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Zukunftsmärkte > Dieter Schwarz

Der reichste Deutsche versteckt sich

Der Lidl-Gründer Dieter Schwarz scheut Interviews, Fototermine, jede Öffentlichkeit. Er lebt bescheiden und anonym in Heilbronn. Jetzt eröffnet er eine neue Konzernzentrale und regelt die Macht neu.

Er ist der reichste Deutsche und inzwischen 81 Jahre alt. Doch ein ordentliches Foto von ihm gibt es immer noch nicht. Dieter Schwarz lebt nicht bloß bescheiden und diskret, er versteckt sich seit Jahrzehnten fast wie ein Geheimagent. Sein Vermögen wird derzeit auf 40 bis 50 Milliarden Euro geschätzt - das ist deutlich mehr als BMW-Erbin Susanne Klatten ihr eigen nennen kann und etwa doppelt so viel wie bei SAP-Gründer Dietmar Hopp noch hat.

Schwarz hat sich die Multimilliarden selbst erarbeitet. Nach der Lehre in der väterlichen "Südfrüchtenhandlung" schuf er aus Heilbronn heraus ein Weltunternehmen mit mehr als 100 Milliarden Euro Umsatz und 450.000 Mitarbeitern. Mit fast 11.000 Supermarkt-Filialen in 29 Ländern ist Lidl weltweit der größte Discounter-Konzern. Die Schwarz-Gruppe (mit den großen Marken Kaufland und Lidl) gilt heute sogar als das größte Handelsunternehmen Europas. Dieter Schwarz tritt damit in die Reihe derer von Medici und Fugger - nur eben im Jahr 2021.

In den letzen 18 Monaten ist das Unternehmen weiter kräftig gewachsen, schneller als Aldi (was Lidl besonders wichtig ist) und so als hätte es eine Pandemie nie gegeben. Auf vielen Weltmärkten drängen die Schwaben offensiv voran, man investiert mutig in immer neue Geschäftsfelder, vom französischen Recycling-Unternehmen bis zur Berliner Big-Data-Werbeplattform, von Großbäckereien über Schokoladenfabriken und Kaffee-Röstereien bis zu Getränkeherstellern und Eiscreme-Produzenten. Wie eine leise surrende Milliardenmaschine beeindruckt das Schwarz-Imperium mit millicentgenauen Handelsmargen und schwäbischem Kostenbewußtsein die globale Händlerszene.

Doch mit jeder Milliarde, die sein Imperium wächst, scheint die persönliche Sichtbarkeit von Dieter Schwarz weiter zu schrumpfen. Er verweigert jedes Interview, will keine öffentlichen Huldigungen, nicht einmal zu runden Geburtstages dürfen Fotos gemacht werden. Angeblich hat er Angst vor Entführungen und Angriffen auf seine Familie. Tatsächlich ist Schwarz einfach das totale Gegenteil von Glamour-Milliardären wie Elon Musk. Er will weder in den Weltraum noch ins Fernsehen, er jettet nicht einmal zu seinem persönlichen Vergnügen von einer Yacht zum Penthouse-Appartement, von der Glamourparty zum Heliskifahren. Er bleibt lieber in Heilbronn, lebt protestantisch bescheiden, am liebsten wie Otto-Normal-Schwabe und fährt zuweilen an den Chiemsee. Die Berliner Morgenpost nennt das "mysteriös", die Wirtschaftswoche heißt ihn "unsichtbar", der Spiegel behauptet, Schwarz wohne in einem spießigen Wohnhaus "mit Rüschengardinen und immergrünen Kugelbäumen im Vorgarten" und trage seit Jahren die gleichen Anzüge.

Dass Schwarz in Heilbronn und Umgebung dennoch hoch geschätzt wird, liegt an seiner diskreten Großzügigkeit. So sparsam er den Konzern führt, so generös ist er als stiller Wohltäter seiner Heimat. Die nach ihm benannte Stiftung mit Sitz in Neckarsulm fördert mit großen Summen Wissenschaft und Forschung - von Schulen über Universitäten bis zum neuartigen Science Center, der "Experimenta". Im nahen Bad Friedrichshall läßt er auf acht Hektar einen riesigen Campus für bis zu 5000 IT-Arbeitsplätze des Unternehmens bauen.

