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Deichmanns Siebenmeilenstiefel: Wie der Schuhgigant trotz Krise wächst

Deichmann trotzt der Krise, expandiert weltweit und setzt auf Digitalisierung. Wie der Schuhriese zum Global Player wurde – und wo er jetzt angreift.

Schlichte Schönheit: Heinrich Deichmann hat den gleichnamigen Schuhhändler zu einem internationalen Konzern ausgebaut. (Foto: Deichmann)

Von Borbeck aus hat das Familienunternehmen Deichmann die Schuhwelt erobert. Der Konzern verkauft weltweit und wächst – allen Widrigkeiten zum Trotz.

Von Andreas Kempf

Deichmanns Erfolgsgeheimnis: Vom Familienbetrieb zum Schuh-Imperium

Der Anspruch ist groß: Kunden, die zum Schuhhändler Deichmann wollen, sollten das binnen 20 Minuten schaffen. Für 90 Prozent der Bundesbürger sei dies bereits der Fall, stellt das Unternehmen zufrieden fest. Zudem ist der Konzern schon seit Jahren auch online präsent, was Deichmann während der Corona-Pandemie einen kräftigen Umsatzschub beschert hat. Die Verbraucher sollen bei der Kette Schuhe zu sehr günstigen Preisen finden. „Wir wollen, dass Ihr für 19,99 Euro ausseht wie für 999 Euro", heißt es in einer Werbekampagne. Der Essener Konzern lässt sich deshalb gern als „Aldi für Schuhe" bezeichnen. Deichmann verkauft zu 70 Prozent Eigenmarken wie Graceland oder Catwalk, für die das Unternehmen größtenteils in Asien produzieren lässt. Aber auch bekannte Marken wie Adidas, Crocs, Dockers, Esprit, Nike, Puma, Rieker sowie die Kinderschuhe von „Elefant" sind im Angebot.

In den vergangenen Jahren lief es. Deichmann beweist, dass Handel auch in schweren Zeiten funktioniert. In der Liste der Top 100 Mittelständler ist das Familienunternehmen vom ohnehin schon guten Platz 21 auf Platz 16 gestiegen, 2023 lag das Unternehmen noch auf Platz 28. Und der Konzern will wachsen, nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. 370 Millionen Euro will Deichmann in Ausbau und Modernisierung seiner Geschäfte sowie in die weitere Digitalisierung stecken. Zu Details will sich das Unternehmen erst im Frühjahr äußern. „Wir wollen vorangehen und einen Beitrag dazu leisten, das Leben für Menschen da besser zu machen, wo wir darauf positiv Einfluss nehmen können. Wir möchten Spuren hinterlassen, die Menschen Orientierung geben können", beschreibt Heinrich Deichmann eines der Ziele des Unternehmens. Der 62-jährige Enkel des Firmengründers ist seit 1989 im Unternehmen, 1999 wurde er Vorsitzender der Geschäftsführung. Heute steht er dem Verwaltungsrat vor.

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Expansionsgebiet Deutschland

Im Heimatland setzte Deichmann 2023 mit 1400 Filialen und 17.000 Beschäftigten rund 2,8 Milliarden Euro um – insgesamt waren es im Konzern 8,7 Milliarden Euro. Neuere Zahlen liegen noch nicht vor. Trotz der breiten Präsenz hat der Essener Filiallist immer noch ganz Deutschland als „Expansionsgebiet" ausgewiesen. Gesucht würden Flächen in einem Einzugsgebiet mit mindestens 20.000 Einwohnern ab 500 Quadratmetern, teilt das Unternehmen mit. Diese Wünsche erstaunen, denn zuletzt hat die Schuhbranche vor allem mit spektakulären Pleiten wie Salamander, Reno, Görtz oder Esprit von sich reden gemacht. Nach Zahlen des Branchenverbands BTE verabschiedete sich 2023 mehr als jedes zehnte Schuhgeschäft in Deutschland. Zwischen 2006 und 2022 habe sich die Zahl der Unternehmen halbiert. Der BTE schätzte Ende vergangenen Jahres den Bestand auf 8750 Schuhgeschäfte. Erst im Januar musste Görtz erneut Insolvenz anmelden und auch für das schwedische Sneakerstuff ist Schluss. Deichmann bedient das modische „Turnschuhsegment" mit der Kette Snipes, die zuletzt 1,8 Milliarden Euro Umsatz auswies.

