Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Technologie > Robo-Revolution Wirtschaft

Wie Roboter die Wirtschaft retten: Chancen, Trends und Zukunft

Roboter revolutionieren Produktion & Dienstleistung – so sichern Automatisierung und KI langfristig Wohlstand und Wachstum.

Präziser Schnitt: Kollege Roboter übernimmt in der Produktion immer mehr Aufgaben. Ob er Menschen ähneln sollte, ist umstritten. (Foto: Neura Robotics)

Zahlreiche Unternehmen in Deutschland arbeiten an Helfern für Gesundheit, Militär und Produktion. Der Multi-Milliardenmarkt wächst rasant. Investoren sind elektrisiert.

Von Andreas Kempf

Etwas unsicher stakst der kleine Roboter auf vier dürren Beinchen durch den Weinberg. Ein wenig erinnert er an die Miniversion einer Kampfmaschine aus „Star Wars“. Odie, so der Name des Roboters, ist jedoch im Einsatz gegen Pflanzenkrankheiten, Schimmel- und Insektenbefall. Er erkennt auch die aktuelle Beschaffenheit des Bodens, beispielsweise ob bewässert werden muss. Das sei gerade in Zeiten des Klimawandels wichtig und könnte die Ernte optimieren, sagt Nils Lüling von der Uni Hohenheim. Die Daten von Odie werten die Agrarwissenschaftler der Stuttgarter Hochschule aus. Ausgestattet mit hochsensibler Kamera und künstlicher Intelligenz kommt der automatisierte Helfer den Pflanzen wesentlich näher, als es eine Drohne je könnte. Ziel des Projektes: Die Nachfolger von Odie sollen künftig Landwirten helfen, denen das Personal fehlt, um regelmäßig die Reben zu begutachten.

Roboter sind inzwischen weit mehr als jene Ungetüme, die man aus der Autoindustrie kennt. Die dürfen nur hinter Schutzgittern Karosserieteile zusammenschweißen. Für Menschen wäre zu viel Nähe lebensgefährlich. Inzwischen erkennen neue Robotergenerationen den Mitarbeiter und bleiben stehen. Das ermöglicht ein platzsparendes Nebeneinander von Mensch und Maschine. Der Roboter übernimmt dabei schwere, monotone Arbeiten. Er ist auch zur Stelle, wenn es darum geht, präzise abgemessene Mengen zu verarbeiten oder mit gefährlichen Materialien zu hantieren, so wie es beispielsweise in Laboren der Fall ist. Cobots heißen diese kollaborativen Kollegen in der Fachsprache.

Robotik ist längst nicht nur in der Industrie ein Thema. Diese besonderen Maschinen dringen inzwischen auch in unerwartete Bereiche vor. Dazu zählt der Bau-Bot der Fischer-Werke aus dem Schwarzwald, die vor allem für ihre Dübel bekannt sind. Der Roboter bohrt unermüdlich und präzise beispielsweise jene Löcher, die in den Betonwänden von Tunnels, auf Brücken oder Lagerhallen zu Tausenden benötigt werden. „Der Bau-Bot entlastet Verarbeiter von körperlich anstrengenden, strapazierenden Tätigkeiten, reduziert das Verletzungsrisiko, senkt Fehlerquoten, spart Kosten, beschleunigt den Baufortschritt und steigert letztlich den Projekterfolg“, heißt es bei Fischer. Zum erfolgreichen Einsatz biete das Unternehmen den kompletten Service, von der Planung über die Ausführung bis zur Dokumentation.

Der Malroboter übernimmt

Das Handwerk will den Einsatz von Robotern noch weiter ausdehnen. Die ersten Verputz- und Malerroboter aus Japan sind bereits im Einsatz. Der Augsburger Hersteller German Bionic bietet ein Exoskelett aus Karbon zur Entlastung bei schweren Arbeiten. Cray X unterstützt beim Heben, Be- und Entladen sowie bei Arbeiten in vorgebeugter Haltung. Aus Japan kommt der 1,81 Meter große und gut 100 Kilogramm schwere HRP-5P. Der humanoide Helfer kann selbstständig eine Trockenbauwand in mehreren Arbeitsschritten aufstellen. Der Roboter trägt eine Bauplatte zu einer Holzunterkonstruktion, passt sie dort ein und verschraubt sie. Die Handwerkskammer Dresden betreibt ein eigenes Testfeld, wo sich Interessenten über verschiedene Anwendungsmöglichkeiten informieren und beraten lassen können. Dazu gehört der Einsatz von Schweißrobotern. Die Schweißlehranstalt der Kammer hat die Maschinen bereits fest in ihrem Kursprogramm integriert.

