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Zukunftsmärkte > Unternehmerportrait

Der das Coronavirus kaltmacht

Die Firma Binder produziert im Schwarzwald Klimaschränke, die im Kampf gegen das Coronavirus eine wichtige Rolle spielen. Doch auch in vielen anderen Bereichen kommen die Produkte zum Einsatz. Das Portrait eines Unternehmers, der sich seit fast 40 Jahren seiner Firma widmet.

Bei der fieberhaften Suche nach einem Impfstoff gegen das Coronavirus spielt auch ein Mittelständler aus dem Schwabenland eine entscheidende Rolle: das Familienunternehmen Binder. Sowohl der Biopharmahersteller Curevac, der in die Schlagzeilen geriet, weil US-Präsident Donald Trump ihn für die Impfstoffentwicklung aufkaufen wollte, als auch die Berliner Charité rund um den Virologen Christian Drosten setzen auf die Umweltsimulationsschränke aus dem baden-württembergischen Tuttlingen. Denn mit den Ultratiefkühlschränken von Binder können die Coronaviren konserviert werden. In den CO2-Inkubatoren lassen sich Zellen vermehren, die dann dem Virus ausgesetzt und weiter vermehrt werden, was für die Entwicklung eines Impfstoffes wichtig ist. Auch der erste synthetische Klon des Covid-19-Virus, den ein Schweizer Virologe erstellte, lagert in einem Ultratiefkühlschrank von Binder, der durch ein elektronisches Hochsicherheitsschloss geschützt ist. „Es macht mich stolz, dass unsere Produkte zur Entwicklung eines Impfstoffes beitragen“, sagt Peter Michael Binder, geschäftsführender Gesellschafter und Firmengründer des 400-Mitarbeiter-Betriebs.

Auch in Krankenhäusern kommen die Tuttlinger Schränke zum Einsatz. Da es immer noch nicht genügend Atemschutzmasken gibt, setzen Kliniken darauf, getragene Mund- und Nasenschutze zu reinigen und wiederzuverwenden. Dazu werden die Masken in den Wärmeschränken von Binder für eine halbe Stunde auf 60 bis 75 Grad erhitzt. Das tötet Erreger wie Viren und Bakterien ab.

Doch auch wenn die Hightechprodukte aus dem Schwarzwald in der aktuellen Pandemie gefragt sind, sieht sich das Unternehmen nicht als unmittelbarer Gewinner der Krise. „Unsere Produkte sind Investitionsgüter“, sagt Binder, „in unsicheren Zeiten halten sich unsere Kunden aber mit großen Investitionen zurück. Daher ist der Absatz in bestimmten Bereichen zuletzt leicht zurückgegangen. Wir profitieren in der Krise eher von der öffentlichen Aufmerksamkeit als von steigenden Umsätzen.“ Langfristig, so hofft der Unternehmer, könnte die neue Bekanntheit aber zu einem deutlich höheren Absatz und damit mehr Umsatz führen.

International gefragt

Dennoch steht das Unternehmen derzeit besser da als viele andere. Bislang wurde weder Kurzarbeit angemeldet noch mussten Mitarbeiter entlassen werden. Die Umsätze liegen in etwa auf Vorjahresniveau, als der Mittelständler rund 74 Millionen Euro erwirtschaftete. Diese Stabilität führt der Firmeninhaber auf seine Strategie der Diversifizierung zurück. „Unsere Exportquote liegt bei 80 Prozent. Wir exportieren in über 100 Länder auf der ganzen Welt und beliefern zahlreiche Branchen wie die Lebensmittel-, Elektro- und Kosmetikindustrie“, erläutert der Firmenchef.

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Dieser Artikel stammt aus der Juniausgabe von „Markt und Mittelstand“, die am Freitag, den 5. Juni, erschienen ist. Sie wollen die komplette Ausgabe lesen? Dann registrieren Sie sich hier kostenlos für ein E-Paper der Ausgabe.

