Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Übernahmen

Chinas Investoren halten sich zurück

In Deutschland haben chinesische Investoren zwar mehr Unternehmen übernommen als ein Jahr zuvor. Dennoch spielen sie hierzulande bei Transaktionen eine Nebenrolle.

Die Zahl der chinesischen Firmenkäufe in Europa sinkt weiter. Bildquelle: picture alliance / Russian Look | Maksim Konstantinov

Die schwierige Konjunkturlage in Europa und im Heimatland sowie die zunehmenden politischen Spannungen haben im vergangenen Jahr die Freude an Zukäufen von Investoren aus China deutlich getrübt. Wenn sie auf unserem Kontinent nach einer Akquisitionsmöglichkeit umsehen, dann in vor allem in Deutschland. Die Zahl der Übernahmen und Beteiligungen stieg hierzulande von 26 auf 28. Sie lag damit aber deutlich niedriger als im Rekordjahr 2016, als 68 chinesische Transaktionen gezählt wurden. Das Investitionsvolumen lag mit 202 Millionen Dollar auf dem niedrigsten Stand seit dem Jahr 2010. Nicht enthalten sind in dieser Summe Risikokapitalinvestitionen in deutsche Startups, bei denen chinesische Unternehmen als Teil internationaler Investorengruppen aktiv waren. Das geht aus einer Untersuchung der Beteiligungsgesellschaft EY in Stuttgart hervor.

Der einst befürchtete Ausverkauf deutscher Unternehmen an die Konkurrenz aus Fernost findet offenbar nicht statt. Als Investoren spielen chinesische Unternehmen in hierzulande derzeit nur eine untergeordnete Rolle: Mit 28 Transaktionen belegte China im vergangenen Jahr lediglich Platz neun. Die Liste führen die USA mit 225 und Großbritannien mit 113 Übernahmen an. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 war China noch der viertwichtigste Investor in Deutschland gewesen. Noch zurückhaltender sind diese Anleger 2023 in Europa gewesen. Die Zahl ihrer Transaktionen sank im Vergleich zum Vorjahr von 139 auf 119. Im Jahr 2016 erzielten chinesischer Unternehmen noch 309 Zukäufe. Auch das Transaktionsvolumen schrumpfte: Der Wert der Beteiligungen und Übernahmen ging laut den EY-Berechnungen von 4,3 auf 2,0 Milliarden Dollar zurück – bei der Mehrzahl der Übernahmen liegen allerdings keine Angaben zu Kaufpreisen vor. „Das leichte Plus in Deutschland ist noch keine Trendwende“, meint Yi Sun, Leiterin der China Business Services bei der Beratung. 

Nach wie vor seien chinesische Unternehmen zurückhaltend, wenn es um Übernahmen in Europa gehe. Das liege unter anderem an der konjunkturellen Situation im Heimatland und der eigenen schwierigen Finanzlage. Eine Expansion nach Europa durch Zukäufe hat nach Ansicht der EY-Expertin bei vielen chinesischen Unternehmen derzeit keinen hohen Stellenwert mehr. „Sie konzentrieren sich auf eine Verbesserung ihrer eigenen Geschäftslage und auf ihr bestehendes Beteiligungsportfolio.“ Zum Teil trennen sich die Investoren sogar von Beteiligungen in Europa, etwa in der Automobilindustrie. „Einige Unternehmen ziehen es vor, eigene Mega-Fabriken in Europa zu bauen, besonders in den Bereichen Elektroautos und Batterien“, beobachtet Sun. Für chinesische Auto- und Batteriehersteller seien Ungarn, Spanien, Frankreich und die nordeuropäischen Länder wegen niedriger Energiekosten, höherer Subventionen und schneller Genehmigungsprozesse besonders attraktive Investitionsstandorte. „Deutschland wird hier nicht bevorzugt.“

Politischer Widerstand in Europa

Schon die Corona-Pandemie hatte zu erheblichen Einschränkungen bei der Aus- und Einreise nach China und den M&A-Aktivitäten geführt. Zu dem erwarteten Nachholeffekt nach der Aufhebung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung sei es allerdings nicht gekommen, so Sun. Das hänge auch damit zusammen, dass chinesische Unternehmen sich in vielen europäischen Ländern teils erheblichem politischen Widerstand ausgesetzt sähen: „Potenzielle chinesische Investoren prüfen sehr sorgfältig, ob die Wahl bestimmter Übernahmekandidaten zu Widerstand bei Regierungen und zu Diskussionen in der Öffentlichkeit führen könnten“, erklärt Sun. Zudem bremst auch die Regierung in Peking Kapitalabflüsse ins Ausland.

Die Hürden für ausländische Beteiligungen – gerade in bestimmten kritischen Branchen – seien inzwischen vielfach so hoch, dass schon in einem frühen Stadium von einer Übernahme abgesehen werde – selbst, wenn sie strategisch sinnvoll wäre, so die EY-Expertin. Die Spannungen zwischen den USA und China hemmen die Transaktionsaktivitäten ebenfalls: „Wenn Übernahmekandidaten Produktionsstätten oder R&D-Zentren in den USA haben, werden potenzielle chinesische Bieter oftmals gar nicht erst eingeladen, um von vorneherein Problemen mit den zuständigen US-Behörden aus dem Weg zu gehen.“ Im vergangenen Sommer hat die Bundesregierung in einem 61-seitigen Papier eine deutlich härtere Gangart gegenüber China eingeschlagen. Die China-Strategie besitzt keine Gesetzeskraft, soll aber als Orientierung für die künftige Ausgestaltung der Beziehungen zu Peking dienen. So bremst Berlin über den Zoll auch die eigenen Unternehmen aus, wenn sie Waren nach China exportieren wollen.

Weiterhin großes Interesse

Für EY-Spezialistin Sun besteht grundsätzlich nach wie vor ein großes Interesse an Übernahmen in Europa und vor allem in Deutschland: „Im vergangenen Jahrzehnt haben chinesische Unternehmen sich europaweit an fast 1.900 Unternehmen beteiligt, knapp 400 davon in Deutschland.“ Die Erfahrungen, die dabei auf allen Seiten gesammelt wurden, seien zumeist gut, so dass es inzwischen auf vielen Ebenen enge und belastbare Verbindungen gebe. Die politischen und konjunkturellen Rahmenbedingungen seien allerdings derzeit nicht gerade günstig – und eine deutliche Besserung ist nicht absehbar. „Daher werden große Deals die Ausnahme bleiben, stattdessen wird es weiterhin vorwiegend kleinere Transaktionen geben. Und Deutschland wird das bevorzugte Investitionsziel bleiben“, erwartet Sun. 

Ähnliche Artikel