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Die goldene Apotheke steht in Hanau

Die Firmengeschichte von Heraeus beginnt 1660. Inzwischen ist das Familienunternehmen weltweit in vielen ­wichtigen Branchen unersetzlich.

Goldener Schein: Viele Anleger kennen den Namen Heraeus von der Prägung ihrer Goldbarren. Produkte des Unternehmens flogen auch schon zum Mond. Bildquelle: picture-alliance/ dpa | Armin Weigel

Es gibt wohl sehr wenige Unternehmen, die auf eine Firmengeschichte verweisen können, die bis 1660 zurückgeht. Damals hatte ein gewisser Isaac Heraeus in Hanau bei Frankfurt eine Apotheke übernommen und acht Jahre später eine zweite mit dem Namen Zum weißen Einhorn am Marktplatz der Stadt eröffnet. Die ist die Keimzelle der ältesten deutschen Apotheker- und Unternehmer-Dynastie. Isaacs Sohn Franz hatte sich als Erster mit Edelmetallen beschäftigt, dem heutigen Geschäft der Heraeus-Gruppe. Dem Enkel Wilhelm-Carl gelang es um 1850 als Erstem, Platin in größeren Mengen hochrein zu verarbeiten, was in der Goldschmiedestadt Hanau schnell großen Absatz fand. Aus dem Labor in der Hanauer Einhorn-Apotheke entstand so die Erste Deutsche Platinschmelze W. C. Heraeus.

 

Unter der Nummer 63591 reichte das Unternehmen 1891 das erste Patent ein. Es war eine neue Technologie zur Vergoldung von Platin. Es folgten edelmetallhaltige keramische Farben wie Glanzgold oder Glanzplatin, die für Glas- und Keramikoberflächen eingesetzt wurden. Die Firma entwickelte ein Verfahren, mit dem bei 2000 Grad Bergkristall geschmolzen und zu Quarzglas verarbeitet werden kann. Es wird bis heute in der Medizin und Industrie eingesetzt, weil es besonders klar sowie gleichzeitig temperatur- und säurebeständig ist. Die Gebrüder Wilhelm und Heinrich Heraeus gelten zusammen mit ihrem Schulfreund Richard Kück auch als Erfinder der UV-Hochdrucklampe, die als Wegbereiter der künstlichen Lichttherapie gilt.

 

In den 20er-Jahren des vorherigen Jahrhunderts wurde bei Heraeus das Schmelzen von Metallen unter Vakuum entwickelt. Gleichzeitig arbeitete das Unternehmen daran, Edelmetalle zu ersetzen, deren Preise zu jener Zeit hohen Schwankungen unterworfen waren. Während des Zweiten Weltkriegs, in dem Heraeus bis zu 1500 Zwangsarbeiter beschäftigte, wurden Produktionsanlagen und Einhorn-Apotheke zerstört. Später ließ der Konzern dieses dunkle Kapitel in einer unabhängigen wissenschaftlichen Studie aufarbeiten und trat dem Fonds der Stifterinitiative der deutschen Wirtschaft „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ zur Entschädigung von Zwangsarbeitern bei.

 

Das Unternehmen nutzte beim Wiederaufbau die über Jahrzehnte gewachsenen Verbindungen ins Ausland und konnte so früh eine globale Expansion starten. Ende der 60er-Jahre war ein Heraeus-Produkt bei der Mondlandung von Apollo 11 dabei. Die Mission der NASA nutzte einen Laserreflektor aus Hanau zur genauen Bestimmung der Entfernung Erde–Mond und ließ das Gerät auf dem Erdtrabanten zurück. Der Reflektor funktioniert immer noch.

 

Mit knapp 15.000 Mitarbeitern setzte der Konzern 2020 weltweit 31,5 Milliarden Euro um. Sieben Prozent des Umsatzes fließen in Forschung und Entwicklung. Daraus entstehen viele Produkte, die man zwar nicht wahrnimmt, die aber täglich Millionen von Menschen begleiten. So steuern Sensoren des Unternehmens die Abgasreinigungsanlagen von Autos oder überwachen die Stator-Temperatur von Windkraftanlagen. Aus der Erfahrung mit UV-Licht sind jüngst besondere Luftreinigungsanlagen entstanden, die Viren herausfiltern und somit gerade in Zeiten der Pandemie besonders begehrt sind. Metallkeramische Substrate sind wichtige Bestandteile der Leistungselektronik, das Herz eines modernen Elektroantriebs. Der Konzern fertigt aber auch auf Iridium basierte Elektrolyseure für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Die Vielfalt dieser Beispiele erklärt, warum sich Heraeus selbst als Portfoliounternehmen bezeichnet. Zum anderen kann man erkennen, wie die jahrhunderte­lange Tradition sich bis in die Hightech-Erzeugnisse von heute fortsetzt.