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Ciao Ape: Italiens kultige Biene wird nicht mehr summen

Vespa und Ape von Piaggio kennt man weltweit. Nach einem Dreivierteljahrhundert stellt der Hersteller die Produktion der „Biene“ ein. Das Lastendreirad tuckert aber in Asien und vor allem in den Herzen der Fans weiter.

Die Tage der „Biene“ sind gezählt. Nach 76 Jahren Produktion heißt es beim Hersteller Piaggio: „Basta“ (Foto: shutterstock)

von Andreas Kempf

Knatternd, ramponiert und oft abenteuerlich beladen: Die „Ape“ gehört zwischen Bozen und Palermo zum Alltag wie Pizza, der Gelati-Stand um die Ecke und laut plärrende TV-Geräte. Generationen von Italiener sind schon auf der Ladefläche der dreirädrigen Transportikone mitgefahren, um ausgelassen einen Sieg ihrer Squadra Azzurra zu feiern. Oder es ging damit zur Arbeit auf die Felder und manchmal sogar auf große Fahrt.

Die Ape – die „Biene“ – rattert auch heute noch durch die engen Gassen vieler Städte und Dörfern Italiens: Als Baufahrzeug, mobiler Gemüsestand, Gelati-Station, Umzugshelfer oder was sonst so alles auf die Ladefläche passt. Nach 76 Jahren Produktion sagt Hersteller Piaggio: „Basta“. Schuld seien die neuen EU-Normen, heißt es im toskanischen Pontedera bei Pisa. Zum Jahreswechsel werden die Bänder endgültig angehalten. Eine offizielle Verlautbarung gibt es von Piaggio dazu nicht. Das Ende haben die Gewerkschaften publik gemacht.

Strenge EU-Normen: Eine Umrüstung lohnt nicht

Der Zweitakter der „Ape“ erfüllt geradeso die Norm Euro 4. Den Antrieb abgastechnisch zu optimieren wäre sehr aufwändig. „Und es wäre keine Ape mehr“, räumt selbst Angelo Capone, Sekretär der FIOM in Pisa ein. Das ist die Schwestergewerkschaft der IG Metall. Eine Umrüstung lohnt wohl auch nicht, weil das historische Gefährt in Europa nur noch wenige Abnehmer findet.

Abgelöst hat die Ape längst der vierrädrige Transporter „Porter“, den ein Viertaktmotor antreibt. Der besteht die strengen EU-Normen. „Vielleicht haben man bestimmte Abgasnormen doch zu schnell eingeführt, die in der restlichen Welt niemanden interessieren“, grummelt Gewerkschafter Capone. Somit richtet sich der Ärger eher in Richtung Brüssel als gegen das Piaggio-Management. Allerdings erfüllt das knatternde Dreirad auch längst keine Sicherheitsvorgaben wie Airbag, ABS oder ESP. Umgekippte Apes gehören seit Jahrzehnten zu den dramatischen Straßenszenen Italiens.

Trauer um ein Stück Geschichte Italiens

Die Entscheidung für den Produktionsstopp habe sich somit schon länger abgezeichnet, gestehen die Gewerkschaften. „Mit der Ape geht ein Stück Geschichte von Pontedera und Italien“, trauert dennoch Capone. Vom Aus für die dreirädrige Ikone sind 1.100 Mitarbeiter betroffen. Die befinden sich seit Anfang Dezember in Kurzarbeit. Das trifft die Kollegen natürlich sehr“, erklärt Gewerkschafterin Flavia Capilli der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. Gleichwohl herrsche vorsichtiger Optimismus. Piaggio stellt die Produktion eine Elektro-Modells in Aussicht. Viel das Unternehmen dafür investieren will und wann diese Fertigung beginnen soll, wisse man allerdings noch nicht.  Das E-Modell soll den „Porter“ mit Verbrenner ergänzen, der einen Benzin oder Erdgasantrieb hat. Entwickelt wurde der batteriebetriebene Kleintransporter zusammen mit dem chinesischen Jointventure Foshan.

