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Zukunftsmärkte > Entlastungspaket

„Der Bundeshaushalt ist keine Schatztruhe“

Michael Kellner ist Robert Habecks „Mr. Mittelstand“. Der Staatssekretär im Wirtschaftsministerium warnt vor zu hohen Erwartungen an Hilfen für Firmen.

Michael Kellner warnt vor zu hohen Erwartungen an Hilfen für Firmen© picture alliance / photothek | Thomas Trutschel

Der Mittelstandsbeauftragte der Regierung – er lässt sich anschreiben: „Guten Tag, Herr Kellner, wenn sie den Mittelstand anrufen wollen, welche Nummer wählen sie dann?“ „Dann lade ich zu einer großen Konferenz, weil der Mittelstand über ganz Deutschland verteilt ist, was unser Land ungemein bereichert. Die Erfahrungen der vielen Mittelständlerinnen und Mittelständler sind so unterschiedlich, das kann nicht eine Person allein artikulieren“ lautet die Antwort.

Michael Kellner ist Robert Habecks Staatssekretär für den Mittelstand. „Habecks Mastermind“ nennen sie den gebürtigen Geraer manchmal bei den Grünen. Der 45-jährige „baumlange Kerl“, wie man im Norden sagt, ist einer von denen, denen die Partei ihren Wiederaufstieg an die Macht verdankt. Er hatte im Wahlkampf die Idee der hauseigenen PR-Agentur in der Grünen-Zentrale durchgesetzt, er baute die Bühne, auf der das grüne Chefduo Robert Habeck und Annalena Baerbock am Ende zwar nicht die Kanzlerschaft, aber immerhin die Rolle des Juniorpartners der SPD in der neuen Bundesregierung errang. Es war sein Meisterstück, dem ein langer Anlauf vorausgegangen war. Der ehemalige Büroleiter von Claudia Roth wirkte dabei wie ein Transformator: Behutsam veränderte er das Bild der Grünen nach dem Abtritt der alten Garde um Joschka Fischer von einer Spießerpartei zur Avantgarde.

Lob der Familienunternehmen

Was ist für Sie Mittelstand, Herr Kellner? „Ich spreche sehr viel mit kleinen und mittelgroßen Unternehmen, die mich oft dadurch beeindrucken, mit welch klugem Verantwortungsbewusstsein sie schwierige Entscheidungen treffen und Sachen auf die Beine stellen“, sagt er. Und teilt dann eine Einsicht, mit der er die Herzen seiner Schutzbefohlenen erobert: „Sie sind ganz unmittelbar für die wirtschaftliche Existenz ihrer Beschäftigten und deren Familien verantwortlich, was sehr bereichernd sein kann. Aber einige lassen erkennen, wie schwer sie in Krisenzeiten daran tragen.“

Auch Kellner kennt Krise. Als Annalena Baerbock im Wahlkampf über Plagiatsvorwürfe stolperte, stellte er sich zunächst schützend vor die Kandidatin und spielte die Sache herunter. Als er merkte, dass das nicht half, änderte er die Taktik und gab Fehler zu. Die Partei, die kurz ins Straucheln geraten war, fing sich rechtzeitig. Widerstandsfähigkeit ist ein Wert, den Kellner schätzt, und zwar nicht erst, seitdem sie in der Außenpolitik unter Kriegsbedingungen zum Standard­repertoire gehört.

„Unsere mittelständische Wirtschaftsstruktur hat sich bisher stets als widerstandsfähig erwiesen“, stellt er fest. Als Mittelstandsbeauftragter gelte seine Sorge der „Anpassungsfähigkeit der Unternehmen unter den Bedingungen vermutlich dauerhaft höherer Energiepreise und den Anforderungen der Transformation“, fügt er hinzu. Damit räumt er ein, dass niemand im Hause Habeck daran glaubt, dass Zeiten, wie sie vor Pandemie und Krieg herrschten, jemals wieder zurück­kommen.

Erst einmal Feuerwehrmann

Deswegen ist seine Aufgabe jetzt eher die eines Feuerwehrmanns. Dort, wo die Flammen hochschlagen, muss er löschen – mit Krediten, Bürgschaften, Zuwendungen. Die Liste der Hilfen sei sehr lang, sagt Kellner. Und: „Vermutlich wird sie noch länger werden.“ Aber er warnt: „Der Bundeshaushalt ist ja keine Schatztruhe, die freigiebig geöffnet werden könnte. Letztlich ist immer nur eine Priorisierung innerhalb eines beschränkten Budgets möglich, wie der Ökonom sagen würde. Deshalb kann ich sagen: Wir tun, was notwendig und möglich ist.“

Wie bei so vielen Themen verschiebt die Krise gerade die Prioritäten. Denn der Mittelstandsbeauftragte war vor allem angetreten, um den Klimaschutz in den Unternehmen voranzubringen. Ein „Kick-off-Treffen“ mit Verbänden und Unternehmen gab es dazu bereits, ein „Aktionsplan“ wird jetzt erarbeitet, im Herbst will Kellner ihn vorstellen. Mehr Klimaschutz – bedeutet das mehr Bürokratie für die Unternehmen? Bürokratie, die Unternehmer schon jetzt zu Wutanfällen reizen kann wie ein rotes Tuch den Stier? „Die Kunst besteht nicht darin, die Bürokratie einfach abzuschaffen, sondern sie effizienter und effektiver zu gestalten“, stellt Kellner klar. „Wir ­bringen bei uns im Haus Wirtschaftspolitik und Klimaschutz zusammen, das braucht klare Regeln.“ Dennoch will er „mehr Bürokratie“ so nicht stehen lassen und spricht stattdessen von „besserer Rechts­setzung“.

Klar ist, Kellner wird den Klimaschutz im ­Mittelstand vorantreiben, weil er ein Hartnäckiger ist. Er lässt von Vorhaben nicht ab. Kurz nach der halb gewonnenen Wahl und vor dem Kriegsausbruch in der Ukraine hatte er das bei einem anderen Thema im Gespräch mit dem „Spiegel“ schon mal deutlich gemacht: „Der Traum vom Kanzleramt“, sagte er da, „ist nicht ausgeträumt.“ 

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