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Ludwig-Erhard-Büste verschwindet aus dem Ministerium

Erst hat Annalena Baerbock das Bismarck-Zimmer an ihrem Amtssitz in Berlin abgeschafft, jetzt verzichtet Robert Habeck auf die Ludwig-Erhard-Büste im Foyer seines Hauses. Warum die Grünen-Politiker ohne historische Leitfiguren auskommen.

Ludwig Erhard
Standen 2015 an einer Büste des ehemaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard (CDU) im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie in Berlin: Sigmar Gabriel (r.) und Herbert B. Schmidt, der Leihgeber der Ludwig-Erhard-Büste. Bild: picture alliance / dpa | Bernd Von Jutrczenka

Sie war seit mehr als 15 Jahren ein fester Bestandteil der Einrichtung im Wirtschaftsministerium: Die schlichte Bronze-Büste von Ludwig Erhard in der Eingangshalle der Behörde an der traditionsreichen Adresse in der Invalidenstraße. Der Aachener Künstler Wolfgang Ritz hatte sie 1973 unter Mitwirkung des ehemaligen Wirtschaftsministers und Bundeskanzlers geschaffen. Pausbäckig wie er war, überblickte er seither das Foyer.

Michael Glos, einst Bundeswirtschaftsminister der CSU, hatte das bronzene Abbild des Begründers der Sozialen Marktwirtschaft deutscher Prägung zu dessen 110. Geburtstag 2007 mit einem feierlichen Akt aufgestellt. Bei der Zeremonie waren die meisten der lebenden Amtsnachfahren Erhards – ganz gleich, welcher Partei sie angehörten, zugegen: Werner Müller, der einer SPD-Regierung gedient hatte, war zum Beispiel genauso dabei wie Martin Bangemann von der FDP. „Überall dort, wo Erhard seine Vorstellungen von Wettbewerb durchsetzen konnte, kassieren wir noch heute die Dividende“, sagte Festredner Hans Barbier, Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, die Glos‘ Wunsch nach einem Denkmal unterstützt hatte. Doch die Büste zu Ehren des Mannes, der als Vater des deutschen Wirtschaftswunders gewürdigt wird, ist verschwunden. Unter Erhards jüngstem Nachfolger Robert Habeck musste sie weichen.

Habeck verzichtet damit auf die in Bronze gegossene Erinnerung an eine Leitfigur der Bundesrepublik der Nachkriegszeit. Erhard gehört genauso wie der erste Kanzler Konrad Adenauer oder auch der spätere Architekt der Ostpolitik Willy Brandt zu den Politikern von historischem Rang für die Entwicklung Westdeutschlands nach Kriegsende. Die Geste erinnert an die Entscheidung von Habecks Parteikollegin, Außenministerin Annalena Baerbock, die das Bismarck-Zimmer an ihrem Amtssitz in Berlin in „Saal der deutschen Einheit“ umbenannt und damit auch die Erinnerung an eine historische Person der deutschen Geschichte in Frage gestellt hatte.

Allerdings gibt es im Fall von Wirtschaftsminister Robert Habeck einen Unterschied: Die Büste war eine Leihgabe von Herbert B. Schmidt, einem Mann, der ganz im Sinne Erhards, als liberal gesinnter Ökonom auftrat. Nach dem Fall der Mauer und des Eisernen Vorhangs hatte Schmidt seine große Zeit, und trug maßgeblich zur Privatisierung in den neuen Ländern und in den ehemaligen Ostblockstaaten bei, was ihm in Estland sogar einen hohen Orden einbrachte. Schmidt hatte länger gezögert, bevor er sich von der Büste trennte. Doch dann im Jahr 2007 war er zufrieden. „Er ist wieder zu Hause“, sagte der Leihgeber, als die Erhard-Büste damals ihren neuen Standort fand. Und er mahnte: „Möge Erhards täglicher Anblick seine Ausstrahlung auf die hier heute Tätigen nicht verfehlen.“

Jetzt hat es sich Schmidt, der inzwischen 92jährig in Süddeutschland lebt, jedoch offenbar anders überlegt. „Die Büste wurde kürzlich dem Eigentümer auf dessen Bitte zurückgegeben“, teilte Habeck auf Anfrage von „Markt und Mittelstand“ mit. Das Wirtschaftsmagazin erscheint in der Weimer Media Gruppe, die selbst als Ausrichter des prominenten Ludwig-Erhard-Gipfels jährlich an den ehemaligen Wirtschaftsminister und Kanzler erinnert. Ob Habeck versucht hat, den Leihgeber umzustimmen, kommentierte das Ministerium nicht, Schmidt selbst wollte auf Anfrage keine Stellungnahme abgeben, aus seinem Umfeld allerdings wird der Sachverhalt bestätigt.

Der Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung, der ehemalige hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch, hält den Abzug der Erhard-Büste von dieser zentralen Stelle der Republik für falsch. „Es wäre uns zwar lieber gewesen, dass Herr Habeck jeden Tag mit schlechtem Gewissen an der Büste von Ludwig Erhard hätte vorbeigehen müssen, aber auch wenn dies nun nicht mehr möglich ist, werden wir unsere ordnungspolitischen Vorstellungen zu einer Klimapolitik im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft weiter deutlich artikulieren“, lautet Kochs Kommentar.

Glos‘ unmittelbarer Nachfolge im Amt, der spätere SPD-Chef Sigmar Gabriel, war mit Erhard noch anders umgegangen. Er hatte die Leihgabe behalten dürfen, aber dem CDU-Vater des Wirtschaftswunders noch den SPD-Superwirtschaftsminister Karl Schiller als Büste an die Seite gestellt. Der immerhin steht auch unter Habeck noch.

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