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Zukunftsmärkte > Frankfurt Finance & Future Summit 2025

Der Optimismus-Gipfel: Frankfurt drängt auf Europas neue Superbörse

| Björn Hartmann | Oliver Götz | Midia Nuri | Lesezeit: 4 Min.

Lagarde will eine EU-Börse. Merz, Klingbeil, Rhein und Nagel sind dafür – und Frankfurt wittert seine große Chance.

Symbol für Europas neuen Börsen-Optimismus: Der Frankfurt Finance & Future Summit 2025. v.l.n.r. Verlegerin und Gastgeberin Christiane Goetz-Weimer, EZB-Chefin Christine Lagarde und Hessens Ministerpräsident Boris Rhein. (Foto: Frankfurt Finance & Future Summit)

Die EU braucht einen gemeinsamen Kapitalmarkt und vor allem eine große europäische Börse. EZB-Chefin Christine Lagarde unterstützt die Idee, ebenso zahlreiche Banklenker. Frankfurt wäre ein sehr guter Platz für die European Stock Exchange. Doch es könnte dauern.

von Oliver Götz, Björn Hartmann und Midia Nuri für Markt und Mittelstand / Frankfurt Finance & Future Summit

eines wird an diesem Tag frühzeitig klar: Der Finanzplatz Frankfurt hat gute Chancen, sollte tatsächlich eine einheitliche europäische Börse entstehen. Bei einigen mag es Wunschdenken sein, dass diese ihren Sitz einmal am größten Finanzstandort der Europäischen Union haben wird. Doch es sprechen auch diverse objektive Gründe dafür. Auf jeden Fall hat die Idee in der Finanzbranche viele prominente Fürsprecher, wie auf dem Frankfurt Finance & Future Summit der Weimer Media Group klar wurde. Da sind zum Beispiel Christine Lagarde, als Präsidentin der Europäischen Zentralbank Hüterin des Euro, Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing , Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp und Bundesbankvorstand Michael Theurer.

Das Thema zog sich durch den gesamten ersten Tag des Gipfels im Kap Europa an der Messe Frankfurt. Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) sprach das Thema als erstes an. „Ich unterstütze die Pläne für eine europäische Börse“, sagte er. Nicht ganz uneigennützig. „Der Ort der zentralen Europäischen Börse muss natürlich hier am zentralen Finanzplatz sein.“ Der Deutschen Börse komme dabei eine herausragende Bedeutung zu. Das Unternehmen betreibt unter anderem die Frankfurter Börse, ist europa-, sogar weltweit ein Schwergewicht der Branche. Der Standort Frankfurt und damit Rheins Bundesland profitierten enorm, sollte einen European Stock Exchange zum Beispiel unter dem Dach der Deutschen Börse angesiedelt werden. Das Unternehmen betreibt mit der Frankfurter Börse den wichtigsten Handelsplatz der EU.

Vielleicht ist es eines der Projekte, die Deutschland gerade braucht. Selbstbewusstsein und vor allem Optimismus soll der Gipfel ausstrahlen. Christiane Goetz-Weimer, Verlegerin der Weimer Media Group eröffnet den „Vorwärts geht es, das Glas ist auf jeden Fall halb voll Kongress“ entsprechend. Frankfurt sei der Ort, an dem finanzielle Stabilität und Innovationskraft zusammenkämen, sagt sie – Sitz bedeutender Aufsichts- und Notenbankinstitutionen, Heimat globaler Häuser und nationaler Champions, ein Ökosystem aus Banken, Vermögensverwaltern, Börsen, FinTechs, Kanzleien, Daten- und Technologiefirmen. „Von hier aus blickt Europa auf die Welt – und die Welt auf Europa.“

Zunächst sind alle Blicke der Finanzwelt auf EZB-Chefin Lagarde gerichtet, die über den Standort Frankfurt spricht, aber schnell zum Grundsätzlichen kommt. Sie fordert die EU auf, mehr für einen einheitlichen Finanzmarkt zu tun. Sonst fehlten wichtige Milliarden für die Zukunft. Vor allem die kleinteilige Börsenlandschaft sieht sie als Problem an. 2023 habe es 295 einzelne Handelsplätze und 32 zentrale Verwahrstellen gegeben, sagt Lagarde. Das sei etwas, das die Politik angehen und konsolidieren müsse.

„Die Fragmentierung entziehe dem Markt Liquidität, mache Europa weniger attraktiv für Börsengänge und dränge unsere Firmen dazu, Kapital außerhalb der EU zu suchen“, sagt die EZB-Präsidentin. Die Folge: Es sei das erste Mal seit 20 Jahren, dass in den USA an zwei Börsen (New York Stock Exchange und Nasdaq) mehr Firmen notiert seien als an allen in der EU.

