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Zukunftsmärkte > Macher der Woche

André Schwämmlein kauft Greyhound

Es ist so als würde Mark Zuckerberg die FAZ kaufen: Der deutsche Startup-Unternehmer und Flixbus-Erfinder André Schwämmlein kauft die einst glanzvolle US-Marke Greyhound. Doch was will der Digitalunternehmer mit den durch und durch analogen silbernen Ungetümen machen, die in den USA gegen die Konkurrenz der Billigflieger an sich keine Chance haben?

Clark Gable sitzt eine Nacht lang drin. 1934 ist das, und er sagt zu Claudette Colbert am nächsten Morgen: "Ich bin der, an dessen Schulter du die Nacht über geschlafen hast." Paul Newman verlässt seine Filmpartnerin Patricia Neal, die daraufhin im Greyhound ins Nirgendwo reist, und Motorrad-Legende Evel Knievel springt 1975 mit seiner Maschine über 14 quergeparkte Busse. Kein Zweifel: Es gibt einige Kultmarken in den USA, die silbernen Greyhoundbusse von Nordamerikas größtem Fernbusbetreiber gehören dazu. Seit dieser Woche sind sie Teil des Flixbus-Imperiums. Dafür gesorgt hat Flixbus-Chef André Schwämmlein. Er hat damit endgültig den Sprung geschafft vom deutschen Startup-Helden zum internationalen Mobilitätsbetreiber. Dass André Schwämmlein Greyhound kauft, ist in etwa so, als würde sich Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Deutschland die FAZ zulegen.

Warum macht Schwämmlein so etwas? Die einfache Antwort: Weil er es kann. Die etwas kompliziertere: Weil er daran glaubt, dass nur Marktführer in seiner Branche überleben können, und er deswegen alle die, die ihm in die Quere kommen, mit einem unwiderstehlichen Angebot überzieht. Der 40jährige, der mal Fraktionschef der Grünen in seiner Heimatstadt Fürth war, ist das Mastermind hinter Flixbus, er hat das Gründerteam zusammengebracht: seinen Schulfreund Daniel Krauss und Jochen Engert, seinen Kollegen aus den Zeiten als er noch Strategieberater der Boston Consulting Gruppe war.

Ihre Chance kam 2012, als die damalige schwarz-gelbe Regierung politisch etwas auf den Weg brachte, was sich mit dem Abstand von fast zehn Jahren als das Nachhaltigste von dem erweist, was diese Koalition überhaupt zustande gebracht hat: Sie änderte das Personenbeförderungsgesetz. Künftig durften Fernbusse der Bahn Konkurrenz machen. Die drei Freunde gründeten in München das Startup GoBus, das sie ein paar Monate später in Flixbus umbenannten. Vier tägliche Linien in Süddeutschland betrieb Flixbus in den ersten Wochen – und wurde damit von der Konkurrenz schnell abgehängt. 2014 kam Wettbewerber MeinFernbus auf 7,2 Millionen Fahrgäste, Flixbus nur auf die Hälfte. Schwämmlein lief zum ersten Mal zu Hochform auf und wagte den David gegen Goliath-Aufstand: Er fusionierte mit MeinFernbus, allerdings so, dass am Ende nur noch Flixbus übrigblieb. Seither wissen Schwämmleins Konkurrenten: Wen er umarmt, dem geht schnell mal die Puste aus. Megabus, Postbus, Hellö aus Österreich und Swebus aus Schweden sind nur einige von denen, die in den Jahren darauf die gleichen Erfahrungen gemacht haben.

Das Ergebnis bislang: Weltweit besteht das umfangreiche Portfolio von FlixBus aus mehr als 400.000 täglichen Verbindungen mit über 2500 Zielen in 36 Ländern. 90 Prozent Marktanteil bedient er hierzulande. Das Unternehmen wird nach eigenen Angaben mit drei Milliarden Dollar bewertet und hat internationale Investoren wie Silverlake, Permira und Canyon Partners mit auf die Reise genommen. Ohne Schwämmlein würde sich die Welt weniger schnell drehen oder genauer: Die Menschen auf ihr wären weniger beweglich.

Das Geschäftsmodell hinter Flixbus ist dabei typisch digital: plattformgetrieben und grenzenlos skalierbar. Das Unternehmen selbst besitzt keine eigenen Busse und Fahrer. Stattdessen sind andere Busunternehmen unter Vertrag, die ihre Busse grüntünchen und für den Marktführer fahren. Das digitale Geschäftsmodell entpuppte sich sogar als Corona-resistent. Als alle Räder in der Pandemie stillstanden, hatten die Busunternehmer ein Riesenproblem, aber Schwämmlein nur ein kleines. Weil sich seine Kosten in Grenzen hielten, musste er nur geduldig warten, bis die Passagiere zurückkamen. Während andere um ihre Existenz gerungen haben, hätte Schwämmlein Urlaub machen können.

Hat er allerdings nicht. Stattdessen reiste er nach Dallas, an den Firmensitz der legendären Greyhound Lines, die seit 2007 einem britischen Betreiber gehörten. Glücklich war der nicht: Erst schlug er sich mit den Billigfliegern herum, die günstiger und schneller ihre Passagiere transportieren, und dann standen auch in den USA pandemiebedingt die Räder still. Als Schwämmlein 172 Millionen Dollar auf den Tisch legte, schlugen die Briten ein. Die Folge: Schwämmlein ist auch analog geworden. Zu seinem Reich gehören jetzt echte Busse und echte Mitarbeiter: 1300 der silbernen Greyhound-Ungetüme fahren und 2400 Mitarbeiter steuern von nun an für Flixbus durch Nordamerika.

Hat er sich das gut überlegt? "Menschen in ganz Nordamerika wünschen sich völlig zu Recht erschwingliche und nachhaltige Reisealternativen zum privaten Auto", sagt Schwämmlein. Ihm geht es – jedenfalls nach außen – um umweltfreundlicher Mobilität. Seine Reise, davon ist er fest überzeugt, geht weiter.

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