Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen

„Augen auf!“: Wie die Telekom mit einem Spot gegen Hass im Netz aufrüttelt

Telekom-Werbung gegen Hass im Netz: emotional, relevant und mit einer Botschaft, die hängen bleibt.

„Augen auf!“ Ein Spot der Telekom rüttelt auf. Dabei richtet sich der Film gezielt an die „schweigende Mitte“, deren Untätigkeit im digitalen Raum als Teil des Problems markiert wird. (Foto: Telekom)

Wenn Worte zu Waffen werden und digitale Schatten das reale Miteinander verdunkeln, braucht es klare Stimmen – und starke Bilder. Die Deutsche Telekom erhebt beides erneut: Ab dem 2. Juni 2025 schlägt sie mit ihrer Kampagne „Augen auf!“ ein neues Kapitel im Kampf gegen Hass im Netz auf.

Was als filmische Momentaufnahme beginnt, entfaltet sich schnell zu einer beunruhigenden Diagnose unserer Zeit: Szenen vertrauten Zusammenlebens kippen ins Unheimliche, sobald Hassgedanken in sie eindringt. Die vermeintlich banalen Alltagsmomente erweisen sich als brüchige Bühnen, auf denen sich das Unsichtbare plötzlich sichtbar macht. Es ist ein Schock, kein Spektakel. Kein Aufschrei, sondern das langsame, bittere Aufwachen aus einer trügerischen Komfortzone.

Die Dramaturgie ist bewusst gebaut: Erst das Schweigen – als Mitwisserschaft, als Ohnmacht, als gesellschaftliches Vakuum. Dann der Bruch. Das Aufbegehren. Es ist kein lauter Heldenmoment, sondern die stille, entschlossene Wende, die das Erzählerische durchzieht. Jeder Blick, jede Geste, jede Kameraeinstellung folgt dem inneren Imperativ: Nicht länger zusehen. Nicht länger schweigen.

Der Spot beginnt unscheinbar – eine Mutter mit Kind in der Bahn, ein junges Mädchen beim Schwimmen, ein Barista, der Kaffee serviert. Doch plötzlich platzen hasserfüllte Stimmen in diese Szenen, gesprochen aus dem Off, roh und entmenschlichend. Erst herrscht Schweigen, Passivität. Dann: ein Umdenken. Menschen zeigen Haltung. Sie treten hervor, solidarisieren sich. Der Spot endet mit zwei Worten, die tiefer kaum schneiden könnten: „Seid Menschen.“

Eine Verneigung vor Margot Friedländer, der kürzlich verstorbenen Holocaust-Überlebenden, die sich Zeit ihres Lebens für Menschlichkeit stark gemacht hat.

Zum Spot

Ein Appell an die schweigende Mitte

Was die Telekom mit ihrer Kampagne anstößt, ist mehr als ein PR-Projekt – es ist ein gesellschaftlicher Impuls. „Der Umgang miteinander wird rauer“, warnt Dr. Christian Hahn, Leiter Marketingkommunikation und Media. „Wie wir uns im Netz verhalten, beeinflusst unser Handeln als Gesellschaft.“ In einer Zeit, in der sich Hassredner durch fehlende Gegenrede gestärkt fühlen, setzt die Telekom bewusst auf die sogenannte schweigende Mitte – jene, die bisher zu oft weggeschaut hat.

Denn die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Laut Forsa-Studie „Hatespeech 2024“ sind 78 Prozent der Internetnutzenden bereits mit Hassrede konfrontiert worden – bei den 14- bis 25-Jährigen sogar fast 90 Prozent. Und schlimmer noch: Die Gegenwehr schrumpft. Beinahe die Hälfte der Betroffenen deaktivierte oder löschte ihr Profil – nicht etwa aus Trotz, sondern aus Angst oder Erschöpfung.

Zivilcourage als Antwort auf digitale Entmenschlichung

„Betroffene bekommen das Gefühl, dass Hass geduldet wird“, sagt Marike Mehlmann-Tripp, Leiterin Social Engagement bei der Telekom. Sie fordert mehr Sichtbarkeit, mehr Zusammenhalt. Mehr Mut, nicht nur offline, sondern auch im digitalen Raum. Und auch Hahn betont: „Hass ist nicht diskutierbar.“

Trotz der politischen Spannungen, etwa durch den Kurswechsel der US-Tochter T-Mobile unter der Trump-Regierung, bleibt die Telekom in Deutschland ihrer Linie treu. „Es hat gar keine Diskussion darüber gegeben, dass wir hier weitermachen“, so Hahn. Eine klare Ansage – und ein klares Bekenntnis: zu Haltung, zu Menschlichkeit, zu Zivilcourage. Denn: Augen verschließen ist keine Lösung.