Personal und Kosten spart seit April auch das Zollernalb Klinikum in Baden-Württemberg. Es setzt zwischen den 20 Kilometer voneinander entfernten Standorten Albstadt und Balingen eine Drohne ein, die Blutproben transportiert – staufrei. Aber auch solche Roboter kommen nicht ohne Bürokratie aus. Zwei Jahre hat das Zulassungsverfahren beim Luftfahrtbundesamt gedauert, berichtet Projektleiterin Sina Müller dem SWR. „Deshalb sind wir stolz, dass wir bundesweit als erste die Genehmigung erhalten haben.“ Unter anderem mussten die Labormitarbeiter eine spezielle Luftfahrtschulung absolvieren, um die Drohne bestücken zu dürfen.

Das Besondere: Die Drohne ist automatisch unterwegs, außerhalb der Sicht des Steuerers. Zudem fliegt sie – überwacht aus Berlin – über besiedeltes Gebiet. Die Blutproben, die höchster Sicherheitsstufe unterliegen, müssen wasserdicht und stoßfest verpackt sein. Das sei alles zertifiziert, versichert Müller. Sie rechnet den Vorteil vor: für die Strecke mit der Drohne würden 29 Euro kalkuliert. Der bodengebundene Transport komme auf 70 bis 87 Euro. In zwölf Minuten ist die Drohne am Ziel. Das Auto wäre bis zu einer halben Stunde unterwegs. Die Klinik spart so künftig mehr als 100.000 Euro an Transportkosten pro Jahr. Die Drohne beschleunigt aber auch die Abläufe in der Klinik-Gruppe. So können Behandlungen in Albstadt erst erfolgen, wenn die Blutwerte aus dem Labor in Balingen vorliegen. Inzwischen eifern die Asklepios-Kliniken in Schleswig-Holstein dem baden-württembergischen Beispiel bereits nach.

Porsche wittert Geschäft

Drohnen sind die Domäne von Quantum Systems, das durch den sprunghaft gestiegenen Verteidigungsbedarf Aufwind verspürt. Die Investoren, darunter die Beteiligungsgesellschaft Porsche SE in Stuttgart, wittern ebenfalls glänzende Geschäfte. Sie haben das Unternehmen mit 120 Millionen Euro ausgestattet. „In den kommenden Jahren ist ein Wachstum des Marktes für kompakte Drohnen von 20 Prozent pro Jahr zu erwarten“, heißt es bei Porsche. Quantum Systems, ein Start-up aus Gilching bei München, will beispielsweise mit 100.000 unbemannten Flugobjekten die Ostflanke der Nato absichern. Das Unternehmen hat mit dem Copterdrohnen-Anbieter Air-Robot die erste Firma übernommen und damit auch dessen Aufträge der Bundeswehr und des britischen Verteidigungsministeriums.

Die Nachfrage wächst rasant. Das Volumen des Robotikmarktes wird in diesem Jahr voraussichtlich 46 Milliarden Euro erreichen. Bis in vier Jahren sollen es schon gut 66,5 Milliarden Euro sein. Vor allem in China erlebt der Markt ein rasantes Wachstum wegen Pekings starken Fokus auf industrielle Automatisierung und neue Technologien in der Fertigung. Darüber hinaus treibt die Regierung den Einsatz von Robotern in Branchen wie Gesundheit oder Logistik voran. So ist es kein Wunder, dass chinesische Roboter auch die Eröffnungsshow auf der Hannover Messe prägten.

Auch Neura Robotics wollte in China produzieren. Doch von diesem Plan ist man abgekommen und fertigt lieber im baden-württembergischen Metzingen – dort, wo auch der Textilriese Hugo Boss beheimatet ist. Die Kerntechnologie für die Roboterarme komme ohnehin aus Deutschland, da lohne der Transport hin und her nicht, sagt David Reger. Der Gründer will auch sichergehen, dass seine Firmengeheimnisse nicht in China abgeschöpft werden. Reger sieht einen neuen Treiber für die Technologie. „Wir haben heute Facharbeitermangel und unsere Bevölkerung wird immer älter. Die neue Generation Roboter könnte diesem Fachkräftemangel entgegenwirken.“

