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Zukunftsmärkte > Tarifverhandlungen in der Metallindustrie: Klare Fronten im Südwesten

Bei Metall sind die Fronten klar

Die Tarifparteien der Metall- und Elektroindustrie haben ihre Positionen festgelegt: Im Südwesten fordern die Arbeitgeber eine Nullrunde, während die IG Metall sieben Prozent mehr Geld verlangt.

„Die Lage ist besser als die Stimmung“, Barbara Resch, Chefin des IG Metall Baden-Württemberg sieht keinen Grund zur Bescheidenheit. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod

„Die Lage ist besser als die Stimmung“, Barbara Resch, Chefin des IG Metall Baden-Württemberg sieht keinen Grund zur Bescheidenheit. Zwar sinke die Inflation doch das komme nicht bei jedem Geldbeutel an. Die 200 Mitglieder der Großen Tarifkommission der IG Metall in Baden-Württemberg sehen das auch so und folgen der Empfehlung aus der Gewerkschaftszentrale in Frankfurt. Die Forderung 2024 lautet: Sieben Prozent mehr Geld und mindestens 170 Euro für die unteren Lohngruppen für die kommenden zwölf Monate. Für die Auszubildenden soll es mit einem Plus von 14 Prozent einen besonders kräftigen Zuschlag geben. Damit soll die Attraktivität der Branche für die Jugend gestärkt werden, so Resch.

Damit sind die Fronten im traditionellen Pilotbezirk für die Tarifverhandlungen im kommenden Herbst klar abgesteckt. Etwa jeder vierte Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie hat im Südwesten seinen Arbeitsplatz. Weitere 860.000 arbeiten in Bayern, von wo die gleiche Forderung an die Unternehmen erhoben wird. Die Arbeitgeber des ebenfalls für die Tarifrunden sehr einflussreichen Verbandes Südwestmetall haben schon zuvor ihre Linie gezogen. Schwäbisch verkürzt lautet der Kurs für 2024: „Mir gäbet nix.“

Solche krassen Unterschiede gehören zwar zum Ritual im Vorfeld von Verhandlungen. Gleichwohl wird hier deutlich, wie unterschiedlich die Lage der Unternehmen wahrgenommen wird. Von etwas 90.000 Beschäftigten im Südwesten schätzen zwar nur jeder Fünfte die allgemeine Lage als gut ein. Für den eigenen Betrieb sind 42 Prozent dieser Ansicht. Die Zahlen seien mit den Befragungen bundesweit vergleichbar, so Resch. Der IG Metall-Vorstand in Frankfurt hat deshalb die Devise ausgegeben: „Es gibt etwas zu verteilen.“ Auf Nachfrage räumt Resch allerdings ein, dass in den Betrieben die Forderungen nach mehr Geld in diesem Jahr mit einer Bandbreite „zwischen 4,5 und neun Prozent“ besonders weit auseinander liegen. Auch hier wird die unterschiedliche Einschätzung der wirtschaftlichen Lage deutlich.

Die Arbeitgeberseite im Südwesten verweist darauf, dass der Auftragseingang allein zwischen Januar und April um 8,2 Prozent zurückgegangen ist. Bei der Produktion betrug das Minus den Angaben von Südwestmetall zufolge sogar 9,2 Prozent. Die Forderung nach sieben Prozent werde der Situation vieler Betriebe nicht einmal ansatzweise gerecht, lautet die Reaktion der Arbeitgeber in Stuttgart. „Einem großen Anteil unserer Firmen geht es nicht nur konjunkturell schlecht. Unsere gesamte Industrie steht auch vor großen Herausforderungen durch die Transformation und kämpft mit immer schlechteren Standortbedingungen. Doch das scheint die IG Metall zu ignorieren“, erklärt der stellvertretende Südwestmetall-Vorsitzende Dr. Harald Marquardt. „Ein Tarifergebnis, das auch nur annähernd diese Forderung abbildet, würde viele Unternehmen schlicht überfordern.“

Bei der IG Metall wird offenbar darauf spekuliert, dass sich die Lage in der zweiten Jahreshälfte bessert und so diese Entwicklung in die Karten spielt. Zwar will man schon am 16. September mit ersten Verhandlungen beginnen, doch Resch ließ bereits durchblicken, dass sie vor dem Ende der Friedenspflicht nicht mit einem Ergebnis rechnet. Die IG Metall hat es also nicht wirklich eilig. Hingegen könnten die Arbeitgeber in Erklärungsnot geraten, sollte die Konjunktur tatsächlich im Herbst wieder anziehen. Vor zwei Jahren war die Konstellation genau umgekehrt.

Aus der Erfahrung der schwierigen Tarifrunde 2022 haben beide Seiten offenbar gelernt und die jeweiligen Forderungen früh festgezurrt. Vor allem die IG Metall sah sich intern nach der Sommerpause von den Mitgliedern aus den Autokonzernen mit zweistelligen Lohnforderungen konfrontiert. Reschs Vorgänger Roman Zitzelsberger war seinerzeit froh, dass die Forderung von acht Prozent bereits feststand.

Vordergründig geht es um mehr Lohn. Allerdings hat Resch auch weitere Stellschrauben ins Spiel gebracht. „Die Arbeitszeit muss zum Leben passen“ umschreibt sie den Plan, die Freistellung für Schichtarbeiter, Eltern mit Kindern und Angehörigen von Pflegebedürftigen ausbauen. Zudem sollen Entgelt-Lücken zwischen unterschiedlichen Lohngruppen geschlossen werden. Resch nannte hier Unterschiede bei der Bezahlung von Fachkräften Mit und ohne Ausbildung.

Die Arbeitgeberseite wird hingegen versuchen, einen Abschluss mit unterschiedlichen Einstufungen zu erzielen. Vor allem dem stark mittelständig geprägten Südwesten gehen die Interessen zwischen Konzernen wie Mercedes, Bosch oder Audi und kleinen Unternehmen auseinander. Schon mehrmals haben die Mittelständler dem eigenen Verband Südwestmetall mit Austritt gedroht, weil ihnen die Anschlüsse zu hoch waren. So ist es kein Zufall, dass auch diesmal mit Harald Marquard der Chef eines familiengeführten Autozulieferers aus der schwäbischen Provinz das Wort führt. Er soll diese Interessen besonders vehement vertreten.

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