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Zukunftsmärkte > Flächen werden immer knapper

Ackerland als Spekulationsobjekt: Wenn Bauern gegen Investoren verlieren

Die Preise für Agrarflächen explodieren. Landwirte konkurrieren mit finanzstarken Investoren um knappe Ressourcen. Ein Blick auf die Folgen.

Ackerland wird zum begehrten Spekulationsobjekt: Die Preise für landwirtschaftliche Flächen steigen rasant. (Foto: Shutterstock)

Der deutsche Ackerboden wird zum heißbegehrten Spekulationsobjekt. Zwischen 2007 und 2020 schossen die Kaufpreise für Agrarland um satte 190 Prozent in die Höhe. In Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg kletterten sie sogar um 400 Prozent binnen zwei Jahrzehnten. Was steckt hinter diesem rasanten Anstieg und welche Konsequenzen hat er für die Landwirtschaft?

Preisexplosion auf dem Ackerland-Markt

Die Zahlen sind alarmierend: Laut Statistischem Bundesamt zahlten Landwirte 2022 durchschnittlich 31.911 Euro pro Hektar Ackerland – mehr als doppelt so viel wie zehn Jahre zuvor. Dabei zeigen sich enorme regionale Unterschiede. Während in Nordrhein-Westfalen 80.113 Euro pro Hektar fällig wurden, waren es in Thüringen nur 12.016 Euro. Auch die Pachtpreise zogen kräftig an, im Bundesdurchschnitt um 89 Prozent zwischen 2003 und 2020.

Diese Entwicklung stellt viele landwirtschaftliche Betriebe vor existenzielle Herausforderungen. Gerade für kleinere und mittlere Höfe wird es zunehmend schwierig, zusätzliche Flächen zu erwerben oder zu pachten. Die steigenden Bodenpreise binden Kapital, das für Investitionen in moderne Technik oder nachhaltige Bewirtschaftungsmethoden fehlt.

Knappes Gut Boden: Viele Begehrlichkeiten treffen aufeinander

Die Gründe für den Preisanstieg sind vielfältig. Ein Hauptfaktor ist die schlichte Tatsache, dass Ackerland nicht vermehrbar ist. Bei steigender Nachfrage steigen automatisch die Preise. Gleichzeitig wird das Angebot immer knapper: Zwischen 1992 und 2022 nahm die Fläche für Siedlung und Verkehr in Deutschland um 1,16 Millionen Hektar zu – größtenteils zu Lasten der Landwirtschaft.

Hinzu kommen neue Nutzungskonkurrenzen durch die Energiewende. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) schuf lukrative Einnahmequellen durch Biogasanlagen, Windkraft und Solarparks. Landwirte, die in diese Technologien investierten, konnten und können aufgrund der garantierten Einspeisevergütungen höhere Pacht- und Kaufpreise zahlen.

Investoren entdecken Ackerland als Kapitalanlage

Ein weiterer Preistreiber sind finanzstarke Investoren, die Agrarland als sichere und renditeträchtige Kapitalanlage entdeckt haben. Laut Statistischem Bundesamt befinden sich bereits sechs Prozent der Agrarflächen im Besitz von Firmengruppen ohne landwirtschaftlichen Hintergrund. Besonders in Ostdeutschland, wo es historisch bedingt größere Betriebsstrukturen gibt, sind sie aktiv.

Die Bürgerinitiative Finanzwende nennt in einer Studie konkrete Beispiele: So sollen unter anderem die Münchener Rück, eine Tochtergesellschaft von Vonovia sowie die Eigentümerfamilie von Aldi-Nord größere Agrarflächen erworben haben. Oft geschieht dies über sogenannte Share Deals, bei denen nicht die Grundstücke selbst, sondern Anteile an Gesellschaften gekauft werden. Diese Methode ermöglicht es, die Grunderwerbsteuer zu umgehen – ein Vorteil, den einzelne Landwirte nicht haben.

Kontroverse um Regulierungsansätze

Die Entwicklung ruft Kritiker auf den Plan, die eine Verdrängung bäuerlicher Strukturen befürchten. Sie fordern strengere Regulierungen, um den Zugriff außerlandwirtschaftlicher Investoren zu begrenzen. Die Bürgerinitiative Finanzwende plädiert für ein gestärktes Vorkaufsrecht für Landwirte, Preisobergrenzen und Einschränkungen bei Share Deals.

