Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Rankings >

Auf die Perspektive kommt es an

Blickfeld revolutioniert mit einem kleinen Sensor ganze Branchen. Die Box vermisst Küsten, Schüttgut-Berge und soll Schlange stehen vermeiden.

Der etwas andere Blick auf die Dinge: Blickfeld-Gründer Mathias Müller, Florian Petit und Rolf Wojtech (v. l.). Bildquelle: Blickfeld

North Carolinas Küsten, Check-in-Terminals im Frankfurter Flughafen, Kamele in Ägypten und Kieshaufen fast überall auf der Welt – die Münchener Firma Blickfeld befasst sich mit ihnen. Dabei ging es ursprünglich um Roboter und autonomes Fahren, wie Florian Petit, einer der drei Gründer erzählt. Blickfeld entwickelt besondere Sensoren – und die haben ein Potenzial, das die Gründer so nicht erwartet hatten.

 

Petit kommt aus der Robotik. Von da ist es nicht weit zu selbstfahrenden Autos. Denn: Ein Roboterarm oder ein autonomes Fahrzeug müssen die Umgebung erfassen und verstehen. Sonst verletzt der Roboterarm womöglich den daneben stehenden Facharbeiter oder das Auto fährt gegen ein Straßenschild. Eine Technik dafür nennt sich Lidar („light detection and ranging“, Erkennen und Messen mit Licht). Dabei wird ein Laserstrahl ausgesandt und gemessen, ob er zurückgeworfen wird und wie lange das Licht dafür braucht. Wenn der Laser einen ganzen Bereich abtastet, entsteht ein Bild, kein Farb-, sondern ein Abstandsfoto. „Das Gerät erkennt nicht Person X, weiß aber, dass sie 70 Zentimeter entfernt steht“, sagt Petit.

 

Lidar-Technik gibt es seit mehr als 40 Jahren, Konkurrenten von Blickfeld setzen schon mal 100 Millionen Euro mit der Technik um. Doch Blickfeld hatte eine dieser Ideen, die eine ganze Sparte revolutionieren. Die gerade einmal faustgroße Kamera hat einen besonderen Vorteil: Sie misst den Abstand nicht nur von einem Punkt, sondern von bis zu mehreren 100.000 – dank eines patentierten Spiegelsystems. Die daraus entstehende Punktwolke gibt ein sekundengenaues räumliches Abbild der Umgebung. Weil die Lidar-Sensoren ein weites Sichtfeld haben, reichen wenige Sensoren aus, um auch große Areale zu erfassen.

 

Die Hardware allein macht den Erfolg nicht aus. „Der Kunde kauft nicht den Sensor, sondern etwas, das sein Problem löst“, sagt Petit. Anders gesagt: Der Sensor erzeugt jede Menge Daten. Der Kunde kann damit aber noch nichts anfangen, sondern möchte die für ihn richtigen Daten herausgefiltert und analysiert haben, um dann richtig handeln zu können. Also hat Blickfeld eine entsprechende Software entwickelt, einfach per Webbrowser zu bedienen. Damit lässt sich allerlei einstellen: Blickwinkel und Auflösung des Sensors zum Beispiel. Und eine spezialisierte Wahrnehmungssoftware kann die Daten deuten.

 

„Wir haben versucht zu verstehen, wo der Sensor am meisten Nutzen schafft“, sagt Petit. „Dann haben wir Apps entwickelt.“ Aus Ägypten kam die Anfrage, ob Blickfelds Sensoren und Software Kamele zählen könnten. Die University of North Carolina nutzt die Münchener Technik, um die Folgen von Sturmfluten an der Küste des US-Bundesstaats erfassen zu können – während der Sturm noch tobt. Am Frankfurter Flughafen sollen die Sensoren und Software verhindern, dass es lange Schlangen am Check-in gibt. „Wir erkennen, wie viele Personen durch welche Türen kommen, und können dann vorhersagen, wo es eng wird“, sagt Petit. Bevor die Schlange am Check-in überhaupt entsteht, kann ein zusätzlicher Platz geöffnet werden, um alles reibungslos laufen zu lassen.

 

Und dann ist da noch die Sache mit dem Schüttgut: Kohle, Kies, Kartoffeln, Düngemittel, Reis. Alles Produkte, die wenig mit Digitalisierung zu tun haben. Oft schätzt der erfahrene Vorarbeiter, wie viele Lastwagenladungen gerade auf einem Haufen liegen. Der Blickfeld-Sensor erfasst ihn von oben und ermittelt aus dem Bild die genaue Menge. Ein riesiger Markt und „so weit weg von autonomem Fahren und Robotern“, sagt Ingenieur Petit.

 

Gestartet ist Blickfeld 2017. „Wir waren zu dritt, jeder hat ein paar Tausend Euro investiert und wir haben im Keller unter dem Mikroskop die ersten Prototypen zusammengebaut“, beschreibt Petit die Gründerzeit. Investoren wie Osram und Continental sind eingestiegen, Blickfeld hat rund 40 Millionen Euro investiert. Inzwischen beschäftigt das Unternehmen mehr als 130 Mitarbeiter, setzt mehrere Millionen Euro um. Weil Mathias Müller, Rolf Wojtech und Florian Petit an der technischen Universität München studiert haben, sitzt Blickfeld auch in München. Derzeit baut das Unternehmen Büros in den USA und in China auf. Und sie haben einiges vor, wie Petit sagt. „Unser Ziel ist, jedes Jahr um mehr als 100 Prozent zu wachsen.“