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Zukunftsmärkte > Mobilitätsdienstleister

Alle reden von Krise, Autovermieter Sixt redet von Rekord

Der Familienkonzern Sixt, bekannt vor allem als Autovermietung, profitiert ganz aktuell von den Irrungen und Wirrungen in der Wirtschaftswelt. Sogar an der niedergedrückten Börse, wo die Aktie der Sixt SE den allgemeinen Ausverkauf nur bedingt mitmacht. Doch der Erfolg geht auf Kosten von anderen.

Der Familienkonzern Sixt, profitiert in der WirtschaftsweltBild: picture alliance, J.W.Alker

Sixt, der stets mit flotten Sprüchen werbende Autovermieter, hat vor wenigen Tagen seine Gewinnprognose für das Jahr 2022 zum zweiten Mal deutlich angehoben – bereits Anfang August hatte der Konzern aus Pullach bei München seine Vorhersage nach oben korrigiert. Er ist damit eines der wenigen börsennotierten Unternehmen, das sich von der Krise absetzen kann. Wie geht das?

Der Familienkonzern, der sich als Mobilitätsdienstleister versteht und mit Ausbruch der Coronakrise tief abgestürzt war, profitiert inzwischen von verschiedenen Umbrüchen in der Weltwirtschaft. Den Pullachern gelingt es offenbar, aus Knappheiten, hohen Preisen und den Lieferproblemen des Handels eine tragkräftige Strategie zu entwickeln. Die Stammaktie notiert nach den Gewinnmitnahmen an der Börse um die 100 Euro – kein Höchststand, natürlich, aber deutlich entfernt von den allerorten zu sehenden Niedrigstkursen anderer Branchen.

Sell on good news?

Auf die Verkündung starker Geschäftszahlen folgte zunächst ein heftiger Rückschlag um bis zu acht Prozent – die Aktienanleger hatten in den Wochen zuvor offenbar schon in das Ereignis hineingefeiert. „Sell on good news“ als alter Börsenwahlspruch findet darüber hinaus derzeit ja nicht so oft einen passenden Anlass im Nachrichtengeschehen. Den Höchstkurs seiner Börsenkarriere erreichte Sixt erst im November 2021 mit rund 170 Euro, der günstigste Einstiegskurs war bei gut sechzig Euro kurzzeitig zu Beginn der Corona-Pandemie zu verzeichnen. Es ist damit aktuell also Luft nach oben.

Was die Aktionäre freut, ist für Kunden allerdings ein Ärgernis. Denn Sixt nutzt die Knappheit bei Mietwagen, um hohe Preise durchzusetzen. Weil Mietwagen nach Corona angeblich Mangelware sind, zahlen insbesondere Dienstreisende praktisch jeden Preis. Es ist unklar, wie lange Anbieter wie Sixt auf diesen Trend weiter bauen können. Weitere Unwägbarkeiten bleiben die jüngeren Geschäftsbereiche wie etwa das Car Sharing, das geschäftlich nach wie vor starken geschäftlichen Gegenverkehr erlebt, und auf längere Sicht die Währungsungewissheiten, gegen die man sich möglicherweise teuer absichern müsste.

Die allgemeineren und vor allem politischen Risiken der Zukunft von Individualverkehr und Mobilität dürfte man angesichts der internationalen Ausrichtung des Unternehmens und zahlreicher Kooperationen von Taxi bis autonomem Fahren demgegenüber vernachlässigen können. Was aus volkswirtschaftlicher Sicht hinzukommt: Mit seiner Einkaufsmacht und Marktdurchdringung drücken die Großen wie Sixt kleinere private Anbieter an die Wand, die weder bei Einkaufspreisen noch bei „Zuteilung“ von Autos mithalten können. Ganz zu schweigen von privaten Autokäufern. Sixt mag dies bei der Preisgestaltung entgegenkommen – auf Dauer bleibt das ungesund.