Besonders problematisch: „Gerade jetzt ist die Finanzbranche wichtiger, denn je für Europas Pläne.“ Lagarde nennt die jährlich 450 Milliarden Euro, die die EU jährlich in erneuerbare Energien investieren muss. „Der öffentliche Geldbeutel ist dafür nicht groß genug”, sagt die EZB-Präsidentin. Privates Kapital in großem Umfang ist nötig.

Hinzu kämen noch die jährlich rund 320 Milliarden Euro, die sich aus dem Versprechen der Nato für mehr Verteidigungsinvestitionen ergäben. Ohne eine tiefere finanzielle Integration verpasse die EU eine Gelegenheit riesigen Ausmaßes. „Wenn wir es ernst meinen, müssen wir die Bankenunion vollenden“, sagt Lagarde. „Und wir müssen dieselbe Logik – und schneller – für die Kapitalmärkte: ein Regelwerk, eine Aufsicht und konsolidierte Börsen.“

Eine einheitliche europäische Börsenaufsicht allein werde jedenfalls nicht ausreichen, meint Bundesbankvorstandsmitglied Theurer mit Blick auf den hiesigen Finanzstandort. Commerzbank-Chefin Orlopp sagt: „Verdichtung ist immer gut.“ Nötig sei ein tieferer und einheitlicherer Kapitalmarkt. Die Folgen erläutert Deutsche-Bank-Chef Sewing im Großen: Jeder Investor wolle möglichst diversifiziert sein Geld verdienen, sagt er. „Deshalb werden mehr Investoren nach Europa gehen, wenn wir einen einheitlichen Kapitalmarkt bekommen, wenn wir Regeln und Regularien haben, die einheitlich sind.“

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte Mitte Oktober in einer Regierungserklärung eine europäische Börse angeregt, um attraktiver für europäische Firmen zu sein. Der Pharmakonzern Biontech aus Mainz, Hersteller eines Corona-Impfstoffs, etwa war in New York an die Börse gegangen, ebenso der Schuhhersteller Birkenstock aus Linz am Rhein. Auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Bundesbank-Präsident Joachim Nagel unterstützen die Idee des Bundeskanzlers.

Die Deutsche Börse selbst sieht sich bereit, obwohl deren Chef Stephan Leithner auf dem Frankfurt Finance & Future Summit nur erwähnt, dass sein Unternehmen mit 16.000 Beschäftigten international aufgestellt sei, globale Relevanz habe und Potenzial für Europa. Einer großen europäischen Börse ist er offenbar nicht abgeneigt, wie das Bild zeigt, dass er bemüht. Leider fließe in Europa kein großer Finanzstrom wie in den USA, sondern viele Rinnsale, die den Börsenplatz Europa in einen Morast verwandelt hätten. Der müsse kanalisiert werden, sagt Leithner. Er fordert, die Marktstrukturen zu reformieren, mehr Transparenz und weniger Handelsplätze und mehr Innovation wie digitales Geld, Tokenisierung oder Krypto – nicht, ohne zu erwähnen, dass die Deutsche Börse traditionell innovativ sei.

Jetzt sind also die Gesetzgeber in Brüssel dran, die sich auf Banken- und Kapitalmarktunion einigen müssen – ein zäher Prozess, wie sich an anderen Gesetzen zeigt, die mehrere Jahre dauern. Die EU-Mitgliedsstaaten brauchen eine einheitliche Linie, Das Europa-Parlament redet mit und die EU-Kommission ohnehin.

Und dann sind da noch die Börsenbetreiber selbst. Sie gehören meist Investoren. Die Deutsche Börse etwa ist börsennotiert, ebenso die Konkurrenz von Euronext mit den Handelsplätzen Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon, Mailand, Oslo und Paris. Dazu kommen zahlreiche Regionalbörsen in Deutschland, etwa die Börse Stuttgart, die bereits erfolgreich im Kryptogeschäft unterwegs ist. Sie alle müssten sich auf Fusionen oder Übernahmen verständigen. Möglicherweise dauert es also noch mit der European Stock Exchange in Frankfurt.

Börsenchef Leithner berichtet jedenfalls schon einmal, was dem Finanzstandort Frankfurt wirklich schnell hilft. „Es beginnt mit der Realwirtschaft, nicht mit Finanzen“, sagt er. Da ist zum Beispiel der Herbst der Entscheidungen, den Bundeskanzler Merz verkündet hat, speziell die Verteidigungsausgaben. Allein darüber nachzudenken, das Verteidigung wieder wichtig sei, habe enorme Wirkung, etwa für Rüstungsaktien. Leithner nennt den Börsengang des U-Boot-Bauers TKMS, jahrelang Teil des Stahlkonzerns Thyssenkrupp, der Anleger geradezu elektrisierte und Geld an die Börse brachte.

