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„Brutal toxisch“ – Anleger grausen sich vor Steuer für Kriegsgewinnler

Sollen Mineralölkonzerne, die Milliardengewinne durch die Folgen des Krieges einfahren, mit einer Sondersteuer belegt werden? Sollen auch gutverdienende Rüstungsfirmen höhere Steuern zahlen? In Deutschland sind Linke und Grüne dafür. In anderen Ländern haben auch konservative Regierungen die „Übergewinnsteuer“ bereits eingeführt. Italien unter Mario Draghi ist ganz vorn dabei. Der Finanzmarkt reagiert entsetzt.

Ausrüstung eines Soldaten

In der EU und in Deutschland stößt ein Vorschlag auf immer mehr Sympathie, der Konzerne und Aktionäre erschauern lässt. Es geht um eine sogenannte „Übergewinnsteuer“. Gemeint ist damit eine Steuer für Unternehmen, die am Krieg in der Ukraine verdienen. Energielieferanten und Rüstungskonzerne müssen sich wappnen. Genau festgelegt, wen es trifft, haben sich die Beförderer dieser Idee in Deutschland noch nicht. Dennoch ist die Aufregung groß.


Der Vorschlag stammt hierzulande ursprünglich von Grünen und Linken. Sie wollen höhere Unternehmensgewinne abschöpfen, die ihre Ursache im Ukrainekrieg haben. Mit Blick auf den russischen Angriff, sagte die Grünen-Parteivorsitzende Ricarda Lang jüngst nach einer Sitzung des Parteivorstandes in Berlin: „Wenn es offensichtlich ist, dass einige Konzerne wissentlich und vor allem übergebührlich am Horror dieses Krieges verdienen, dann sollten wir doch eine Übergewinnsteuer einführen, die genau dem aktiv entgegenwirkt." Diese Steuer würde dafür sorgen, „dass auch die sich finanziell daran beteiligen, dass wir alle gut und vor allem mit einem stärkeren Zusammenhalt durch diese Krise hindurchkommen".

 

„Wir sollten sie einführen.“


Die Linken-Politiker Dietmar Bartsch und Christian Görke stimmen ein: „Während auf Millionen Menschen und Unternehmen immer höhere Energiepreise lasten, machen Mineralölkonzerne obszöne Profite.“ Sie verweisen auf die International Energie Agentur, die mit zusätzlichen Gewinnen der Mineralölkonzerne in Höhe von 200 Milliarden Euro in diesem Jahr rechnet. Die Fraktion hat bereits einen Antrag eingebracht, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, um eine Übergewinnsteuer wie von der EU angeregt einzuführen, die Unternehmen, die in der Krise Extraprofite erwirtschaftet haben, angemessen an den gesellschaftlichen Kosten der Krise beteiligt". Zum Kreis derjenigen, die von der Steuer betroffen wären, sagt Görke: „Wir finden, dass alle Großkonzerne besteuert werden sollten, die außerordentliche Gewinne in Krisen machen - von Amazon über Shell bis zu Rheinmetall."


Auch in der Regierung ist die Idee angekommen, wobei der grüne Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zwischen den Interessen seines Amtes und seiner Partei rudert: Er unterstützt die Idee, warnt aber bei der Umsetzung vor rechtlichen Schwierigkeiten. Er finde es richtig, „dass diejenigen, die im Moment hohe Gewinne machen, zulasten der Allgemeinheit, davon einen Teil zurückgeben", sagt Habeck vor allem mit Blick auf Mineralölkonzerne. Allerdings sei das Steuerrecht „ein hartes Brett", betont der Minister. „Und das haben wir noch nicht durchgebohrt." Das Brett – es dürfte vor allem im FDP-geführten Finanzministerium liegen, dessen parlamentarische Staatssekretärin, Katja Hessel, den Vorschlag zurückgewiesen hat. „Unsere Unternehmen sind bereits mehrfach belastet: durch die Nachwehen der Corona-Pandemie, die hohen Energiepreise sowie zusammengebrochene Lieferketten", sagt die FDP-Politikerin.