Das Unternehmen wächst allerdings vor allem im Ausland. Gut zwei Drittel des ­Umsatzes erwirtschaftet Europas größter Schuhhändler außerhalb Deutschlands – Tendenz steigend. Zuletzt konnten vor allem die Töchter in Italien, Polen, der Schweiz und Großbritannien zulegen. Die Essener sind derzeit in 34 Ländern Europas sowie in den USA und Kanada aktiv und beschäftigen inzwischen insgesamt 49.000 Mitarbeiter in 4700 Filialen. Nicht immer geht es weiter: Aus Russland hat sich Deichmann nach dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine zurückgezogen. Wachsen will Deichmann vor allem im Nahen Osten und in Afrika. Hierzu bauen die Essener die Kooperation mit dem Franchise-Partner Azadea aus. „Grundsätzlich ist der Nahe Osten eine relativ junge Region mit großem Potenzial, die auch für westliche Unternehmen interessant ist und durchaus Chancen bietet", sagt Deichmann.

In Deutschland sind die Verbraucher allerdings nicht positiv gestimmt. Das vergangene Jahr habe der Umsatz stagniert, analysiert BTE-Präsident Mark Rauschen. Noch immer sei die Branche weit vom Umsatz 2019 entfernt. Aktuell schätzen 41 Prozent der Schuhhändler ihre Lage nach Angaben des Verbands als schlecht ein. Offenbar hat die Rezession der Kauflaune der Verbraucher erheblich zugesetzt. So klagt der Zentralverband des Deutschen Handels (HDE), dass 2024 eine Sparquote von 11,6 Prozent erreicht wurde. Mehr als 42 Milliarden Euro hätten die Bürger auf die hohe Kante gelegt. Und wer spart, kauft weniger oder gar nicht ein. Bei Deichmann wird man mit Genugtuung verfolgen, dass sich der HDE für eine Belebung der Innenstädte starkmacht. Die Zentren müssten wieder sauberer, sicherer und mit mehr Ladeninfrastruktur ausgestattet werden.

Aus für Verlustgeschäft

Dass sich die Verbraucher zurückhalten, trifft auch Riesen wie Deichmann. So haben die Essener 2024 die Tochter Onygo mit 28 Filialen und 280 Beschäftigten geschlossen, die höherpreisige Schuhe für Frauen im Sortiment hatte. Es sei „unternehmerische Pflicht, im Zweifelsfall auch defizitäre Geschäftsmodelle einzustellen, um uns auf profitable Wachstumsmöglichkeiten zu fokussieren", heißt es bei Deichmann. Auch die Kette My-Shoes wurde im vergangenen Jahr „aufgrund langjähriger und mittlerweile erheblicher Verluste" eingestellt, die 90 Filialen in Deutschland und Österreich geschlossen. Corona-Pandemie, Ukraine-Krieg, der Nahostkonflikt sowie Inflation und gestiegene Kosten seien negative Einflussfaktoren, „die besonders Modekonzepte im mittleren Preissegment treffen, in dem sich auch unser Tochterunternehmen My-Shoes bewegt."

Wo sich eine Gelegenheit bietet, nutzen die Essener allerdings auch die Krise der anderen. So hat Deichmann im Herbst die Markenrechte der insolventen Modekette Esprit übernommen. Medienberichten zufolge soll das Geschäft einen zweistelligen Millionenbetrag gekostet haben. Deichmann verkauft schon seit fünf Jahren Esprit-Schuhe in seinen Filialen, zahlte bisher Lizenzgebühren. Die Markenrechte an der Kleidung wollen die Essener dagegen nicht selbst nutzen, sondern an ein drittes Unternehmen abgeben: Theia Brands. Das bisher recht unbekannte Unternehmen hat sich nach eigenen Angaben darauf spezialisiert, Bekleidungsmarken neu zu erfinden und wiederzubeleben. Ob es wieder Esprit-Kleidung geben wird, ist also noch offen.

Von der Schuhreparatur zum Schuhimperium

Die Deichmann-Geschichte beginnt mit der „Schuhreparatur Elektra". So heißt der Laden, den Heinrich Deichmann 1913 im Alter von 25 Jahren in Borbeck eröffnet. Die Gemeinde wird zwei Jahre später zur Stadt Essen eingemeindet. Hauptkunden sind Bergleute, die für kleines Geld eine Reparatur benötigen. Erst nach dem Ersten Weltkrieg stellt Deichmann mit seinen Schuhmachern die ersten eigenen robusten Produkte für die Kumpel her. Das Sortiment erweitert er mit günstigen Neuwaren aus Schuhfabriken. 1936 eröffnet Deichmann dann am Borbecker Markt das erste große Schuhgeschäft.

