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Technologie > In die Cloud

Wie die Digitalisierung die ERP-Software verändert

Programm nach Wahl: ERP-Systemanbieter versuchen, ihre Anwender in die digitale Transformation zu führen. Doch die Umstellung ist nicht einfach. Denn die Digitalisierung kann beim Anwender Irritation auslösen.

Wie so oft in der Diskussion um die Digitalisierung des industriell produzierenden Mittelstand ist die IT-Branche ihren Kunden zum Teil einen Schritt voraus. Nicht selten spricht aus Produktbeschreibungen und Anwendungsszenarien der Wunsch der Anbieter, einen raschen Wandel bei ihren Geschäftskunden geradezu herbeizureden.

Dies steht manchmal im Kontrast zu den tatsächlichen Gegebenheiten, zum Beispiel bei mittelständischen Unternehmen in der Fertigungsbranche. „Die Digitalisierung bleibt 2018 gleichwohl ein wichtiges, treibendes Thema“, sagt Alexander Sturm, Leiter des Competence-Center Business-Software bei Konica Minolta IT Solutions. Er kennt seinen Markt genau und weiß, auf welchem Wissens- und Erwartungsstand seine Kunden stehen. „Die Praxis zeigt aber, dass es bislang noch in vielen Firmen, die mit Enterprise-Resource-Planning(ERP)-Systemen arbeiten, unzählige analoge Prozesse gibt. Mittelständische Unternehmen tauschen oftmals physische Dokumente in Abteilungen oder mit Partnern aus.“ Mit anderen Worten: In diesen Unternehmen herrscht noch ein wahrer Papierkrieg. Doch für Sturm gibt das Anlass zur Hoffnung: „Gerade dort wird der Digitalisierungsprozess in den nächsten Jahren weiter zunehmen.“

ERP in der Cloud

Für Friedrich Neumeyer, Vorstand des ERP-Anbieters Proalpha, stellt sich die Frage nach Papier oder EDV-Programm dagegen gar nicht. Seine Kundenunternehmen sind meist umfassend mit Software und digitalen Lösungen ausgestattet. Ihm geht es eher um die Frage, was man diesen Abnehmern noch anbieten kann. Wie wäre es mit einer Cloud-Lösung? Richtig: „Cloud wird auch im ERP-Bereich immer wichtiger“, sagt Neumeyer. Zwar gibt es eine ganze Reihe von Vorteilen für dieses Konzept – etwa dass sich die Kunden keine neue Hardware anschaffen müssen und die Lizenzmieten oft günstiger sind, als sich eigene Server zu beschaffen und in den Firmenkeller zu stellen. Aber noch immer sind die Angebote für viele Geschäftskunden zu wolkig: „Gerade in Deutschland haben Kunden beim Betrieb von ERP-Lösungen in der Cloud oft noch große Bedenken in Bezug auf die Sicherheit der dort hinterlegten Daten.“ Für einen Softwarehersteller ist das kein Problem. Er hält dann eben „verschiedene Betreibermodelle“ vor, um es den unterschiedlichen Anforderungen und Wünschen seinen mittelständischen Kunden recht zu machen.

 

Mehr Artikel zum Thema Digitalisierung finden Sie auf der Themenseite.

Doch ganz unparteiisch sind die Anbieter dann doch nicht, wie Karsten Sontow, Vorstand des ERP-Marktbeobachters Trovarit in Aachen, beobachtet: „Viele Anbieter drücken ihre Kunden geradezu in die Cloud. Nicht dass die Kunden das nicht oft auch tatsächlich wollten, aber die herkömmliche Vor-Ort-Lösung wird doch stark diskreditiert.“ Das Problem für Fertigungsbetriebe zeige sich oft erst hinterher: „Die Kostenstrukturen für Cloud-Anwendungen sind für viele Mittelständler schwierig, weil sie die Lösung für ihre Fertigung produktionsbedingt inhouse brauchen.“

Zähe Zeiten

Zudem ist der ERP-Markt nicht für Technologieexperimente gemacht. Die Lebenszyklen der Programme sind mit 8 bis 15 Jahren typischerweise recht lang. Gerade einmal 6 Prozent beträgt der Anteil des Neugeschäfts im ERP-Markt. Alles andere sind Ausgaben für Service und Upgrades. Falls ein Geschäftskunde dann doch einmal seinen Programmhersteller wechseln muss oder will, sollte er sehr genau auf das Profil des neuen Anbieters schauen und es so präzise wie möglich analysieren, ob dieser sich tatsächlich eignet.

Zurzeit sehen sich Nutzer in mittelständischen Unternehmen von allen Seiten vom Thema Digitalisierung umzingelt – „das löst eine Irritation aus“, warnt Sontow. Zumal mit Cloud- und anderen Digitalanwendungen neue Player in den Vordergrund rücken und den Markt gehörig durcheinanderwirbeln. Zahlreiche Anbieter haben enorme Investitionssummen in ihre Softwareentwicklung gesteckt, die dann schon mal 20 Jahre am Markt Bestand haben muss. Doch bei Technologiewechseln, etwa durch die mobile Nutzbarkeit des Programms, kann es für sie unangenehm eng werden. „Das kann schon den einen oder anderen Hersteller, der große Investitionen in technische Erneuerungen bringen muss, an den Rand drängen“, sagt Sontow. Für die mittelständischen Kunden wiederum heißt das: Der Markt wird unübersichtlicher, und die Angebote werden oft schwerer vergleichbar. Aber es ergeben sich auch Chancen für bessere und günstigere Anwendungen.

Neues im programm

Für ERP-Unternehmen wie Proalpha stellt sich die Frage, wie sie ihr Produkt technologisch weiterentwickeln. So verstärkt sich der Plattformcharakter der Programme, wie Neumeyer betont: „ERP-Systeme kommunizieren immer mehr mit anderer Software – sei es mit Software auf mobilen Endgeräten, in Maschinen und Sensoren oder mit Webservices öffentlicher Einrichtungen oder auch wissenschaftlicher Kooperationspartner. Dafür ist eine extrem hohe Integrationsfähigkeit notwendig.“ Als Beispiel nennt er die steigende Anzahl von Projekten zu Predictive Maintenance, bei der Sensoren vor Ort Maschinendaten sammeln und sie an eine Zentrale wie etwa ein ERP-Programm senden. Aus den Zustandsberichten lässt sich dann der Verschleiß oder der drohende Ausfall von Bauteilen erkennen.

Auch bei den oft gehassten Updateprozessen beobachtet Alexander Sturm von Konica Minolta IT Solutions einen Innovationsschub. Bisher waren Updates in angepassten individualisierten ERP-Lösungen nur mit großem Aufwand durchzuführen. „Zukünftig werden Anpassungen in Form von Apps ausgeliefert und genutzt“, sagt er. Das wäre mal wirklich etwas Neues.


Der Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 02/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

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