Oder die Reform der Altersvorsorge, ein „zentraler Treibstoff“ für den Finanzplatz. Allein die Debatte über die Frühstartrente von zehn Euro pro Monat pro Kind vom sechsten bis 18. Lebensjahr wirke, sagt Leithner. „Die Bundesbürger nehmen das bereits vorweg und investieren an der Börse.“ Neobroker mit günstigen Angeboten befeuern das ihm zufolge zusätzlich.

Kapitalanlagequoten von 40 bis 45 Prozent bei Privatanlegern wie in den USA, Australien oder auch Großbritannien werden in Deutschland wohl nur schwer zu erreichen sein. Die genannten Länder gewähren Steueranreize und es gibt einfache, aber breite Produkte, wie André Munkelt, Vorstandsvorsitzender der Investmentbank Morgan Stanley Europe, sagt. „Und sie brauchen Risikofähigkeit, also die Fähigkeit, Risiken zu akzeptieren.“

Da sind die Deutschen eher zurückhaltend. „Drei Billionen Euro liegen in Deutschland unverzinst auf Spar- und Girokonten herum“, sagt Nurten Erdogan, Finanzchefin von ING Deutschland. „Mehr als ein Drittel des hierzulande Ersparten.“ Um das Kapital sinnvoller zu lenken, sei Finanzbildung wichtig, ist Erdogan überzeugt – damit sich Kinder – und auch Erwachsene – trauten zu investieren. „Nur zehn Prozent dieser privat unverzinst liegenden Summe wäre ein Riesenschub für Innovation“, sagt sie. „Ohne Investition keine Innovation und ohne die kein Wachstum.“ Und die Deutsche Börse würde auch profitieren.

Börsenchef Leithner lobt ausdrücklich beim Frankfurt Finance & Future Summit ausdrücklich, dass Hessen und die Stadt Frankfurt inzwischen eine Strategie für den Finanzplatz entwickelt haben. Die müsse jetzt nur umgesetzt werden. Vor Ort müsse etwas passieren, nicht in Brüssel, jedenfalls nicht nur.

Frankfurt hat sich Lagarde zufolge schon mehrfach neu erfunden, ging mit der Zeit und hat „neue Technologie umarmt“. Das begann mit dem Handel von frisch gedruckten Texten und zeigt sich heute in der Bedeutung als Internetknoten. Von Büchern zu Bytes, nennt es Lagarde. Über Frankfurt liefen 35 Prozent allen europäischen Internetverkehrs und und 60 Prozent der nationalen Datencenter-Aktivitäten.

Verlegerin Goetz-Weimer erwähnt es in ihrer Eröffnungsrede: „Frankfurt ist nicht nur ein Finanzplatz – Frankfurt ist ein Datenplatz.“ Die Stadt beherberge einen der weltweit größten Internet-Knotenpunkte, eine dichte Landschaft modernster Rechenzentren, hochspezialisierte Cloud- und Cybersecurity-Anbieter und eine akademische Umgebung, die Datenwissenschaft, Ökonomie und Recht zusammenführt. „Für die Finanzindustrie bedeutet das: geringe Latenzen, hohe Verfügbarkeit, hohe Sicherheit – die Grundvoraussetzungen für Marktdaten, Handel, Risikomodelle, Zahlungsverkehr und Tokenisierung.“ Also die Zukunft.

Berichterstattung

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Auszeichnungen

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Ein großer Gipfel der deutschen Finanz- und Realwirtschaft: 


Die Frankfurt Finance & Future Convention bildet einen Zukunftskongress der deutschen Wirtschaft. Bei der Konferenz im Kap Europa debattieren die Teilnehmer die großen Fragen und Trends der deutschen Wirtschaft. TV-Live-Formate und Medienelemente sind integraler Bestandteil bei Keynotes, Speedpanels, One-on-Ones, Masterclasses und Workshops. Als Ergänzung der Convention gibt es einen inspirierenden Speakers Lunch.

Mittelstandpreis der Medien

Hier werden Unternehmen gewürdigt, die Geschichte schreiben, sich selbst neu erfinden und etwas bewegen wollen. Der Mittelstandspreis der Medien zeichnet Deutschlands beste Mittelständler im Kap Europa aus. Die Preisverleihung des Magazins „Markt und Mittelstand“ würdigt die herausragenden Akteure des Mittelstands.

MARKEN GALA 2.0 und KRYPTO-PARTY

Sie bilden das Konferenz-Finale am Ende des zweiten Tags. Die hochkarätigen Networking-Abendveranstaltungen im Gibson Club bringen noch einmal alle Akteure des Tages zusammen. Wer nach dem inhaltlich aufgeladenen Zukunftsgipfel einen feierlichen Abschluss sucht, findet ihn bei der Marken Gala 2.0 und der Krypto-Party-Nacht mit dem Motto „Dine & Dance“ in einer spektakulären Location.

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