei findige Gründer, Fabian Gemmecke und Benjamin Reichenecker, haben die Lösung: Ihr Unternehmen Partscloud nutzt flexible Software und künstliche Intelligenz. „Wir wandeln das Ersatzteilmanagement vom Kostenfaktor zum Wettbewerbsvorteil“, verspricht Reichenecker. Die beiden Maschinenbauer haben jeweils mehr als zehn Jahre Erfahrung in kleinen und mittleren Unternehmen. „Ich habe ein Ersatzteillager bei einem Mittelständler geleitet und versucht, das Problem in den Griff zu bekommen“, sagt Reichenecker, CEO des Unternehmens. „Das war schlicht nicht möglich, weil das Unternehmen klein war. Die sind für professionelle Lagermanager nicht interessant.“

Die beiden sahen ihre Marktlücke und gründeten 2021 Partscloud, um die Software zu entwickeln. „Bisher sind in einem Unternehmen verschiedene Abteilungen bei Ersatzteilen eingebunden: zum Beispiel Vertrieb, Einkauf, Lager“, beschreibt Reichenecker. Oft werde nach Expertenmeinung und mit viel Bauchgefühl entschieden, was wie lange gelagert werde. Im Ergebnis lägen im Lager oft die falschen Teile oder die falsche Menge. Das binde Kapital und koste Geld. „Wir nutzen künstliche Intelligenz“, sagt er. Die Software analysiert die Verbrauchs- und Vertriebsdaten der vergangenen fünf Jahre zu einzelnen Teilen. Dann sehe man, welche häufig kaputtgingen, sagt Reichenecker. „Bei bis zu 100.000 Teilen ändert sich permanent etwas: Lieferanten scheiden aus, neue kommen, das Unternehmen verkauft neue Maschinen, die alten laufen aber weiter. Unsere Software behält das im Blick.“ Gemmecke, COO von Partscloud, ergänzt: „Oft sind von einem Maschinenbauer mehrere Generationen von Maschinen im Einsatz. In jeder sind jeweils mehrere tausend Teile verbaut. Der Mensch kann da keinen Überblick behalten. Das ist die Paradedisziplin von Machine Learning.“ Eingebunden werden kann auch predictive maintenance, wenn die Maschinen mit Sensoren gespickt sind, die warnen, dass ein Teil ausfallen könnte.

Weniger Kapital gebunden

Im Ergebnis zeige die Software, welche Teile in welcher Menge gelagert werden müssten, sagt Reichenecker. „Wir sagen vorher, welche am ehesten wann in den kommenden zwölf Monaten gebraucht werden. Damit bekommt der Einkauf konkrete Zahlen dafür, was er bestellen muss.“ Die Software überprüft auch, ob es tatsächlich bestellt wurde und vorhanden ist. Reichenecker verspricht den Maschinenbauern um bis zu 79 Prozent geringere Kosten, wenn die Lagerhaltung in dieser Form automatisiert wird. Das System gibt nicht nur Kapital frei, das an anderer Stelle genutzt werden kann, es entlastet auch die Mitarbeiter. „Unser Modell schafft Personal Zeit, sich um die Dinge zu kümmern, die sich nicht mit KI verbessern lassen und wo besonderes Maschinenbauerwissen nötig ist“, sagt Reichenecker.

Der Markt ist groß. Jeder Maschinenbauer habe das Problem mit den Ersatzteilen, sagt der Partscloud-Chef. Nicht so sehr die Konzerne, die sich eine eigene optimierte Lagerhaltung leisten können. „Wir konzentrieren uns erst einmal auf mittelständische Maschinenbauer mit einem Umsatz von 100 bis 500 Millionen Euro. Davon gibt es etwa 5000 bis 6000 in Deutschland.“ Nun steckt die gesamte deutsche Wirtschaft gerade in einer Krise, da überlegt sich manch Unternehmer zweimal, ob er Geld ausgibt, vor allem für Software zur Lagerhaltung. Schließlich hat das Unternehmen womöglich andere Probleme. Den beiden Gründern bereitet das keine Sorgen. „Der Benefit, den unsere Software liefert, übertrifft in den Unternehmen bei weitem die Kosten“, sagt Gemmecke. Die Baden-Württemberger bieten ihre Software gegen eine Pauschalgebühr an. Sie kostet im Schnitt etwa 100.000 Euro. Und: „Wenn das Neugeschäft gerade nicht rundläuft, lässt sich im Lager etwas optimieren“, sagt der COO. Später, wenn die Konjunktur anzieht, ist möglicherweise weniger Zeit.

Auch wenn viele Maschinenbauer glauben, ihr Unternehmen sei besonders, scheint es doch sehr viele Parallelen zu geben, vor allem beim Thema Ersatzteile. Eines ist ein gemeinsames Lager für Teile. Reichenecker empfiehlt jedoch: „Das Ersatzteillager sollte getrennt sein vom Lager für Produktion. Sonst fehlt zum Beispiel etwas für eine neue Maschine, weil es gerade als Ersatzteil rausgegangen ist. Das blockiert das Neugeschäft.“

Zu wissen, was wann im Lager sein muss, ist das eine. Wie schnell die Teile zum Kunden kommen, das andere. Gemmecke und Reichenbecker denken deshalb schon weiter. „Unsere Plattform bietet erst einmal eine Planungslösung“, sagt der CEO. „In einem weiteren Schritt können sich Maschinenbauer auch überlegen, ob sie das Ersatzteillager an unsere Logistikpartner übergeben wollen. Die garantieren dann auch die Lieferung der Teile.“ So könnten sich auch kleine Maschinenbauer Lagerstandorte in verschiedenen Weltregionen leisten.

Sitz des Unternehmens ist Pliezhausen nördlich von Reutlingen in Baden-Württemberg. In der Region sitzen auch viele Kunden. Wobei der Ort nicht so wichtig ist. Ein Teil der Beschäftigten arbeitet im Großraum Stuttgart, einer in Berlin, andere sind über Europa verstreut. Es geht schließlich nicht darum, alle immer im Blick zu haben, sondern ein effizientes Produkt zu liefern. Mehr als 20 Personen arbeiten derzeit für Partscloud, Tendenz stark wachsend.

Dass die Software eine Marktlücke schließt, sehen auch einige Investoren. Partscloud hat gerade eine erste Finanzierungsrunde über fünf Millionen Euro abgeschlossen. Geld kam unter anderem von Wagniskapitalgebern wie der MBG Mittelständische Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg, SquareOne aus Berlin und Newion aus Amsterdam. Zudem beteiligten sich mehrere Business Angels. „Nach der Seed-Finanzierung wollen wir das Projekt jetzt skalierfähig machen“, sagt Gemmecke. Sie wollen wachsen, möglichst zügig. Denn Größe bedeutet Synergien. Geld verdient Partscloud bereits. „Unser Geschäftsmodell ist jetzt schon profitabel“, sagt der COO. „Wir stecken den Ertrag möglichst vollständig wieder ins Unternehmen.“ Und es ist klar, dass der Maschinenbau nur der Anfang ist. „Wir werden unser Geschäft auch auf andere Branchen ausweiten. Wir sehen, dass unsere Software auch außerhalb des Maschinenbaus einsetzbar ist.“ <<

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