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Technologie > Erneuerbare Energie

Windkraft kommt nicht um die Kurve

Transporteure stöhnen: Bis zu 80 Sondergenehmigungen sind nötig, um ein Windrad zu liefern. Der Zeitaufwand ist immens.

Zeitaufwand für Transporteure ist immens: Transport von WindkraftanlagenBild: Shutterstock

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 den Anteil des Stromverbrauches aus Ökostrom auf 65 Prozent zu erhöhen. Am liebsten sollte es vor dem Hintergrund der stockenden Energieversorgung aus Russland natürlich noch schneller gehen. Das Problem ist jedoch: Die neuen Windkraftanlagen bleiben im Genehmigungsdschungel stecken. Insbesondere beim Transport der immer größer werdenden Windanlagen und der Kräne, die nötig sind, um sie aufzustellen, geht es inzwischen drunter und drüber.

60 bis 80 Einzeltransporte sind notwendig, bis ein Windrad aufgebaut und zum Laufen gebracht werden kann. Die meisten Lieferungen davon sind Schwertransporte, die von Bund, Ländern und den Kommunen, die an der Strecke liegen, einzeln genehmigt werden müssen. Jede einzelne Genehmigung besteht aus einem Aktenordner mit bis zu 200 Seiten, auf denen der Weg, den der Transport nehmen muss, Zentimeter genau beschrieben wird.  Dabei widersprechen sich die Bestimmungen in den unterschiedlichen Ländern und Kommunen. Von „Bürokratie-Irrsinn“, der die Energiewende entscheidend behindert, spricht inzwischen Helmut Schgeiner Vorstandssprecher der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK). Die durchschnittliche Genehmigungsdauer hat sich nach Angaben des Verbands inzwischen von ein auf drei Jahre erhöht, was die Ausbaupläne der Bundesregierung empfindlich ins Wanken bringt.

Beispiele hat Schgeiner viele zu Hand: In manchen Bundesländern darf nur nachts mit Schwertransporten gefahren werden, in anderen auch tagsüber. Die Folge: die Kolosse der Straße bleiben an Bundesländergrenzen hängen und verstopfen dort die Parkplätze. Mancherorts wird ein Begleitfahrzeug gebraucht, anderswo nicht, die eine Kommune will das Gewicht aufs Kilogramm genau wissen, die andere nicht. Der dadurch entstehende Genehmigungsstau potenziert sich: Weil die Genehmigungen immer länger brauchen, reichen Transportunternehmer ihre Anträge immer früher pro forma ein. Am Ende ziehen sie dann wie aus einem Kartenstapel den passenden heraus und benutzen nur ihn für einen Transport, während die Verwaltung zahlreiche weitere Anträge völlig zweckfrei geprüft hat. Die Zahl der beantragten Genehmigungen für Schwertransporte auf deutschen Straßen ist deswegen auf etwa eine Million im Jahr gewachsen. Der Flut wird keiner mehr Herr.

Ein aktueller Leitfaden des Verbands zum Transport stellt fest, dass allein die größer werdenden Rotorblätter von Windkraftanlagen dazu führen, dass die Gesamtlänge der Schwertransporte an die 100 Meter beträgt. Das sind Ausmaße, die es unmöglich machen, enge Autobahnausfahrten zu benutzen. Die Folge: Die Aus- und Einfahrten müssen eigens umgebaut werden. Bäume müssen gerodet und Absperrungen abmontiert werden.

Nicht zuletzt steigen durch aufwendigere Transporte, die immer weitreichendere Genehmigungen brauchen die Kosten einer Windanlage, was sie am Ende unwirtschaftlich machen kann. Schgeiner spricht von sechsstelligen Transportkosten und mahnt dringend zumindest eine Harmonisierung der Transportbestimmungen innerhalb Deutschlands an. Bei den Bundesländern kennt man das Problem und hat unter Federführung von Hessen seit 2007 ein digitales Genehmigungssystem namens Vemags entwickelt. Der durchschlagende Erfolg blieb jedoch bisher aus, die Genehmigungsverfahren ziehen weiter in die Länge – und die Energiewende muss eben in der Amtsstube warten.

oli

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