Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Management > Kommentar zur Cebit

Aus IT-Fachmesse wird Sommerparty: Das lange Ende der Cebit

Noch läuft die Leitmesse der digitalen Wirtschaft des Jahres 2017, doch schon verkünden ihre Macher mit der Terminänderung auf Juni den gravierendsten Eingriff seit Bestehen der IT-Fachmesse. Ob die Aussteller mitziehen, ist fraglich.

Aus dem Frühjahrstreffen der IT-Branche Ende März wird eine Sommerparty. Mitte Juni 2018 ist wenigstens gewährleistet, dass bei den Teilnehmern keine Erkältungskrankheiten aufkommen. Der Branchentreff wird zudem mal wieder um einen Tag gekürzt, erhält mehr Events und Konzerte und reicht damit seinen Abschied von seiner Kompetenz für die Fachbesucher ein. Nun stehen die mehr oder weniger zufälligen Gäste im Mittelpunkt, aber nicht mehr die eigentlichen Finanziers der Veranstaltung, die Aussteller.

Ist es von einem Dienstleister wie der Deutschen Messe intelligent, seine Geldgeber mit der hausgemachten Ratlosigkeit zu konfrontieren? Was immer auch die Gründe für die tiefgreifende Veränderung sein mögen – falsche Ratgeber, geistlose Visionen oder schlichte Ahnungslosigkeit: Fest steht, dass das Konzept ausgedient hat.

Der „digitale Innovator“ hat sich selbst überholt und in eine Sackgasse manövriert, ohne es zu merken. Das zeigt, was das Geschwätz der Verantwortlichen für das Messemarketing von der für die deutsche Wirtschaft bevorstehenden und unbedingt durchzuführenden Digitalisierung wert ist – nichts.

Weg in die Sackgasse

Wie Substanzlosigkeit endet, hat schon vor Jahren die süddeutsche Konkurrenz der Cebit in München zeigen müssen. Als die Systems nach ihrer kurzlebigen Umbenennung in „Discuss and Discover“ eingestellt wurde, eilten – ganz digitales Zeitalter – Boten mit schriftlichen Notizen der Entscheidung der Messeleitung von Stand zu Stand, eine lächerlich hilflose Geste der Verantwortlichen.

In Hannover aber standen die Zeichen schon seit Jahren auf Wandel weg von der fachlichen Zielgruppe. Um der Statistik willen wurden Cebit-täglich Massen von Schulklassen durch die Hallen geführt. Unter dem Aspekt „Zukunft und Jugend fördern“ mögen diese Praktiken noch angehen, wenn es denn jemals ehrlich kommuniziert worden wäre. Quantität ersetzt Qualität.

Mega-Fehler: Masse statt Klasse

Die IT-Leitmesse zur Jahresmitte: Ob das gut geht? Nein, sagt Aussteller Dirk Martin, Chef der Softwarehauses PMCS Helpline im hessischen Bad Camberg. „Das ist der sichere Tod der Cebit. Offensichtlich haben Besucher- und Ausstellerzahlen die Cebit-Entscheider alarmiert. Anders kann ich mir nicht vorstellen, warum noch während der laufenden Veranstaltung eine so gravierende Änderung verkündet wird.“

Der drastische Rückgang der Besucherzahlen von einst 800.000 im Jahr 2001 auf 200.000 im Jahr 2015 zeige, dass die IT-Fachmesse offensichtlich deutlich an Bedeutung verloren habe. „Wenn die Verlegung auf den Juni die einzige Maßnahme ist, um die Messe attraktiver zu machen, dann zeugt das von echter Verzweiflung des Cebit-Vorstands. Kein Mensch will in den warmen Sommermonaten in den Messehallen von Stand zu Stand laufen. Noch dazu haben sich bereits viele Unternehmen organisatorisch auf den März eingestellt“, warnt Martin.

Aus für die IT-Leitmesse

Schon ein Blick auf den Geländeplan zeigt, dass die Cebit 2017 verloren hat. Zwar ist der Charme etwa jener improvisiert eingerichtet wirkenden Halle, die dem Cyberspace und autonomen Fahrzeugen gewidmet ist, nicht abzustreiten. Es ist ja auch sympathisch, wenn sich junge Menschen mit Brille und Handschuhen gegen virtuelle Feinde ernsthaft zur Wehr setzen und dafür amüsierte Blicke des Publikums ernten.

Aber bitte, was ist daran neu, innovativ und digital disruptiv? Es sind diese falschen Versprechungen, die das Konzept der Cebit scheitern ließen.

Cebit: Versprechen gebrochen

Das Versagen der Veranstalter merken die Aussteller zuerst. Oder wie ist es erklärbar, dass nicht einmal die Hälfte des zur Verfügung stehenden Ausstellungsbereichs belegt ist? Selbst zwischen den vermieteten Standflächen herrscht viel Bewegungsfreiheit in den Hallen, ein ganz schlechtes Zeichen für die Vermarktung der Cebit. Dagegen kann die Hannover Messe (HM) 2017 aus dem Vollen schöpfen. Auch sind viele Aussteller von der Cebit zur HM gewechselt, weil sie dort ihre Themen und vor allem die begehrten Geschäftskunden finden.

Wie ließe sich das Beste aus dieser Situation herausholen? Ganz einfach mal konsequent sein: Das aus der HM 1986 ausgegliederte „Centrum für Büro- und Informationstechnik“ sollte einfach wieder zu einem Teil der Industriegroßveranstaltung werden – verteilt auf drei Hallen. Back to the roots!

Ähnliche Artikel