Zwar wird die Ape aus Italien verbannt – doch sie lebt weiter. Das Modell ist in vielen Entwicklungsländern als „Tuktuk“ beliebt. In Indien prägen die oft – bienengerecht – schwarzgelb angestrichenen Dreiräd-Taxis das Straßenbild vieler Städte. Auf dem Subkontinent soll die Produktion im seit 1963 bestehenden Piaggio-Werk fortgesetzt werden. Die Modelle sollen nicht nur auf dem lokalen Markt, sondern auch in Asien und Afrika verkauft werden. In Indien fürchtet Piaggio auch nicht, dass strengere Abgasnormen der Biene dann doch den Garaus machen könnten. Denn hier trieben Elektromotoren bereits viele Tuktuks an. Die Mobilität garantiert der schnelle Tausch der Batterien, wofür ein ganzes Netz von „Tauschstellen“ entstanden ist.

Als „Polizei-Biene“ im Einsatz

Die klassische Ape hat einen Motor mit 150 Kubikcentimeter Hubraum. Es kamen aber auch Versionen mit 50er-Rollerantrieb auf den Markt. Die Nutzlast dieser Modelle beträgt immerhin 200 Kilogramm. Später wurde die Motorisierung erweitert. Ein Modell mit Dieselantrieb und 700 Kilogramm Nutzlast ist bis jetzt im Programm gewesen. Fans hat die Transportikone weltweit. Im Juni 2009 stellte die Polizei im Kreis Mettmann einen Ape TM Kastenwagen (Höchstgeschwindigkeit Tempo 60) in Dienst - lackiert nach blau-silbernen Standard. Das Dreirad war in engen Gassen und teilgesperrten Bereichen im Einsatz: hauptsächlich zu Werbezwecken. Nach einem schweren Unfallschaden wurde die „Polizei-Biene“ verkauft.

Die „Ape“ wurde 1948 als Weiterentwicklung des „Vespa“ geboren. Die ersten Modelle hatten auch noch keine Kabine. Der legendäre Roller hat zwei Jahre zuvor den Neustart von Piaggio nach dem Zweiten Weltkrieg begründet und ganz Italien individuelle Mobilität beschert. Das 1884 gegründete Unternehmen war eigentlich auf die Konstruktion von kleineren Booten und Flugzeigen spezialisiert. Daneben wurden Lastwagen, Busse, Seilbahnen und Beschläge gefertigt. Während der italienischen Besatzung in Äthiopien betrieb Piaggio dort sogar eine eigene Fertigung.

Die Wurzeln im Flugzeugbau erkennt man bei den ersten „Bienen“ an der windschnitten Fahrerkabine. Wie die Schwester „Vespa“ hatten die ersten Modelle einen einzigen Frontscheinwerfer auf dem Vorderrad. Viele Fahrzeuge haben bereits Jahrzehnte auf der Pritsche. Einst als billiger Ersatz für einen Lastwagen beschafft, ist die treue „Biene“ zum Familienmitglied geworden. Geht mal was kaputt ist, sie leicht zu reparieren und tuckert dann wieder durch Gassen und über holprige Feldwege.

Zwischen 1965 und 1999 gehörte Piaggio zum Fiat-Konzern. Das heute börsennotierte Unternehmen wird von den Industriellen Matteo und Michele Colannino kontrolliert. Piaggio unterhält weltweit acht Werke in Indien, China, Vietnam USA und Indonesien. Die Gruppe hat für 2023 einen Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro und ein operativer Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen von 325 Millionen Euro ausgewiesen.  Nach dem dritten Quartal 2024 lag der Umsatz 16 Prozent hinter dem Vorjahr zurück. Grund ist vor allem die Kaufzurückhaltung in China.  Zur Gruppe mit knapp 6000 Beschäftigten gehören die ebenfalls traditionsreichen Marken Aprilia, Gilera und Moto Guzzi, die auch im Motorsport mitmischen. Für Aufsehen sorgt heutzutage erneut ein Dreirad von Piagigo: der MP3 – ein schwerer Motorroller mit zwei Vorderräder die sich dank Neigetechnik mit in die Kurven legen.

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