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Technologie > Telematik-Tarife

Wie Autofahrer von ihrer eigenen Überwachung profitieren können

Die Technologien, um Autofahrer zu überwachen, werden immer ausgefeilter. Bald überprüfen unsichtbare Kameras jede unserer Augenbewegungen. Was mit den Daten passiert, wovor Verbraucherschützer warnen und wie wir davon finanziell profitieren können.

Totale Überwachung: Autofahrer werden hinterm Steuer von immer mehr Kameras kontrolliert.© Shutterstock

Fast zwei Jahre Freiheitsentzug für eine SMS – solche Urteile sind keine Seltenheit mehr: Ein Autofahrer war sich sicher, dass er auf einer Landstraße mal eben eine Kurznachricht tippen kann. Dieses Mal sorgte seine Unaufmerksamkeit für eine Tragödie. Der junge Mann erfasste eine Fahrrad­fah­re­rin und deren Tochter, die hinter ihr im Kindersitz saß. Ihr Leben hätte gerettet werden können, wenn es im Auto Warnsysteme gegeben hätte, die den Fahrer von seiner hochriskanten Ablenkung abhalten.

Technologisch möglich ist es inzwischen, solcherlei Fehlverhalten von Autofahrern optisch zu erfassen. Und die entsprechenden Geräte stehen kurz vor der Serienreife. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, dass bis 2050 keine Menschen mehr im Straßenverkehr sterben müssen. Vor allem dank neuer Technologien scheint das erreichbar. Zahl und Fähigkeiten von Assistenzsystem sowie Sensoren, die die Welt außerhalb des Fahrzeugs aufnehmen, haben die Sicherheit erhöht. Die Zahl der Unfälle sinkt. Doch es bleibt die größte Gefahrenquelle: der Mensch, der am Steuer sitzt. Und deshalb richtet sich der Blick nun verstärkt aufs Innere der Autos.

Ab 2024 gilt für Neuwagen eine Regulierung, die praktisch eine Kameraüberwachung des Fahrenden unumgänglich macht. Egal ob übermüdet oder abgelenkt: Wer ein Auto lenkt und dabei nicht konzentriert ist, wird dann erfasst. Es ist ein stückweit ironisch: Neuartige Technologie soll verhindern, dass wir uns durch die jetzige – wie Smartphones – nicht mehr selbst schädigen. Allem Anschein nach halten es Hersteller und Versicherer für nötig, dass die Kameras im Autoinneren für den Fahrer nicht zu entdecken sind. Sie können hinter der Instru­men­ten­ta­fel, dem Rückspiegel oder der B-Säule eingebaut sein. Der Aufnah­me­win­kel aus der höheren Positi­on sei ideal, heißt es beim Hersteller Magna, ein großer kanadisch-öster­rei­chi­scher Autozulie­fe­rer. Die Geräte basieren auf infrarotem Licht, damit sie auch im Dunkeln ihren Dienst tun oder wenn der Fahrer eine Sonnenbrille trägt. Der konstante Bilderstrom misst zum einen, ob die Augen offen oder geschlossen sind. Und zum anderen die Stellung der Pupillen. Die dahinterliegende Software erfasst Abweichungen, also wenn der Fahrer nicht nach vorne blickt. Serienreif wird die Technologie in zwei Jahren, also pünktlich zum Inkrafttreten der neuen EU-Verordnung.

Wer bekommt wann die Daten?

Dieses Driver Monito­ring System muss strenge Daten­schutz­be­stim­mun­gen erfüllen. Spannend ist also, wer wann die Daten bekommt. Werden sie im Kfz gespeichert und nur zum Einsatz gebracht, wenn ein Unfall passiert und es darum geht zu klären, ob der Fahrer Schuld hatte? Oder gehen die Daten permanent auf einen Server, zu dem womöglich auch die Versicherung Zugang hat? Technisch machbar wäre beides. Die aktuelle Gesetzeslage ist allerdings deutlich strenger: Ausgelesen darf selbst ein Unfallspeicher nur nach Zustimmung des Fahrers. Allgemein anerkannt ist, dass Hersteller und ihre Technologiepartner vor allem dafür sorgen sollen, dass Komponenten wie Navigationssysteme, das Radio und Assistenzsysteme weniger über Bildschirme als über Sprach- und Gestensteuerung bedient werden sollen.

Versicherer sind an den Daten rund um das Fahrverhalten sehr interessiert und bieten Anreize, dass Fahrer diese freiwillig übermitteln lassen. Die sogenannte Telematik sorgt dafür, dass Daten wie Tempo, Beschleunigung oder Bremsverhalten bekannt werden und Rückschlüsse über die Fahrweise zulassen. Entweder senden Telematik-Boxen die Daten über das Mobilfunknetz an den Versicherer oder der Fahrer hat eine App auf seinem Smartphone. Für die Versicherer ergeben sich zwei Vorteile: Man kann die Höhe der Raten fair an die Fahrweise koppeln und es kommt zu weniger Unfällen aufgrund der rücksichtsvolleren Fahrweise. Und die Fahrer, die ihre Daten übermitteln, werden durch Nachlässe auf die Versicherungsprämie belohnt.

