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Zukunftsmärkte > Gastbeitrag

Corona-Zombies im Mittelstand?

Für viele kleine und mittelständische Unternehmen ist die Lage trotz Aussicht auf ein Ende der Pandemie weiterhin kritisch. Welche Maßnahmen Firmen jetzt ergreifen können.

Der Sturm der Pandemie mag sich in Deutschland dank exzellentem Gesundheitssystem, Impfkampagne und viel Disziplin in der Bevölkerung gelegt haben. Für viele Unternehmen ist die Lage trotz Ende des monatelangen Lockdowns weiterhin kritisch. Das DACH-Durchschnittsunternehmen musste im Jahr 2020 einen Anstieg des Verschuldungsgrades von 2,5x auf 3,6x EBITDA verkraften. Zusammen mit einem deutlichen Rückgang an Eigenkapital navigieren viele Firmen dadurch mit wesentlich weniger "Wasser unter dem Kiel". Die Auswirkungen wurden bereits im vergangenen Jahr sichtbar: Während sich 2020 die Zahl der Großinsolvenzen bereits nahezu verdoppelt hat, erwarten Forscher des IW Köln in diesem Jahr 47 Prozent mehr Firmenpleiten als im Vorjahr.

Der Mittelstand hat sich in der Krise bislang als sehr resilient erwiesen. Viele Familienunternehmen haben mit beeindruckender Flexibilität, Kundennähe und Kreativität reagiert. Solidaritätskampagnen wie "Buy local" haben positiv gewirkt. Nur ein Drittel der mittelständischen Unternehmen musste bislang im Laufe der Pandemie das Eigenkapitalpolster anbrechen, die Hälfte berichtet jedoch von stabilen oder sogar gestiegenen Eigenkapitalquoten. Die milliardenschweren Hilfspakete waren wichtig und richtig, um Firmen vor den Folgen dieser exogenen Krise zu schützen. Für eine Entwarnung mit Blick auf mögliche Zombies ist es trotz der wieder eingeführten Insolvenzantragspflicht seit 1. Mai zu früh. Denn langfristig kann ein marktwirtschaftliches System nicht mit Unterstützungsprogrammen stabilisiert werden.

Die weiterhin verteilten Liquiditätshilfen lassen die Gefahr von Zombie-Unternehmen wachsen, die ihre Verbindlichkeiten nur noch über Hilfen bedienen, aber aus eigener Kraft keine Sanierung oder Investitionen in Wachstum und Innovation stemmen können. Das wird besonders gefährlich für Unternehmen, die einem hohen Transformationsdruck ausgesetzt sind. Hier wirkt die Coronakrise wie ein Brandbeschleuniger, besonders mit Blick auf Themen wie digitale Transformation und Dekarbonisierung. Akute Zombie-Gefahr besteht somit beispielsweise bei Airlines oder der Stahlindustrie, aber auch bei mittelständisch geprägten Branchen wie Maschinenbau, Automobilzulieferer oder dem stationären Einzelhandel.

Um sicherzustellen, in der derzeitigen Lage nicht selbst zum "Zombie" zu werden, können Unternehmen eine Reihe von Maßnahmen ergreifen. Kurzfristig wird es in vielen Fällen die beste Option sein, die bisherige Finanzierung möglichst günstig zu verlängern und abzuwarten, bis sich der Markt normalisiert hat. Dennoch werden viele Firmen nicht darum herumkommen, ihre Bilanzstruktur zu verbessern, indem die Gläubiger auf einen Teil ihrer Forderungen verzichten.

Mittelfristig sollten Unternehmen kritisch hinterfragen, welche Aktivitäten tatsächlich den Kern des Geschäfts bilden, und sich konsequent darauf ausrichten. Das kann bis zum Umbau bestimmter Sparten oder deren Abspaltung gehen. Für manche wird wiederum die Insolvenz der beste Ausweg sein. Mit dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (StaRUG) hat der Gesetzgeber zum Jahreswechsel einen Werkzeugkasten bereitgestellt, wie bereits eine vorinsolvenzliche Sanierung gelingen kann. Kern des StaRUG ist der Aufbau eines Krisenfrüherkennungssystems, verpflichtend für alle Kapitalgesellschaften, auch solche, die (noch) nicht von einer Krise betroffen sind.

Als Bestandteile wirkungsvoller Systeme haben sich eine 24-Monats-Liquiditätsplanung sowie die klare Identifikation von Risiko-Szenarien mit regelmäßigem Risk-Reporting erwiesen. Insbesondere diese neuen Anforderungen an das Risikomanagement bedeuten für den Mittelstand einen erhöhten Aufwand. Wird dieser richtig betrieben, kann jedoch eine Weitsicht entstehen, die nicht nur in der aktuellen Situation, sondern auch mit Blick auf die massiven anstehenden Herausforderungen die Handlungssicherheit verstärkt.

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