Die humanoiden Maschinen von Neura sind mit Sensoren, Mikrofonen, Kameras und Motoren ausgestattet. Damit umzugehen, müssen die Roboter erst lernen. „Wir füllen ein neuronales Netz und daraus kommt das Wissen, sich bewegen zu können, genau zu sein, sensitiv zu sein“, sagt der Firmenchef. Sein Unternehmen mit 300 Beschäftigten wirbt mit einem eindrucksvollen Bild, einem Roboter am Bügelbrett. Es verkörpert die Neura-Vision: menschenähnliche Helfer, die nicht nur die Arbeit in Fabriken übernehmen, sondern auch die Hausarbeit erledigen. Schon heute gehorchen die Maschinen des Unternehmens auf Zuruf. Das erspart aufwendiges Programmieren. Erst im Januar verschafften verschiedene Investoren um die schwedische Volvo, der britischen Investmentfirma Lingotto, der taiwanesischen Delta Electronics und der baden-württembergischen L-Bank dem Spezialisten mit 120 Millionen Euro zusätzlichen Schub.

Menschenähnliche Maschinen gegen den Fachkräftemangel? Einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zufolge gingen hierzulande im vergangenen Jahr wegen fehlender Arbeitskräfte Produktionskapazitäten im Wert von 49 Milliarden Euro verloren. Nach einer Erhebung der Beratungsgesellschaft Accenture glauben allerdings in Deutschland nur 23 Prozent der Manager, dass humanoide Maschinen in der hochautomatisierten Fabrik zum Einsatz kommen. Auch in den USA ist man skeptisch. Nur 35 Prozent geben den „neuen Mitarbeitern“ eine Chance. In China sind es hingegen schon 65 Prozent. Und in Japan setzen sogar 72 Prozent auf die menschenähnlichen Roboter. Hintergrund ist hier die alternde Bevölkerung. Das führt beispielsweise zu einer hohen Nachfrage nach Robotiklösungen im Gesundheitswesen und in der Altenpflege.

Die Skepsis im eigenen Land schreckt Spezialist Schunk nicht ab. Auf dem Stand auf der Hannover Messe präsentierte der Maschinenbauer aus Lauffen bei Heilbronn eine Roboterhand, die Besucher mit Schnick-Schnack-Schnuck herausforderte. Dahinter steckt die Botschaft, die Technologie sei flexibel und anpassungsfähig. Denn in einer modernen Fabrik ändern sich die Produktzyklen mehrmals am Tag. Die Anlagen müssen mit dieser Anforderung mitgehen können. Und am Ende werde immer eine Hand gebraucht, glaubt Technikchef Timo Gessmann. Deshalb hätten sich bereits mehrere Hersteller von humanoiden Robotern für die Schunk-Lösung interessiert, verrät er im Gespräch mit der FAZ.

Analyse von Mimiken

Beim Münchener Roboterbauer Agile Robots glaubt man ebenfalls an die Zukunft humanoider Maschinen. Eine Mehrheitsbeteiligung am KI-Start-up Audeering soll die Programmierung von Robotern und die Interaktion mit Menschen erheblich verbessern, erklärt Chef und Mitgründer Zhaopeng Chen. Der Zukauf verwendet KI- und Deep-Learning-Technologien, um akustische Szenen, Gesichtsausdrücke und Gesprächsstimmungen zu analysieren. Ziel sei es, menschliche Bedürfnisse ganzheitlich und in Echtzeit zu erfassen. Das Unternehmen gründeten Robotikforscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. „Der Fachkräftemangel ist ein Pro­blem, das die Robotik lösen kann“, bestätigt Chen die Überzeugung vieler seiner Fachkollegen.

In den vergangenen vier Jahren hat Agile seinen Umsatz jährlich verdoppelt – 2024 betrug er 200 Millionen Euro. Der Fokus liegt umso mehr auf dem Ausbau der Forschung. „Jährlich investieren wir in Deutschland rund 70 Millionen Euro in Forschung und Entwicklung – mit steigender Tendenz“, sagt Chen. Knapp 1000 von insgesamt 2300 Mitarbeitern beschäftigen sich direkt mit der Forschung und Weiterentwicklung von KI und Robotern. Chen, der seit fast 20 Jahren in München lebt, glaubt an den Robotikstandort Deutschland. Und dies, obwohl 2024 die Erlöse der deutschen Hersteller mit Robotik, Montageanlagen und Bildverarbeitung um sechs Prozent auf 15,2 Milliarden Euro gesunken sind. Für das laufende Jahr prognostiziert der Dachverband der Branche VDMA einen weiteren Einbruch auf 13,8 Milliarden Euro. Dennoch herrscht Aufbruchstimmung. „Das Marktpotenzial der kognitiven Robotik ist größer als das des Smartphones,“ sagt Neura-Gründer Reger.

Ähnliche Artikel