Auch der ehemalige Referatsleiter Bodenmarkt im Bundeslandwirtschaftsministerium, Jobst Jungehülsing, sieht Handlungsbedarf. Er verweist auf das Agrarstrukturverbesserungsgesetz in Baden-Württemberg als mögliches Vorbild. Dort greift das Land ein, wenn der Bodenpreis 20 Prozent über dem ortsüblichen Preis liegt.

Allerdings gibt es auch Stimmen, die vor vorschnellen Eingriffen warnen. Agrarökonomie-Professor Alfons Balmann vom Leibniz-Institut für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien sieht keinen breiten empirischen Nachweis für ein "Heuschrecken-Image" nicht-landwirtschaftlicher Investoren. Er betont, dass oft die Landwirte selbst die höchsten Preise böten – befeuert durch Steuervergünstigungen und das landwirtschaftliche Erbrecht.

Internationale Grüne Woche

Die internationale Grüne Woche wird vom 17. bis 26. Januar 2025 auf dem Messegelände in Berlin ausgerichtet. Als eine der traditionsreichsten Messen Deutschlands zählt sie zu den bedeutendsten internationalen Veranstaltungen in den Bereichen Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau.

Zusätzlich dient die Messe als Plattform für das Global Forum for Food and Agriculture (GFFA), das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) organisiert wird. Das GFFA ist eine führende internationale Konferenz, die sich mit den zentralen Zukunftsfragen der globalen Land- und Ernährungswirtschaft auseinandersetzt. Ein besonderer Höhepunkt der Veranstaltung ist das Treffen von über 70 Agrarministerinnen und -ministern.

Die Grüne Woche  ist zudem eine Plattform für den Mittelstand, um Innovationen zu entdecken, Netzwerke zu knüpfen und Zukunftstrends zu erfassen.

Allerdings sieht sich die Messe auch regelmäßig mit Kritik und Protestaktionen konfrontiert, die sich vor allem auf ökologische und ethische Aspekte der Agrar- und Ernährungsindustrie konzentrieren. Hier sind einige der häufigsten Kritikpunkte und Aktionen:

  • Kleinbauern und Landrechte: Kritik an der Vernachlässigung der Anliegen von Kleinbauern und der oft ungleichen Verteilung von Landrechten.
  • Umwelt- und Tierschutz: Kritiker bemängeln oft, dass die Messe nicht genug auf Umwelt- und Tierschutzthemen eingeht. Die industrielle Landwirtschaft wird häufig als Hauptfaktor für Biodiversitätsverlust, Klimawandel und schlechte Tierhaltungsbedingungen angeprangert.
  • Nachhaltigkeit: Es gibt Bedenken, dass viele der präsentierten Produkte und Technologien nicht nachhaltig sind. Kritiker fordern verstärkt ein Umdenken hin zu nachhaltigen Anbaumethoden und fairen Lieferketten.
  • Gentechnik und Pestizide: Verwendung von Gentechnik in der Landwirtschaft und der Einsatz von Pestiziden sind weitere heiß diskutierte Themen. Viele NGOs und Aktivisten nutzen die Messe, um auf die Risiken und ethischen Fragen im Zusammenhang mit diesen Technologien hinzuweisen.
  • Proteste und Demonstrationen: Parallel zur Grünen Woche finden oft Demonstrationen statt, darunter die bekannte "Wir haben es satt!"-Demo, bei der tausende Menschen für eine Agrarwende demonstrieren. Die Demonstranten fordern eine faire, nachhaltige und umweltfreundliche Agrarpolitik.

 

Fazit

Die Preisentwicklung auf dem Ackerland-Markt stellt die deutsche Landwirtschaft vor enorme Herausforderungen. Sie verschärft bestehende Strukturprobleme und könnte langfristig zu einer Konzentration der Flächen in den Händen weniger Großbetriebe oder Investoren führen. Gleichzeitig zeigt die Debatte um mögliche Regulierungsansätze, wie schwierig es ist, die richtige Balance zwischen freiem Markt und staatlichen Eingriffen zu finden. Klar ist: Will man eine vielfältige, mittelständisch geprägte Agrarstruktur erhalten, braucht es innovative Lösungen, die sowohl die Interessen der Landwirte als auch die Anforderungen an eine moderne, nachhaltige Landwirtschaft berücksichtigen.

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