Der Gründer stirbt 1940. Ehefrau Julie und Sohn Heinz-Horst versuchen nach dem Zweiten Weltkrieg einen Neustart. So lassen sie 50.000 Paar Schuhe aus Pappelholz und Fallschirmgurten produzieren. Zudem organisieren Sie eine Tauschbörse für gebrauchte Schuhe. Die Deichmanns haben so schnell eine Kartei mit 5000 Kundennamen. 1949 eröffnen sie in Düsseldorf ein zweites Geschäft. In der Stadt studiert der 23-jährige Heinz-Horst parallel Theologie und Medizin. Er arbeitet bis 1956 als Arzt, zahlt dann seine vier Schwestern aus und übernimmt die Leitung des Schuhhandels. Deichmann sucht nach neuen Wegen des Marketings und führt unter anderem sogenannte Vorwahlständer ein, auf denen eine Schuhauswahl steht, und zeigt auch Waren in der Einkaufspassage. Diese Art der Präsentation entdeckte er in der Londoner Oxford Street.

Das Unternehmen zählt 1963 bereits 16 Filialen an Rhein und Ruhr. Zehn Jahre später übernimmt der Essener Händler die Schweizer Kette Dosenbach und beginnt die internationale Expansion. Aber auch im Inland wächst Deichmann und eröffnet in Würzburg 1975 die 100., fünf Jahre später in Hannover die 200. Filiale. Mit Übernahme der Schuhkette Lerner Shoes expandiert Deichmann 1984 in den USA. Die Kette wird in „Rack Room Shoes" umbenannt. Der Name deutet auf ein Regalsystem, in dem das Schuhpaar im Karton im Verkaufsraum liegt. Dieses System führt Deichmann später als Erster auch in Europa ein.

Im 75. Jahr des Bestehens zählt Deichmann 400 Filialen in Deutschland. Im bayerischen Feuchtwangen entsteht 1988 ein zweites Distributionszentrum. Mit der Übernahme der bis dahin ebenfalls inhabergeführten Handelskette Roland kommt ein neuer Name unter das Dach der Firmengruppe. Das Unternehmen, das sich ursprünglich als Herrenschuhanbieter einen Namen gemacht hatte, wird Schritt für Schritt zu einem Vollsortimenter mit modernen Läden in deutschen Großstädten ausgebaut.

Wachsen, wachsen, wachsen

Zur Jahrtausendwende startet Deichmann mit dem ersten Onlineshop, kann sich in der Folge auch gegen dynamische Start-ups wie Zalando behaupten, die ebenfalls mit Schuhen gestartet sind. Inzwischen betreibt der Deichmann 41 verschiedene Verkaufsportale. Der Absatz übers Internet wächst immer noch und setzt den stationären Handel zunehmend unter Druck. „Obwohl auch hier die Kaufzurückhaltung zu spüren ist, wird dieser Vertriebskanal weiter wachsen und sich in den nächsten Jahren der 40-Prozent-Marke nähern", sagt Peter Frank, Experte der BBE-Handelsberatung.

Deichmann hat zuletzt 184 Millionen Schuhe verkauft. „Wir wollen, dass sich jeder Mensch gute Schuhe leisten kann. Diesen Antrieb hatten bereits mein Großvater und mein Vater", unterstreicht Firmenpatriarch Heinrich Deichmann. „Zur Firmengeschichte gehört das Wachstum aus eigener Kraft, ohne Börsengang und Kredite", heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Die zuletzt ausgewiesene Eigenkapitalquote beträgt 60 Prozent. Bis heute ist das Unternehmen ganz in der Hand der Familie. Aktuell erweitert der Konzern mit dem Deichmann-Campus die Firmenzentrale in Essen, wo rund 1700 Mitarbeiter untergebracht sind. „Der Neubau an unserem Campus ist Ausdruck der positiven Entwicklung unseres Unternehmens in den vergangenen Jahrzehnten und eine Investition in die Zukunft unserer Unternehmensgruppe", sagt Heinrich Deichmann. Der Konzern wolle Arbeitswelten mit hoher Aufenthaltsqualität bieten. Das Miteinander und der Austausch stünden hier im Vordergrund. „Dies alles steht für unsere Internationalität und die Art unserer Zusammenarbeit."

Dass viele der größten deutschen Familienunternehmen nicht in Großstädten ansässig sind, ist so bekannt wie bemerkenswert. Manch Ort ist vielen Menschen nur wegen des Weltmarktführers dort bekannt, Künzelsau zum Beispiel. Oder kennen Sie Blomberg, Spelle, Rehau? Aber es gibt auch Verschiebungen, und manche Aspekte der Verteilung der Standorte von Deutschlands 100 wichtigsten Mittelständlern verdienen auch aus aktuellen Gründen ein besonderes Augenmerk. Auf der Deutschlandkarte zeigt sich, dass die Zentralen der besten Mittelständler nicht gleichmäßig verteilt sind. In einigen Gegenden scheint der eine Betrieb den anderen geradezu angezogen zu haben. Was vor allem auffällt: Deutschland ist auf der Karte der 100 Besten noch immer geteilt in den Westen und den Osten.

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