Doch der Kommunikationsstil des Konzerns bleibt schwäbisch karg. Die Lidl-Gruppe bezieht in diesen Tagen eine nagelneue Konzernzentrale in Bad Wimpfen. Der Neubau eines globalen Headquarters dieser Dimension würde in anderen Unternehmen allerlei Pressespketakel auslösen. In Bad Wimpfen bezieht man die fünf Büroblöcke, die für die einen aussehen wie aufgeschnittener Baumkuchen für andere wie das Watergate-Hotel in Washington, unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dabei gibt es dort mitten in der Provinz Baukörper, die mit unterirdischen Boulevards verbunden sind mitsamt High-Tech-Fitnesscenter im Erdinneren. Ein Hauch von Silicon Valley umweht auch den autonom fahrenden Shuttle-Bus, der künftig Mitarbeiter vom Bahnhof Bad Wimpfen zum neuen Deutschlandsitz des Discounters fahren soll.

Doch in dieser neuen Zentrale passiert nun etwas, dass die Superdiskretion der Schwarz-Gruppe spektakulär beenden könnte: Es ist ein offener Machtkampf um die künftige Führung des Konzerns entbrannt. Die rechte Hand von Dieter Schwarz, Klaus Gehrig, steht vor dem Ausscheiden und der Konzern sucht mit allerlei Nebengeräuschen einen Nachfolger.

Gehrig ist seit 1976 an der Seite von Dieter Schwarz. Der warb damals den erfolgreichen Aldi-Manager gezielt ab, um Aldi zu übertrumpfen. Gehrig verbindet eine strategische Intelligenz mit harter Führungshand. Er sorgt für Impulse, die Lidl heute so erfolgreich machen. Beide zusammen, Gehrig und Schwarz, bilden über Jahrzehnte hinweg jedenfalls ein geniales Geschäftspartnerdoppel und treiben sich wechselseitig voran. Unter diesem Powerdoppel expandiert die Discounter-Kette mit rasender Geschwindigkeit in alle Welt.

Gehrig trägt aufgrund seiner Bissigkeit im eigenen Unternehmen den bemerkenswerten Spitznamen "Killerwal", Schwarz nennen sie "den Blauwal" - das größte Lebewesen der Welt. Gehrig steht zu seinem Stil der Führungshärte und erklärt in einem Interview freimütig: "Ich bin jemand, der die Dinge positiv sieht. Und der Killerwal ist ein hoch soziales Wesen, das im Team arbeitet."

Killerwal und Blauwal, Gehrig und Schwarz, Hand und Kopf verstehen sich über Jahrzehnte jedenfalls perfekt. Doch damit scheint es nun vorbei. Schwarz hat sich aus dem operativen Geschäft bereits zurück gezogen, Gehrig muss ihm in wenigen Monaten folgen. Doch wer wird die Macht in dem globalen Imperium übernehmen? Gehrig hatte mit der erst 30-jährigen Topmanagerin Melanie Köhler einen Coup geplant. Doch nun kommt es zum Paukenschlag in der Schwarz Gruppe. Köhler verläßt überraschend den Konzern.

"Der Killerwal verliert seinen Biss", raunen sie nun bei Lidl. Denn die Hoffnungsträgerin Köhler ist offenbar vom Topmanager Gerd Chrzanowski im Kampf um die Konter spitze ausgestochen worden. Angeblich hat Dieter Schwarz eingegriffen. So wie im Frühjahr 2019 schon einmal. Damals wurde Chrzanowski zum neuen Vize auserkoren. Der Gesellschafterkreis rund um Patriarch Dieter Schwarz bestellte ihn zum Stellvertreter Klaus Gehrigs. Das galt damals schon als Kulturbruch. Denn Gehrig war das Alleinherrschen gewohnt. Kurzum: Der Blauwal hat den Killerwal entmachtet. Und der neue starke Mann Chrzanowski hat wegen seiner beweglichen Intelligenz der Geschicklichkeit auch schon einen Spitznamen: der Delfin.

Der Machtkampf mit maritimer Nomenklatur wirft allerlei Fragen auf. Doch beantworten wird sie offiziell niemand. Wie immer wird bei Dieter Schwarz vor allem eines getan: geschwiegen. Und bloß keine Fotos verbreitet.

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