Wie Autofahrer profitieren können

Das funktioniert ganz praktisch über ein Punktesystem. Je risikoärmer die Fahrweise, desto besser der Score und umso günstiger der Tarif. Welche Kriterien bei den Kfz-Versicherern zur Berechnung herangezogen werden, unterscheidet sich erheblich. Die fünf wesentlichen Verhalten sind die Geschwindigkeit, wie schnell oder sanft man beschleunigt und das Bremsverhalten, schließlich kann abruptes Abbremsen Auffahrunfälle verursachen und es deutet auf eine wenig vorausschauende Fahrweise hin. Auch das Fahrverhalten in Kurven wird gemessen sowie die Fahrtzeit und die Strecke: Bei Fahrten im Berufsverkehr oder Nachtfahrten mit schlechten Sichtverhältnissen ist die Unfallwahrscheinlichkeit höher. Wer dagegen mit 130 Km/h auf der relativ leeren Autobahn schippert, sammeln Punkte für den Telematik-Score. Unterschiedlich ist je nach Versicherer die Gewichtung dieser Kriterien. Hier sollte ein Fahrer je nach seinen Anforderungen schauen, was am günstigsten für sie oder ihn ist.

Welche Bedenken Verbraucherschützer haben

Verbraucherschützer haben trotz der vermeintlichen Gerechtigkeit einige Bedenken wegen diesen Telematik-Tarifen: Zum einen gibt es oft Gründe für vermeintlich risikoreicheres Fahren, die gar nichts mit unvorsichtiger Fahrweise zu tun haben müssen. Zweitens wecken diese Daten Begehrlichkeiten bei der Polizei oder auch Unfallgegnern bzw. deren Versicherer. Gesetzeslagen können sich ändern. Wer weiß schon, was über die Jahre mit seinen Daten passiert? „Wenn sich dessen Daten nicht mit Ihrer eigenen Wahrnehmung decken, drohen Probleme. Wollen Sie kleinere Unfälle nicht der Versicherung melden, weiß die unter Umständen dennoch darüber Bescheid“, schreibt die Verbraucherzentrale dazu auf ihrer Homepage. Drittens sagen diese Daten eine Menge über das Privatleben eines Menschen aus. Allgemein bekannt ist, dass Autobauer sich immer mehr vernetzen mit Supermärkten, Onlineshops, Hotelketten oder anderen Playern, die an solcherlei Daten sehr interessiert sind.

Für wen lohnt sich ein Telematik-Tarif?

Grundsätzlich funktioniere Versicherungen ja durch das Kollektiv: Durch die Menge an Menschen entsteht ein Ausgleich zwischen denen mit hohem Risiko und denen mit niedrigem. Das empfinden einige als unfair und nutzen von daher die Möglichkeiten solcher Telematik-Tarife, die im Idealfall das konkrete Verhalten des Einzelnen berücksichtigen. Doch so ganz funktioniert das noch nicht: Spannend könnten solche Punktesysteme vor allem für die sein, die noch nicht viel Erfahrung haben, also Fahranfänger. Bei ihnen wird das Unfallrisiko höher eingeschätzt, was die Policen in die Höhe treibt. Weisen sie eine besonnene, ruhige Fahrweise im Rahmen eines Telematik-Tarifes nach, spart das oft bares Geld. Anders sieht es für Autofahrerinnen und -Fahrer aus, die seit langem unfallfrei unterwegs sind. Für sie könnte der Telematik-Tarif sogar teurer sein. Das gilt auch für die, die regelmäßig zu Stoßzeiten in der Stadt unterwegs sind, mit hohem Tempo über die Autobahn jagen oder nachts fahren müssen.

 

Was zu beachten ist

Wer einen Telematik-Tarif abschließen will, sollte sich auf jeden Fall sehr genau die jeweiligen Datenschutzbestimmungen anschauen. Der jeweilige Versicherer bekommt nun einmal viele hochsensible Daten. Wie erhebt und speichert er diese? Welcherart Profil wird von mir erstellt? Wie kann man die Daten im Falle eines Unfalls gegen mich verwenden? Wie sind meine personenbezogenen Daten geschützt? Werden sie vom Versicherer zum Beispiel an die Polizei oder gar andere Vertragspartner weitergegeben – zum Beispiel für den Zweck der personalisierten Werbung? Die Antworten auf solche Fragen sollten bekannt sein.

Ebenfalls wichtig: Wer übernimmt die Kosten für eine GPS-Blackbox? Oft tragen die Versicherten die Miete, was die Ersparnis bei guter Fahrweise auffressen kann. Gibt es eine App statt der teuren GPS-Box? Wie sanktioniert die Versicherung, wenn ich nur einen Teil der Fahrten „online gehe“? So mancher Fahrer trickste, indem er Box oder App bei ungünstigen Strecken deaktivierte. Wichtig ist auch, wie geregelt werden kann, wenn das Fahrzeug von mehreren Fahrern benutzt wird. Dazu kommen Klassiker wie die Kündigungsregelung und vor allem die Frage, ob die angepriesenen Maximal-Rabatte überhaupt erreichbar sind.

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