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Bitter für Beschäftigte: Reallohn sinkt

Selbst die IG-Metall wird nicht mit der Forderung in die nächste Tarifrunde gehen, die hohe Inflation durch noch höhere Löhne auszugleichen. Für die Beschäftigten heißt das: Unterm Strich haben sie weniger Geld zum Leben.

Bildnachweis: picture alliance

Die IG Metall Baden-Württemberg strebt für die kommende Tarifrunde im Herbst klare Einkommensverbesserungen an. „Die letzte flächendeckende Entgelterhöhung gab es 2016“, betont Bezirkschef Roman Zitzelsberger mit seinem Bereich als Pilotbezirk in die Verhandlungen ab Mitte September einsteigen will. Die Erwartungshaltung sei entsprechend groß. Allerdings hatte der Arbeitgeberverband Südwestmetall bereit im April verlauten lassen, dass man in der aktuellen Lage keine Spielräume für Lohnanpassungen erkennen könne.


Die Gewerkschaft will die Lohnforderung aus den Komponenten Umverteilung, Produktivitätszuwachs und Inflationserwartung der EZB definieren. Ende Juni wollen die Metaller die Forderung bestimmen und gegebenenfalls aber noch anpassen. „Aktuell fahren wir auf Sicht“ räumt Zitzelsberger ein, dem Ambitionen auf den Chefposten bei der IG Metall im kommenden Jahr nachgesagt werden. Er räumte ein, dass mit Ukraine, Corona, Lieferengpässen und Inflation gleich „ein ganzer Schwarm schwarzer Schwäne“, den Konjunkturhimmel trüben.

„Inflation kann man aber nicht mit Tarifsprüngen ausgleichen“, dämpft der mächtige Gewerkschaftsboss vorsorglich schon jetzt allzu große Erwartungen in den eigenen Reihen. Hier sei die Politik gefordert. Sie habe die Aufgabe, für die wirtschaftliche Stabilität der privaten Haushalte zu sorgen, damit in Deutschland weiter konsumiert werden könne. Zitzelsberger sieht darum in der Forderung seiner Kollegen aus der Stahlindustrie kein Vorbild. Dort werden Lohnerhöhungen von 8,2 Prozent verlangt. „Die Stahlindustrie konnte ihre Mehrkosten eins zu eins an die Kunden weitergeben. Darum ist diese Forderung in diesem Bereich auch begründbar.“ Doch in der Metall- und Elektroindustrie müsse man die eigene Situation bewerten, bremst Zitzelsberger.

Eine Umfrage der Gewerkschaft unter den eigenen Betriebsräten zeichnet tatsächlich ein weniger zuversichtliches Bild. Aus jedem vierten Betrieb wird gemeldet, dass die Lage schlecht sei. Und dies, obwohl die Metall- und Elektroindustrie einen Auftragsbestand in bisher nie erlebter Höhe verzeichnet. „Doch wenn Materialien fehlen, haben die Unternehmen hohe Aufwendungen für ihre Lagerbestände, können aber keine Umsätze erzielen“, so Zitzelsberger. Auch bei der Gewerkschaft weiß man sehr wohl, dass Aufträge schnell storniert werden können, wie der Gewerkschaftschef ins Gedächtnis ruft: „Im Jahr 2008 war der hohe Auftragsbestand binnen weniger Wochen weg“. Zwar brechen die Orders derzeit noch nicht in großer Zahl weg. Gleichwohl bereitet den Gewerkschaftern die angespannte Finanzlage in vielen Betrieben tiefe Sorgenfalten. Dennoch will die IG Metall keine differenzierte Lohnforderung stellen, die sich an der jeweiligen Ertragslage orientiert - ein Gedanke der sich mit Blick auf die Autoindustrie durchaus aufdrängen würde. Dort erzielten die Hersteller für das vergangene Rekordgewinne. Viele Zulieferer haben hingegen eher rote Zahlen im Blick. Beides müsse man berücksichtigen, so Zitzelsberger, der sich zu Details über die Ausgestaltung der Lohnforderung noch sehr bedeckt hält.

Aktuell verhandeln Arbeitgeber und Gewerkschaft über eine Ergänzung des Tarifvertrags, der es ermöglichen soll, binnen weniger Tage mit Kurzarbeit auf eine Zuspitzung bei der Gasversorgung reagieren zu können. Der Handlungsbedarf ist vor allem im Südwesten nach Ansicht von Oliver Holtemöller, Vizepräsident am Institut für Wirtschaftsforschung in Halle besonders groß, sollte Russland die Lieferungen einstellen: „Wo das Verarbeitende Gewerbe eine besonders hohe Wertschöpfung erzielt, etwa in etlichen Kreisen und Städten Süddeutschlands, ist mit auch mit besonders hohen Wertschöpfungsverlusten zu rechnen.“
Aufgrund des Ukrainekrieges sind nach Rückmeldungen aus den Unternehmen im Südwesten nahezu alle von den gestiegenen Energie- und Materialkosten belastet. Für die IG Metall ist dies aber grundsätzlich keinen Grund allzu große Zurückhaltung bei der nächsten Lohnforderung zu üben. Die Entgelte würden nur noch 20 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, verlautet aus Stuttgart. Darum sehe man auch nicht die Gefahr, dass man eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen könnte. Doch bisher steht nur fest, dass die IG Metall bis Ende August die Verträge kündigen will und dann zügig in die Verhandlungen einsteigen will, was im Südwesten mit dem Schulbeginn zusammenkommt. Die Friedenspflicht läuft dann noch bis zum 28. Oktober.

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