Dass der Vorschlag nicht völlig aus der Luft gegriffen ist und auch bei konservativen Regierungen verfängt, zeigt ein Blick in die EU. Italien will die zusätzlichen Gewinne von Energieunternehmen mit einer Steuer belegen, um damit Familien und Unternehmen zu entlasten. „Lasst uns einen Teil der Mehrgewinne besteuern, welche die Produzenten dank des Kostenanstiegs für Rohstoffe erzielen, und dieses Geld an Firmen und Familien umverteilen, die in großen Schwierigkeiten sind", verlangt der italienische Ministerpräsident und Ex-Zentralbankschef Mario Draghi. Laut seinem Wirtschafts- und Finanzminister Daniele Franco soll die Steuer zehn Prozent auf zusätzlich eingefahrene Gewinne betragen. Nähere Angaben machte er nicht. Aus Regierungskreisen in Rom hieß es, die Steuer werde auf Zusatzgewinne in den vergangenen sechs Monaten im Vergleich zum Vorjahreszeitraum erhoben. Draghi zufolge soll das dadurch eingenommene Geld für ein neues Maßnahmenpaket im Umfang von 4,4 Milliarden Euro verwendet werden, mit dem die hohen Energiekosten abgefedert werden sollen.

 

Draghi macht es vor

 

Auch in Österreich nimmt die Diskussion Fahrt auf. Der konservative Bundeskanzlers Karl Nehammer bestätigt, dass die Bundesregierung in Wien darüber nachdenke, wie Gewinne von Firmen mit Staatsbeteiligung, die überproportional von der Krise profitieren, gesetzlich abgeschöpft werden können. „Zufallsgewinne bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehören dem Volk“, meint der Kanzler und nennt konkret jene Unternehmen, die Strom aus Wasserkraft derzeit zu den gleichen Kosten wie immer produzieren, aber zu deutlich erhöhten Preisen am Markt abgeben. Das trifft in Österreich vor allem den Verbund-Konzern, der sich mehrheitlich in Staatsbesitz befindet. Seine Aktie schickte der Kanzler mit seiner Aussage auf Talfahrt.


In Griechenland ist die Übergewinnsteuer bereits beschlossene Sache. Athen bittet die Energiekonzerne zur Kasse: Sie sollen vorerst auf alle Gewinne, die über den Durchschnittswerten des Vorjahres liegen, 90 Prozent Steuern zahlen müssen. Davon will die Regierung ein Entlastungsprogramm bezahlen, dass Haushalten die Erhöhung ihrer Stromrechnungen, zu 60 Prozent zurückerstattet.

 

Griechenland langt zu

 

Unter Ökonomen und Investoren löst der Trend Entsetzen aus. Von „fatalen Signalen" für künftige Investitionen aller Unternehmen spricht die Chefin der Wiener Denkfabrik Eco-Austria Monika Köppl-Turyna. Auch teilstaatliche Unternehmen müssten „im Sinne der Eigentümer bzw. gewinnorientiert agieren". Die Finanzwissenschaftlerin Dominika Langenmayr von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt warnt: „Fängt man einmal an, in Sondersituationen neue Steuern auf erfolgreiche Marktteilnehmer einzuführen, zerstört man das Vertrauen ins Steuersystem." Und die Investoren haben bereits mit den Füßen entschieden: Für den österreichischen Energiekonzern Verbund war beispielsweise der Donnerstag in der vergangenen Woche kein lustiger. Der Aktienkurs des Konzerns brach um 13 Prozent ein. Das bedeutet einen Wertverlust von 4,5 Milliarden Euro. Ursache war die Aussage des Kanzlers, der Sympathie für die neue Steuer zeigte. „Brutal toxisch“, nannte ein Händler an der Wiener Börse die Idee.

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