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Zukunftsmärkte > Interview mit Wolfgang Reitzle

"Das Böse schlechthin"

Er war mal "Mister BMW", hat Linde saniert und kämpft bei Continental gegen die Krise des Automobilzulieferers: Wolfgang Reitzle kennt die deutsche Industrie wie kein zweiter. Im Gespräch kritisiert er die Klimapolitik in Deutschland.

Markt und Mittelstand: Das Klimaschutzgesetz wird noch einmal nachgebessert, nachdem das Verfassungsgericht Kritik übte. Was halten Sie davon?

Wolfgang Reitzle:Die Energiewende war von Anfang an nicht sauber durchdacht und ist im Hauruck-Verfahren damals nach Fukushima und vor einem Wahlkampf in Baden-Württemberg beschlossen worden. Man sieht die Auswirkungen heute sehr deutlich: Wir haben als Konsequenz aus einer verkorksten Energiewende den teuersten und schmutzigsten Strom überhaupt, der zudem ungeeignet ist für die Elektromobilität. Aktuell ist man dabei, diesen Schnellschuss zu wiederholen und das Klimaschutzgesetz weiter zu verschärfen. Das passiert, ohne das zu durchdenken und ohne sich die Zeit zu nehmen, es gesamthaft zu bewerten und in allen Facetten und Auswirkungen auf Bevölkerung, Industrie und Wohlstand abzuklären. Ich frage mich: Wie kann man so etwas in weniger als vierzehn Tagen verabschieden, zumal das Bundesverfassungsgericht es gar nicht gefordert hat. Dort wollte man eine Lösung bis Ende des nächsten Jahres und sich in Ruhe damit beschäftigen. Wir machen also den Fehler der Energiewende nochmals – nur stärker.

Wie kann das Ihrer Meinung nach passieren?

Das hat mit der Bundestagswahl und den Grünen zu tun, die derzeit den Aufschwung verspüren. Und tatsächlich sitzen sie mit ihrem Klima auf einem Jahrhundertthema. Aber sie machen das meiner Meinung nach mit dem falschen Ansatz: mit Planwirtschaft, Verboten, mit Vorgaben, wie wir zu leben haben, statt dass sie technologieoffen herangehen. Man sollte es der Wirtschaft und den Ingenieuren überlassen, wie wir die Klimaziele erreichen. Was da jetzt aber abläuft, ist im Grunde fast schon ein Irrsinn. Man unterwirft alles – das ganze Leben der Menschen – nur einem Thema: Klima. Ich bin auch für Klimaschutz, aber nicht mit Plan-, sondern mit Marktwirtschaft.

Das wird sich unter einer grünen Regierung in Deutschland im September nicht ändern.

Ja, das kann man sich vorstellen. Und die Hast dieses Gesetzes, das wir noch massiv bereuen werden, weil das so gar nicht umsetzbar sein wird – und weil die Leute, die es beschlossen haben, gar nicht wissen, was sie dort beschlossen haben – ist natürlich im Licht der Bundestagswahl geschehen, weil jetzt jeder versucht, sich einen grünen Anstrich zu geben und damit besser abzuschneiden. Aber es ist tragisch, wenn solche kurzfristigen politischen Motive dazu führen, dass ein ganzes Land unnötigerweise massive Wohlstandsverluste erleidet. Für mich ist das nicht nachvollziehbar und in der Wirtschaft undenkbar.

Vor Jahren wurde der Diesel gehypt, jetzt ist er der böse Bube, warum?

Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Der Verbrennungsmotor scheint der Feind der Grünen zu sein, und da geht es gar nicht mehr um das Klima. Wir könnten an synthetischen Kraftstoffen forschen, also Kraftstoffen, die beim Verbrennen kein CO2 ausscheiden. So könnte man alle 1,4 Milliarden Fahrzeuge, die in der Welt unterwegs mit Verbrennungsmotor sind, mit solchen Kraftstoffen schlagartig CO2 frei machen. Das geht aber nicht mit einer Elektromobilität, die jetzt für neue Fahrzeuge erzwungen wird. Wir sind so eng in der Betrachtung und vereinfachen komplexe Themen – und das machen die Grüne sehr gerne in schwarz und weiß, in Gut und Böse. Der Dieselmotor scheint böse zu sein. Es wäre aus meiner Sicht wunderbar, wenn die Diesel- oder Benzinmotoren mit einem CO-2 freien Kraftstoff laufen würden. Für die Grünen hingegen scheint das schlecht zu sein. Sie wollen das Thema synthetische Kraftstoffe einfach nicht angehen, weil dann der Verbrenner ja erhalten bliebe. Und die berechtigte Frage meinerseits wäre: Geht es ihnen um das Klima oder ist der Verbrennungsmotor das Böse schlechthin? Für mich hat diese Diskussion mit Rationalität und Fakten nicht mehr viel zu tun. Vielmehr frage ich mich im Umkehrschluss: Haben die Grünen vielleicht über die Klimapolitik vor, uns Bürgern genau vorzuschreiben, was wir zu tun haben und die von ihnen ausgewählte Technologie ist alternativlos?

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