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Das Bobbycar: Vom hässlichen Entlein zum Kultauto

Herkunft, Produktion und Entwicklung des Bobbycars in der Spielzeugindustrie: Das Bobbycar begeistert seit über 50 Jahren Kinder und Eltern gleichermaßen.

(Foto: Bobbycar Werksfoto)

Das Kunststoffgranulat läuft aus dem Silo über Rohre in die Produktionshalle und Maschinen. Dort wird die körnige Polyethylenmasse auf gut 300 Grad erhitzt und läuft als roter, flüssiger Plastikschlauch herab. Zwei Stahlformen pressen die schmelzheiße Masse zum Block, während von unten eine Metallkanüle Druckluft hineinbläst. Die so entstehende Form, die danach vom Band läuft, kennt hierzulande praktisch jedes Kind. Eine Maschine schleift noch schärfere Kanten rund, anschließend bringen Mitarbeiter Räder und Lenkrad sowie Aufkleber auf der ausgekühlten Karosserie an. Fertig ist das Bobbycar. 

Putzige Kulleraugen als Scheinwerfer

Den Prototyp entwickelte Ernst Albert Bettag Ende der 60er-Jahre gemeinsam mit Holzbildhauer Christian Bayer: einen roten, geschwungenen Flitzer mit putzigen Kulleraugen als Scheinwerfer und einem großen, weißen Lenkrad. Bettags Traum: Bewegungsfreiheit schon für Kleinkinder.

Der Elektroingenieur hatte 1954 die Metallwarenfabrik Jean Hoefler in Fürth vom Schwiegervater übernommen. Die Pressen für das Blechspielzeug verkaufte Bettag nach Indien und stellte auf Kunststofffertigung um. Das Unternehmen heißt seit 1962 BIG Spielwaren. 

1972 reiste Bettag nach Nürnberg, um sein rotes Rutschauto auf der Spielwarenmesse vorzustellen. „Der Verkauf lief anfangs ein bisschen schleppend an“, sagt der heutige BIG-Geschäftsführer Thomas Röttenbacher. Bettag selbst soll sein Bobbycar damals als „hässliches Entlein“ bezeichnet haben.

Dann wurden Kinderärzte darauf aufmerksam. Anders als beim damals verbreiteten Dreirad sei die Sitzposition und aktive Fortbewegungsart ideal, um eine gesunde Körperhaltung auszubilden, erklärten die Mediziner. „Das war ein schöner Anschub für das Bobbycar“, sagt Röttenbacher heute. 

Rosa mit Blümchen, türkisblau mit Einhorn

Seine Form hat das Bobbycar nach mehr als 50 Jahren praktisch nicht verändert. Längst gibt es das klassische rote Modell mit dem ikonischen Büffel vorne drauf in anderen Farben: rosa mit Blümchen, hell türkisblau mit Einhorn und Schmetterlingen, pink mit Lollies und Zuckerstangen oder blau mit Wal und anderen Meeres­tieren.

Dazu Anhänger und Gepäckkörbchen, eine Schubstange sowie Schutzschuhe – weil sonst aus jedem noch so stabilen Kinderschuh Sandalen werden. Auch ein Töpfchen mit Bobbycar-Lenkrad samt charakteristischer Hupe gibt es. 

100 Autos, die man fahren muss, bevor man stirbt

Auch die erste Seite des Buchs „100 Autos, die man fahren muss, bevor man stirbt“ widmet sich dem Bobbycar. Technische Daten: „Motor: 2-Bein-Strampelmotor, Hubraum: 0,8 Babyflasche, Leistung: ausreichend, Vmax: Eltern + 2 km/h“ – also immer schneller als die Eltern. Und natürlich hat auch die große Autowelt das kleine Gefährt entdeckt. „Wir arbeiten sehr eng mit Mercedes zusammen und haben gerade den AMG als Bobbycar nachempfunden“, sagt Röttenbacher. In der Regel sind solche Modelle im Autohandel erhältlich, nicht im Babyfach- oder Spielwarenhandel. „Wenn die Eltern ein neues Auto kaufen, kann das Kind das passende Bobbycar gleich dazu bekommen.“

Täglich rund 2000 Bobbycars

Manches Modell lizenziert und vertreibt BIG selbst, den VW Bulli etwa oder das Porsche-­Bobbycar. Auch mit Ferrari hat BIG schon zusammengearbeitet. 

Nach einem Brand zog die Spielwarenfabrik 1998 ins nordwestlich von Fürth gelegene Burghaslach. Dort stellen Mitarbeiter im Dreischichtbetrieb täglich rund 2000 Bobbycars her. Das größte vor dem Haus sieht man von der nahen Autobahn A3 aus. 

Nach dem Tod von Bobbycar-Erfinder Bettag kaufte Simba Dickie aus Fürth BIG. Der ebenfalls familiengeführte Spielwarenhersteller wollte die Abhängigkeit von Asien verringern. Anders als BIG hatte Simba Dickie die Nachfolge sorgfältig geregelt. 2021 übernahm Sohn Florian Sieber die Geschäfte – und wurde zum ikonischen Autohersteller.

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