Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Zukunftsmärkte > Stahl- und Metallindustrie

Deckel drauf

Die Stahl- und Metallindustrie fordert, den Preis für aus Gas gewonnenen Strom zu deckeln. Einige Versorger verdienen daran aber gerade prächtig. Jetzt gehen die Industriekunden auf die Barrikaden.

Kohlekraftwerke liefern deutlich günstiger produzierten Strom: Zum Tarif aus teurem Erdgas. Bild: Shutterstock

Teures Gas treibt auch die Kosten für Strom in die Höhe – und das meist nicht zu Recht, da der Strom immer weniger aus Gaskraftwerken stammt. Darüber beschwert sich der Wirtschaftsverband der Stahl- und Metallindustrie (WSM), der zahlreich Unternehmen mit besonders hohem Energiebedarf in seinen Reihen weiß. Die Koppelung an den Brennstoff Gas beschere den Versorgern zusätzliche Gewinne, die mit anderen Energieträgern Elektrizität produzieren. „Der Staat muss diese Windfall-Profite stoppen, indem er den Preis für verstromtes Gas deckelt. Die EU-Kommission hat ihm die Möglichkeit gegeben – er muss sie nun nutzen. Und zwar, bevor die Industrie ihre Stromverträge verlängern muss“, fordert WSM-Hauptgeschäftsführer Christian Vietmeyer.

Die Versorger nutzen das so genannte „Merit-Order-Preisbildungsmodell“. Das bedeutet: Sobald ein Erdgaskraftwerk zum Einsatz kommt, gilt dessen Preis für alle Anlagen eines Versorgers. Auch die derzeit deutlich günstiger produzierenden Kraftwerke – etwa die, die mit Kohle arbeiten - liefern dann den Strom zum Tarif aus teurem Erdgas. Und das passiert oft: „Trotz verstärkter Kohle-Verstromung bleiben Gaskraftwerke systemrelevant und werden weiter für extreme Energiekosten sorgen“, erklärt Vietmeyer. Die EU-Kommission habe sich dafür ausgesprochen, den Preis für mit Erdgas produzierten Strom zu begrenzen. „Worauf wartet die Bundesregierung noch? Unsere mittelständischen Mitglieder können nicht nachvollziehen, dass sie KfW-Kredite aufnehmen sollen, um die Windfall-Profite der Stromindustrie zu finanzieren“, heißt es in einem Positionspapier des Verbands.

Anderswo geht es anders. Die Regierung in Madrid hat bereits im Mai die Kosten für Gas gedeckelt, mit dem Strom erzeugt wird. Die Stromrechnungen für Verbraucher und Unternehmen die einen regulierten Stromtarif haben sollen so fast 40 Prozent niedriger ausfallen. Auch Portugal hat in Absprache mit der EU-Kommission den Deckel auf die Preise gesetzt. Die Regelungen gelten vorerst für ein Jahr. Diese Eingriffsmöglichkeit soll nach Ansicht der deutschen Strom-Großkunden auch die Bundesregierung nutzen. Die Stahl- und Metallindustrie fordert die Bundesregierung auf, den von Brüssel vorgezeichneten Weg zügig umzusetzen, denn viele mittelständische Industrieunternehmen stehen vor der Verlängerung ihrer Stromverträge.

Der Ukraine-Konflikt hat den Preisauftrieb auch bei Strom ordentlich angefacht. Bereits jetzt liegt der Strompreis – trotz entfallender EEG-Zulage – um gut 20 Prozent höher als 2021. Im kommenden Jahr werden sich Tarife noch einmal verdoppeln. In dieser dramatischen Lage fehlt den Stromgroßkunden jedes Verständnis dafür, dass sich die Versorger „dank eines überholten Preisbildungssystems die Taschen füllen.“ Bereits im vergangenen Jahr lagen die durchschnittlichen Grenzkosten des teuersten Gaskraftwerkes bei 226 Euro pro Megawattstunde. Bei anderen Kraftwerken waren es jedoch nur 17 bis 145 Euro. Die Differenz sind Gewinne. „Das muss aufhören – deshalb brauchen wir die staatliche Bremse“, unterstreicht Christian Vietmeyer.

Bisher wird in Deutschland jedoch lediglich an eine Entlastung der Haushalte gedacht. So sollen nach den Plänen der Ampelkoalition die Arbeitnehmer im September ein Energiebonus von 300 Euro brutto ausbezahlt bekommen. Dabei verfährt der Staat allerdings nach dem Verfahren „rechte Tasche – linke Tasche“: So bleiben von der Einmalzahlung gerade einmal 193 Euro übrig, die aufs Konto tatsächlich nach Steuern überwiesen werden. Voraussetzung für die 193 Euro netto der Energiepauschale ist ein durchschnittliches Bruttojahresgehalt für Vollzeitbeschäftigte von 54.304 Euro.

Im Nachbarland Österreich hat die Debatte inzwischen landesweit an Fahrt aufgenommen. Allerdings verweist Finanzminister Magnus Brunner darauf, dass solche Preisdeckel nur auf europäischer Ebene Sinn machen würden. Gleichzeitig forderte er mehr Tempo beim gemeinsamen Gaseinkauf: „Hier muss die EU-Kommission vom Reden endlich ins Tun kommen." Die Regierung in Wien spricht sich dafür aus, Energie EU-weit zu subventionieren. Doch in Brüssel besteht noch kein Konsens über eine Obergrenze für Energiepreise, den die EU-Kommission angeregt hat. Es sei „eines der möglichen Instrumente ist, die wir diskutieren“, so EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni.

auk

Ähnliche Artikel