Die Schränke des Unternehmens werden unter anderem dazu eingesetzt, die Mindesthaltbarkeit von Lebensmitteln zu bestimmen oder Klebstoffe für die Elektroindustrie auszuhärten. Ein wichtiges Feld für das Unternehmen ist auch die Elektromobilität. Die Batterien für die Autos können in Schränken von Binder auf Standfestigkeit und Haltbarkeit getestet werden. Auch bei der Entwicklung von im Reagenzglas künstlich hergestelltem Fleisch sind die Simulationsschränke von Binder im Einsatz. Auf die Innovationskraft seiner Firma ist der Unternehmer stolz. Etwa zehn Prozent der 400 Mitarbeiter arbeiten bei Binder in der Forschung und Entwicklung. „Das kostet natürlich einiges an Geld, aber ohne nachhaltige Innovationen kann ein hochspezialisiertes Nischenunternehmen wie wir nicht weltweit erfolgreich sein“, sagt Binder.

Die Anfänge

Etwa 50 Patente hat das Unternehmen derzeit angemeldet. „Meine eigenen sind inzwischen leider ausgelaufen“, sagt Binder schmunzelnd, der gelernter Elektrotechniker ist und die Firma 1983 gründete. Im Vergleich zur Anfangsphase hat sich sein Arbeitsalltag als Geschäftsführer mittlerweile stark verändert. „Damals habe ich noch viel selbst getüftelt“, erinnert sich der 66-Jährige, „jetzt bin ich eher in die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens eingebunden.“ So kümmert sich der Geschäftsführer unter anderem darum, neue Absatzmärkte für die Firma zu erschließen. Den Einblick in die eigene Produktion will er trotzdem behalten. Darum läuft er täglich durch die Produktionshallen und schaut sich den aktuellen Stand an. Die Touren haben noch einen weiteren Vorteil: So kommt der Firmeninhaber regelmäßig mit vielen verschiedenen Mitarbeitern ins Gespräch. „Mir ist es sehr wichtig, einen engen Kontakt zu unserer Belegschaft zu pflegen“, sagt Binder. „So merke ich schnell, falls irgendwo der Schuh drückt“.

Bereits Binders Vater Wilhelm war Unternehmer und gründete in Tuttlingen Anfang des 20. Jahrhunderts ein Medizintechnikunternehmen. Als er starb, war Peter Michael Binder fünf Jahre alt. Mutter Marianne übernahm daraufhin die Geschäfte. Nach dem Studium entschied sich der Sohn jedoch dafür, das elterliche Unternehmen nicht zu übernehmen. Stattdessen überzeugte er seine Mutter davon, es Anfang der achtziger Jahre an eine Firma aus Pakistan zu verkaufen: „Der Betrieb meiner Eltern hatte in Deutschland leider keine Zukunft, weil das Technologieniveau zu niedrig und die Produktionskosten zu hoch waren“, erklärt er. Mit dem Erlös finanzierte er die Gründung seines eigenen Unternehmens.

Binder GmbH

 

  • Umsatz: 74 Millionen Euro
  • Mitarbeiterzahl: 400
  • Exportanteil: 80 Prozent
  • Firmensitz: Tuttlingen im Schwarzwald

Dessen Nachfolge ist geregelt. Binders Stiefsohn Michael Pfaff ist bereits Mitglied der vierköpfigen Geschäftsführung und kümmert sich um den Vertrieb. In einigen Jahren soll er dann die Gesamtverantwortung für das Unternehmen übernehmen. „Er übernimmt bereits jetzt viel Verantwortung in der Firma und macht das auch sehr gut“, sagt Peter Michael Binder. „Ich mache mir daher gar keine Sorgen um die Zukunft der Firma.“ Angst davor, dass ihm als Rentner langweilig werden könnte, hat der Unternehmer auch nicht. „Ich spiele gerne Klavier und lese viel. Zudem ist der Bodensee um die Ecke, wo man wunderbar wandern kann. Mir wird schon was einfallen, wie ich meine Zeit mit meiner Frau Ingrid verbringen kann.“

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