Happige Preise

Vorerst aber stehen die meisten Ampeln auf Grün. Das 1912 mit drei Motorfahrzeugen gegründete Unternehmen hat heute einen Bestand von einer Viertelmillion Autos, mit denen es fast alles anstellt, was auf der Höhe der Zeit denk- und machbar ist. Es scheint, als habe der Elan den Betrieb auch in der vierten Generation nicht verlassen: Die Stiftung Familienunternehmen ermittelte unlängst für börsennotierte Firmen in Unternehmerhand (mit mindestens 25 Prozent im Familienbesitz) eine deutlich schnellere Erholung an den Börsen nach dem Corona-Schock und für die Dauer der Pandemie eine verblüffende Outperformance gegenüber anonymen Konzernen.

Bei Sixt bündelten sich auf den ersten Blick jedoch auch erst einmal die Probleme: Lieferverzögerungen der Autohersteller, abschreckend hohe Spritpreise, deutlich eingeschränkte Ersatzteilverfügbarkeit und Sparmaßnahmen bei den Unternehmens- und Fuhrparkkunden – all das wirkte zunächst niederdrückend auf die Branche. Dennoch peilt Sixt nun einen Jahresgewinn vor Steuern von 550 Millionen Euro an – zuvor war von 480 Millionen ausgegangen worden, und die Durchschnittserwartung der Aktienanalysten hatte sich bei 489 Millionen eingependelt.

Allem zum Trotz nutzte das Unternehmen die mit den Irrungen und Wirrungen verbundenen Chancen. Dort, wo potenzielle Neuwagenkäufer mit langen Wartezeiten konfrontiert waren und sind, bietet Sixt Leasing nun zu aggressiv wettbewerbsfähige Monatsraten an – in der Hoffnung, so gewonnene Kunden auf Dauer zu binden. Ähnlicher Stoßrichtung ist das Langfristmieten eines Fahrzeugs, statt es als Kunde wie gewohnt zu erwerben. Um nicht von Lieferengpässen selbst ausgebremst zu werden, setzt Sixt auf eine deutliche Erweiterung seines Markenportfolios, das vor allem in den unteren und mittleren Fahrzeugsegmenten Lücken füllen kann. Da es bei hochwertigeren Autos nicht so gravierende Lieferprobleme gibt – denn die margenstarken Modelle werden von den Herstellern bevorzugt produziert -  konzentriert sich die Sixt-Werbung auch auf diesen Vermietbereich. Außerdem wird die Haltedauer auf bis zu zwölf Monate verlängert, so kommen Gebrauchtwagen aus der Vermietung momentan erst später wieder in den Markt. Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Sixt als Großabnehmer weitere Möglichkeiten besitzt, in seinen über hundert Ländern mit eigener Repräsentanz dauerhaft Sonderkonditionen der Hersteller zu erhalten und einige Krisenklippen so zu umschiffen.  Schließlich begünstigt der starke US-Dollar die Erlöse aus dem internationalen Geschäft. Insgesamt sollen 2022 bis zu 3,1 Milliarden Euro Umsatz in der Kasse landen.

Rabatte waren gestern

Das hat auch mit der Preisgestaltung zu tun: Die hohe Nachfrage, vor allem an Flughäfen und Bahnstationen, wo Sixt fast flächendeckend vertreten ist und auffällig Werbung betreibt, ermöglicht das Streichen von Rabatten und ganz allgemein eine härtere Kalkulation im Vermietgeschäft. Damit zeigt Sixt allerdings auch, dass sein „Claim“ nicht unbedingt für bare Münze zu nehmen ist: Immer und überall besonders günstig anzubieten. Dieses Leitmotiv der Werbung findet sich im Übrigen bereits zu Zeiten der Hyperinflation vor rund hundert Jahren: „20 Billionen Mark pro Tag – Dieses Mercedes-Automobil können Sie schlichtweg als geschenkt betrachten“, warb man für die Vermietung. Die Kampagne der Agentur Jung von Matt steuert seit Jahren Respektloses über Politiker, Päpste und Prominente bei, und natürlich über die Bahn - was nicht von allen Betroffenen als besonders witzig empfunden wird, aber genau der Grund für die überragende Bekanntheit ist.

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