Alles auf einen Blick

  • Kampagne: „Augen auf!“ – Fortsetzung der Telekom-Initiative „Gegen Hass im Netz“
  • Start: 2. Juni 2025
  • Ausspielung über: Kino und TV (40- und 60-Sekünder), Soziale Netzwerke, Podcasts, Radio, Plakatwerbung
  • Zielgruppe: 50 Millionen Menschen ab 14 Jahren in Deutschland
  • Kreativteam: Agentur: Saatchi & Saatchi, Leitung: Dennis May (Chief Creative Officer, Publicis Groupe Germany), Produktion: RSA Ridley Scott Associates, Regie: Benito Montorio
  • Kampagnenpartner: Ichbinhier (Verein für digitale Zivilcourage), Internetbeschwerdestelle.de (Meldestelle für rechtswidrige Inhalte), Teachtoday (Initiative für digitale Bildung und Medienkompetenz)

Studien

  • Forsa Hatespeech Hassrede im Internet nimmt zu. 78 % der Internetnutzenden wurden damit schon konfrontiert, bei den 14- bis 25-Jährigen fast 90 %. Die Bereitschaft zur Gegenrede nimmt ab.
  • Lauter Hass, leiser Rückzug: Hass im Netz nimmt zu, marginalisierte Gruppen trifft es besonders hart. 46 % der von Hass im Netz Betroffenen geben an, ihr Profil nicht mehr benutzt, deaktiviert oder gar gelöscht zu haben
  • PKS 2024: Die Polizeiliche Kriminalstatistik 2024 verzeichnet einen deutlichen Anstieg der Gewalttaten. Die Zahl der mit dem Tatmittel Internet begangenen Beleidigungen stieg um 14,6 %.
  • Hassgewalt und fehlende Solidarität: Hassgewalt ist keine isolierte Tat zwischen Betroffenem und Täter, sondern betrifft die gesamte Gesellschaft gleichermaßen. Die Art, wie die Gesellschaft auf Hassgewalt reagiert, beeinflusst deren Wirkung und Wiederholungswahrscheinlichkeit maßgeblich. Fehlende Solidarität verstärkt die Wirkung von Hass.

Zahlen

Das Kompetenznetzwerk gegen Hass im Netz hat 2024 in einer Studie erschreckende Zahlen vorgelegt:

  • 87 % der Internet-User finden, Hass im Netz hat in den letzten Jahren zugenommen.
  • 62 % der Frauen äußern ihre politische Meinung seltener online.
  • 60 % der Menschen mit sichtbarem Migrationshintergrund formulieren Beiträge bewusst vorsichtiger.
  • 82 % der Befragten fürchten, dass Hass im Netz die Vielfalt im Internet gefährdet.
  • 66 % der von Hass im Netz Betroffenen haben ihr Profil bei der Plattform von öffentlich auf privat gestellt.

Historische Beispiele: Wenn Werbung politisch wird

Die Telekom steht mit ihrem Engagement nicht allein. Schon in den 90ern stellte Benetton mit provokativen Motiven – Aids, Krieg, Tod – die Frage, was Werbung darf. Für viele war das kalkulierter Tabubruch, für andere eine längst überfällige Politisierung der Konsumwelt.

Später ließ Nike Football-Star Colin Kaepernick in einem Spot gegen Polizeigewalt aufbegehren – ein Bekenntnis zur Black Lives Matter-Bewegung, das ebenso mutig wie umstritten war.

In Deutschland warb Hornbach mit ostdeutschen Identitätsgefühlen, während Edeka am Muttertag mit einem männerkritischen Spot provozierte.

Diese Kampagnen zeigen: Wenn Unternehmen Haltung zeigen, ist das immer auch ein Drahtseilakt – zwischen Überzeugung und Kalkül, zwischen Botschaft und Marke. Entscheidend bleibt, ob die Haltung im Kern des Unternehmens verankert ist – oder nur temporär an den Werbehaken gehängt wird.

Ähnliche Artikel