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Zukunftsmärkte > Wettbewerbsfähigkeit nach der Corona-Krise

"Beim Umweltschutz haben wir zum Teil Ziel und Maß aus den Augen verloren"

Thomas Bareiß, der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, will möglichst viele Unternehmen in der Corona-Krise retten. Sein Plan: die größtmögliche Entlastung. Aber wie? Ein Interview

Im April haben Sie Ihr neues Amt als Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung übernommen – mitten in der Corona-Krise. Ein eher unglückliches Timing, oder?

Eines habe ich in der Politik gelernt: Den idealen Zeitpunkt gibt es nur ganz selten. Man muss die Herausforderungen nehmen, wie sie kommen. Und das tue ich. Mein neues Amt ist eine ehrenvolle Aufgabe, und ich glaube, dass ich den Mittelstand sehr gut kenne. Ich habe zehn Jahre lang in der Textilwirtschaft gearbeitet. Diese Erfahrung bringe ich als Mittelstandsbeauftragter in die Arbeit der Bundesregierung ein.

 

Als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium überwinden Sie sozusagen die Gewaltenteilung und gehören sowohl der Legislative als auch der Exekutive an. Was macht Ihnen mehr Spaß?

Das kann ich so nicht sagen. In der Exekutive können und müssen Sie, gerade in einer Ausnahmesituation wie jetzt, unglaublich viel in ganz kurzer Zeit gestalten. Als Abgeordneter im Bundestag muss ich dagegen eher dicke Bretter bohren, und die Arbeit ist nicht so nah an der konkreten Umsetzung. Der Parlamentarismus ist manchmal schwerfällig – wobei meine Arbeit in meinem Wahlkreis und das Engagement für die Menschen tolle Aufgaben sind.

 

Also steht es pari?

Die Kombination aus beidem ist eine einmalige Möglichkeit, Dinge zu bewegen. Das halte ich für ein wirkliches Privileg.

 

Was kann die Politik derzeit für mittelständische Unternehmen tun?

Wir müssen alles dafür tun, so viele Unternehmen zu retten wie möglich. Der Mittelstand und seine gewachsenen Strukturen dürfen durch die Krise keinesfalls zerstört werden. Das müssen wir als Politik verhindern, und dafür haben wir auch dieses gigantisch große Hilfspaket geschnürt.

 

Manche Ökonomen sagen, die Krise wirke als Katalysator und beschleunige nur den Niedergang von Unternehmen, die ohnehin schon am Ende gewesen seien. Was wäre schlimm an einer solchen Marktbereinigung?

Dass Krisen bestimmte Tendenzen verstärken, glaube ich auch. Aber ich sehe es nicht als Aufgabe der Politik an, Geschäftsmodelle von einzelnen Unternehmen auf ihre Zukunftsfähigkeit hin zu bewerten. Die Politik hat nicht zu entscheiden, welches Unternehmen überlebt oder nicht. Wir müssen mit unseren Hilfen für alle Betroffenen die grundsätzliche Chance bieten, die Krise zu überstehen.

 

Aber Geldspritzen helfen nicht gegen strukturelle Schwächen.

Richtig. Daher braucht es auch ein Fitnessprogramm für deutsche Unternehmen.

 

Liegestütze und Sit-ups?

Nein. Wir als Politik müssen dafür sorgen, dass sich der Mittelstand nach der Krise leistungsfähiger und widerstandsfähiger aufstellen kann als zuvor.

 

Was heißt das konkret?

Denken Sie nur an Themen wie Gewinnthesaurierung oder Steuerentlastungen. Wir müssen die Unternehmen entlasten, damit ihre Wettbewerbsfähigkeit gestärkt wird. Wir müssen uns fit machen gegen die Konkurrenz aus den USA oder China. Das heißt aber auch, dass wir die Investitionsfreundlichkeit in Deutschland verbessern müssen. Manche bürokratischen Vorgaben und Genehmigungsverfahren sind absurd.

 

Beim BDI rennen Sie mit Ihrem Wunsch nach weniger Bürokratie und einfacheren Genehmigungsverfahren offene Türen ein.

