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Technologie > Glashütte gegen Rechtsruck

Zwischen Präzision und Politik: Uhrenhersteller schlagen Alarm

Glashütte Uhrenhersteller warnen vor den negativen Auswirkungen des Aufstiegs der rechtsextremen AfD auf die lokale Wirtschaft und internationale Reputation.

Nomos, einer der neun Glashütter Uhrenhersteller, hat sich am deutlichsten gegen die AfD ausgesprochen. (Foto: picture alliance / dpa; Sebastian Kahnert)

Nahe der tschechischen Grenze, südlich von Dresden in Sachsen, liegt Glashütte, eine malerische Stadt mit 6.700 Einwohnern. Wie das Deutsche Uhrenmuseum, die Hauptattraktion der Stadt, vermuten lässt, ist sie das Zentrum der sächsischen Spitzenuhrenindustrie. Nach Lehrjahren bei Herstellern feiner Uhren in Frankreich und der Schweiz eröffnete Ferdinand Adolph Lange 1845 mit einem Darlehen der sächsischen Behörden eine Werkstatt in Glashütte und gründete das Unternehmen, das später zu A. Lange & Söhne, einer der teuersten Uhrenmarken der Welt, werden sollte. Heute ist das Unternehmen, das ziwschenzeitlich dem Schweizer Luxusgiganten Richemont gehört, einer der neun Spitzenhersteller, die in der Stadt Uhren produzieren.

Doch einige der Glashütter Uhrenhersteller, die ihre Produkte weltweit verkaufen und Fachkräfte vieler Nationalitäten beschäftigen, befürchten nun, dass die sich verändernde Politik der Stadt ihre Marken beschädigen wird.

Obwohl die Einwohner von Glashütte stolz auf ihre Geschichte als Uhrenhersteller sind, sind nur einige von ihnen in der Branche beschäftigt; viele der 1.800 Beschäftigten der neun Uhrmacher pendeln von anderswo her. Die Einwohner der Stadt fühlen sich, wie viele in Sachsen, von der Globalisierung abgehängt. Das Bundesland ist zu einem Hotspot für die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) geworden, die Umfragen zufolge bei den am 1. September stattfindenden Landtagswahlen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Christdemokratischen Union (CDU) um den ersten Platz führt.

Nomos, einer der neun Glashütter Uhrenhersteller, hat sich am deutlichsten gegen die AfD ausgesprochen. Die Firma äußerte ihre Besorgnis über die rechtsextreme Partei bereits 2015 nach einem Angriff von Neonazis auf einen Baumarkt im nahe gelegenen Heidenau, in dem Asylbewerber untergebracht waren. Im Jahr 2018, nach einer Woche migrantenfeindlicher Proteste in Chemnitz, einer weiteren sächsischen Stadt, begann der Uhrenhersteller, Workshops zur Bekämpfung von Rassismus anzubieten.
 
Nomos war eine Ausnahme unter den Mittelständlern, die in Deutschland das Rückgrat der Wirtschaft bilden. Im Gegensatz zu größeren Unternehmen haben die eng mit dem lokalen Umfeld verbundenen Unternehmen den Aufstieg der AfD bisher eher verschwiegen. Das ändert sich jetzt. Die Chefs in Sachsen befürchten nicht nur, dass die rechtsextreme Politik der Region das Image ihrer Unternehmen beeinträchtigen könnte, sondern auch, dass die feindselige Haltung der AfD gegenüber Zuwanderern dringend benötigte Fachkräfte davon abhalten könnte, in die Region zu ziehen, was den Arbeitskräftemangel noch verschärfen würde.

Kürzlich haben mehr als 40 Familienunternehmen aus ganz Deutschland - vom Haushaltsgerätehersteller Miele bis zum Kunststofftechnikunternehmen Röchling - eine Kampagne gestartet, in der sie vor den Gefahren der Rechtsextremisten für die Attraktivität des Landes als Investitions- und Wirtschaftsstandort warnen.

Der Verband der Familienunternehmen in Sachsen hat im Vorfeld der Landtagswahl dazu aufgerufen, die AfD nicht zu unterstützen. Werden all diese Bemühungen die Wähler noch rechtzeitig umstimmen?

Die Uhr tickt.

 

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Aus The Economist, übersetzt von der Markt & Mittelstand Redaktion, veröffentlicht unter Lizenz. Der Originalartikel in englischer Sprache ist zu finden unter www.economist.com

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