Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Buchtipp

Saugroboter, Fadenwürmer und Intelligenz

KI und Evolution in Max Bennetts neuem Buch „A Brief History of Intelligence: Evolution, AI, and the Five Breakthroughs That Made Our Brains".

Max Bennett, Softwareunternehmer und KI-Forscher

Wer des Englischen mächtig ist, Yuval Noah Hararis „Sapiens“ bereichernd fand und diesen Sommer nur für ein einziges Buch am Strand Zeit findet, dem sei “A Brief History of Intelligence: Evolution, AI and the Five Breakthroughs that Made Our Brains” des Softwareunternehmers und KI-Forschers Max Bennett empfohlen.

Wie viele andere Forscher in seinem Fachbereich interessierte sich der Autor für die grundlegende Frage: Was ist eigentlich Intelligenz? Er beschreibt die fünf evolutionären Stufen, die über Milliarden von Jahren dazu führten, dass der Mensch heute über dieses riesige Hirn verfügt, dass einerseits etwas im Tierreich so einzigartiges wie komplexe Sprache hervorbrachte, andererseits aber auch dazu führt, dass der Geburtsvorgang bei kaum einer anderen Spezies so gefährlich ist.

Die erste Hälfte des Buches erklärt nicht nur, warum Intelligenz erst mit Mobilität zu einem evolutionären Vorteil wurde (Pilze sind evolutionär sensationell erfolgreich, ebenso wie Viren, völlig ohne denken zu können), sondern auch, welche zentrale Rolle die Basalganglien bei der Verhaltenssteuerung spielen und viele andere Aspekte der Entstehung der Intelligenz. Seine Leser der Gattung Homo Sapiens erfahren hier auch nebenbei, warum sie mitnichten die ganz oben auf dem Affenfelsen sitzende „Krone der Schöpfung“ sind und was ihre Staubsaugerroboter mit Fadenwürmern gemein haben. Dabei greift Bennett auf Fachliteratur von Psychologen und Neurowissenschaftlern zurück und illustriert seine Thesen mit Infografiken und Abbildungen und natürlich zitiert er die maßgeblichen Vordenker wie Richard Dawkins, den Philosophen Daniel Dennett, den Neurowissenschaftler Antonio Damasio, und den Bestsellerautor und Psychologen Daniel Kahneman.

Nachdem der Leser nach einigen hundert Seiten eine Idee vom Wesen der Intelligenz entwickelt hat, wendet sich Bennett der Frage zu, die heute die KI-Branche umtreibt: Warum können Maschinen nicht wirklich lernen? Selbst ChatGPT, für das OpenAI schon mit der aktuell verfügbaren Version zwei Milliarden USD Umsatz vermeldete, kann nicht „sequentiell lernen“, schreibt Bennett. „Es lernt alles auf einmal und hören dann auf zu lernen.“

Bennett sieht die Entwicklung der AI am Scheideweg: Die Evolution hat uns unser großartiges menschliches Gehirn geschenkt, schreibt er, und nun, da wir in der Lage sind, Gott zu spielen und eine neue Form der Intelligenz zu schaffen, müssen wir uns zunächst über unser Ziel klar werden – sind wir dazu bestimmt, uns über den Kosmos auszubreiten, wovon Elon Musk überzeugt ist? Oder werden wir scheitern, Opfer unseres eigenen Hochmuts oder des Klimawandels oder von etwas noch Unsichtbarem? Wird dem Baum der Evolution einen weiteren Zweig „KI“ wachsen? Und wird der Zweig „Homo Sapiens“ weiter gedeihen? Keiner der heute lebenden Leser wird lange genug leben, um diese Frage zu beantworten, aber Bennett liefert überzeugende Argumente dafür, warum das Reverse Engineering des menschlichen Gehirns zu künftigen Durchbrüchen in der Wissenschaft der künstlichen Intelligenz führen könnte.

 

Ähnliche Artikel