Beim BDI vielleicht ja. Aber beim BUND oder beim NABU nicht unbedingt. Nicht dass Sie mich missverstehen: Ich bin absolut für hohe Standards beim Umwelt- und Naturschutz. Aber zum Teil haben wir Ziel und Maß aus den Augen verloren.

 

Fürchten Sie, dass gerade im familiengeführten deutschen Mittelstand die Lust am Unternehmertum verloren geht?

Nein, das fürchte ich nicht. Aber ich beobachte, dass bei manchen Unternehmern der Frust zunimmt. Sie wollen etwas gestalten, bekommen aber immer wieder Knüppel zwischen die Beine geworfen. Mittelstand heißt ja auch Lust und Leidenschaft fürs Unternehmertum. Das zu fördern, darin sehe ich auch meine Aufgabe als Mittelstandsbeauftragter der Bundesregierung.

 

Worauf sollten die Unternehmen Ihrer Meinung nach im Moment besonders achten?

Es steht mir nicht an, Unternehmern Ratschläge zu erteilen. Ich will mich nicht in ihre Arbeit einmischen. Sicher wird es in Zukunft für Unternehmen zunehmend wichtig sein, intensiv zu beobachten, was in der Welt passiert. Nur so können sie wissen, was auf sie zukommt. Und ich glaube, dass der Mittelstand noch stärker versuchen sollte zu verstehen, was in Politik und Gesellschaft passiert.

 

Warum?

Weil es auch für Unternehmen wichtig ist, das eigene Umfeld und die Akteure, die sich darin bewegen, zu kennen. Nur wenn ich weiß, wie die Gesellschaft „tickt“ und wie Politik funktioniert, kann ich gute unternehmerische Entscheidungen treffen. Ich halte es auch für elementar wichtig, dass sich Unternehmer – über ihre Verbandsstrukturen hinaus – in der Politik engagieren. Davon können alle Seiten nur profitieren.

 

Wie lange, glauben Sie, wird die Krise die Wirtschaft noch lähmen?

Ich bin sicher: Wir müssen noch ein paar Monate durchhalten. Erst wenn es einen Impfstoff gegen das Coronavirus gibt, wird sich die Lage normalisieren. Aktuell lernen wir gerade, mit dem Virus umzugehen. Aber wir sind noch mittendrin in der Krise. Ich hoffe, dass bis zum Sommer nächsten Jahres das Schlimmste überstanden ist.

 

Wie schlägt sich der Mittelstand in der Krise?

Ich finde, er macht seinem Ruf als Rückgrat der deutschen Wirtschaft alle Ehre. Ich kenne etliche Unternehmen, die gerade trotz Krise ihre Schnelligkeit, Flexibilität und Innovationsfreude unter Beweis stellen. Auch die Einsatzbereitschaft im Mittelstand ist enorm. Was mir besonders imponiert, ist, dass sich gerade mittelständische Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung bewusst sind und entsprechend handeln. In meinem Wahlkreis etwa haben zwei Mittelständler ihre Produktion sehr rasch auf Gesichtsmasken umgestellt. Die Betriebe haben die Masken aber nicht nur für den Verkauf gefertigt – sondern auch jedem Bewohner vor Ort ein Exemplar geschenkt. Das ist großartig und typisch Mittelstand.

 

Zum Schluss noch ein Blick in die Zukunft. Wenn Sie Ihr Amt als Mittelstandsbeauftragter einmal abgeben werden, was wollen Sie dann von sich sagen können? Ich war erfolgreich, weil …

… weil ich dem Mittelstand in der Politik Gehör verschafft habe.

Thomas Bareiß (Jahrgang 1975) ist seit April 2020 der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung. Zugleich arbeitet er als Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier. Der in zweiter Ehe verheiratete Betriebswirt war, bevor er in die Politik wechselte, im Controlling eines schwäbischen Textilunternehmens tätig. Seit 2005 sitzt der gebürtige Schwabe für die CDU im Deutschen Bundestag.

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