Autohandel vor Maschinenbau
„Die Deutsche Wirtschaft“ veröffentlicht wieder ihr Mittelstandsranking. Dabei hat sich einiges verschoben.
Herr Ölmann, Die Deutsche Wirtschaft bewertet den Mittelstand seit vielen Jahren mit dem Ranking der 10.000 wichtigsten Mittelständler. Inzwischen haben sich die Unternehmen verändert. Ihre Kriterien auch?
Sowohl die Zusammenstellung, als auch die Gewichtung der Kriterien wird regelmäßig angepasst. Ganz aktuell passen wir das Scoring mit Unterstützung namhafter Experten wie Professor Hermann Simon oder Professor Andreas Altmann wieder an. Alleine im letzten Jahr kamen beispielsweise Indikatoren dazu wie ein Wert für die den Gewinn von Wirtschaftsawards, das Vorhandensein von Angeboten für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder das Vorhandensein eines Wikipedia-Eintrags. Insgesamt 30 Kriterien in unterschiedlicher Gewichtung sind es mittlerweile, die den Scoringwert für ein Unternehmen ergeben. Das Ziel des aufwendigen Manövers: Die bedeutenden Marktakteure der mittelständischen Wirtschaft aus den rund 3,5 Millionen Gewerbebetrieben Deutschlands zu ermitteln.
Sind es hard facts wie Umsatz, Gewinn und Mitarbeiterzahl, die die vorderen Plätze prägen, oder eher Softskills wie Nachhaltigkeit oder der oft schwer messbare Digitalisierungsgrad?
Umsatz und Mitarbeiterzahl sind mit aktuell 55 Prozent Berücksichtigung höchstgewichtet. Eine Top-Platzierung wird ohne sie also nicht möglich sein. Doch in der Feinjustierung kommen tatsächlich Aspekte wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung zum Tragen, und das macht das Ergebnis auch so spannend und wertvoll. Einen zumindest indikativen Datenpunkt für solche Kategorien zu finden, ist in der Tat eine Herausforderung.
Es gibt Unternehmen, die machen keinen Gewinn, es gibt auch solche, die haben nicht einmal ein Produkt – haben die ein Chance in Ihr Ranking zu kommen?
Der Gewinn wäre in der Tat ein wahrhaft wünschbarer aussagekräftiger Datenpunkt – indes, er lässt sich nicht in ausreichender Breite erheben. Das hat damit zu tun, dass wir mit "Mittelstand 10.000" explizit auch in den Bereich kleinerer Mittelständler gehen. Und dort liegen veröffentlichungspflichtige Gewinnzahlen oft nicht vor. Für die bekannten großen Top-Unternehmen gibt es zwar meist ausführliche Zahlen. Aber nur diese Unternehmen zu listen, wäre trivial. Wir müssen uns also behelfen, indem wir den Umsatz zugrunde legen und Unternehmen mit negative Bilanzen herabstufen.
Welche Überraschungen birgt so ein Ranking noch für Sie?
Mich begeistern vor allem die Strukturanalysen, die sich aus dem Ranking ergeben. Wo finden sich die wichtigsten Mittelständler, in welchen Bundesländern, in welchen Städten? Wieviele von ihnen werden von Frauen geführt? – Es sind übrigens nur neun Prozent. Wieviele haben einen Fremdgeschäftsführer, welche Branchen sind wie oft vertreten? Und dann wird natürlich mit jeder neuen Version, die wir fünfmal jährlich veröffentlichen, mit Spannung erwartet: Wer kommt neu hinein, wer steigt und wer sinkt?
Ist der Maschinenbau noch immer der Kern vom Kern der deutschen Unternehmenslandschaft?
Durchaus, ja. Der Maschinenbau liegt mit aktuell 441 Unternehmen aus den top 10.000 weit vorne, und belegt auch beim kumulierten Umsatz dieser Unternehmen den zweiten Platz. Getoppt wird das Branchenranking nach Zahl der Unternehmen allerdings vom Autohandel mit 465 Unternehmen in den Top-10.000. Komponentenhersteller liegen mit 323 auf Rang 3 und die Baubranche mit 322 Top-Mittelständlern auf Rang 4. Ich bin gespannt, wie sich das mit den 2021er-Geschäftszahlen verändern wird.
Haben Sie Biontech gesehen, bevor es alle gesehen haben?
Zumindest nicht im Mittelstandsranking, das einen mehrheitlichen privaten Unternehmerbesitz voraussetzt. Wir führen Biontech durch den maßgeblichen Anteil der Beteiligungsgesellschaft der Sprüngmann-Brüder als Unternehmen in Investorenhand – einem anderen Ranking von uns. Immerhin dort war es aufgrund seiner Patentstärke bereits hoch gelistet. Ich hätte für meine Altersvorsorge noch aufmerksamer in unsere eigenen Rankings schauen sollen.
Welche Trends erkennen Sie?
Natürlich werden die allgemeinen Wirtschafts- und Branchenentwicklungen druch die Geschäftszahlen deutlich sichtbar, wie zuletzt mit den durch die Corona-Pandemie besonders hart getroffenen Branchen. Doch um nicht nur nachträglich, sondern mit Blick nach vorne Tendenzen in der Unternehmenslandschaft zu antizipieren, führen wir mit wissenschaftlicher Begleitung eine Liste der 50 Trendmärkte und Wachstumsfelder. Wir ordnen deutsche Unternehmen diesen Feldern zu und ranken sie im Ranking höher. Dazu zählen beispielsweise der IT- und Softwarebereich, Künstliche Intelligenz, oder – da sind wir wieder bei Biontech – Gen- und Biotech-Unternehmen, um nur drei Beispiele zu nennen.
Michael Ölmann ist Herausgeber von „Die Deutsche Wirtschaft“