
Dass Europa wieder verstärkt in den Fokus deutscher Unternehmen rückt, ist bekannt. Neben traditionell westeuropäischen Investitionszielen ist jedoch auch Mittel- und Osteuropa eine immer beliebtere Zielregion für deutsche Unternehmen. Auch wenn sich das Geschäftsklima deutscher Mittelständler in Russland aufgrund der aktuellen Lage in der Ukraine eingetrübt hat, gehen nach wie vor fast zehn Prozent aller Investitionen und über zehn Prozent aller Exporte deutscher Unternehmen nach Mittel- und Osteuropa (MOE). Damit setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Konjunkturumfrage der deutschen Außenhandelskammern (AHK).
Die Gründe, die für Europa als Investitionsziel sprechen, dafür sind vielfältig. So spielen auf der einen Seite die günstigen Arbeitskosten vor Ort sowie die hohe Produktivität eine wichtige Rolle für die aktuelle Entwicklung. Doch nicht nur die günstigen Standortfaktoren dürften ausschlaggebend für den Standort Europa sein. In vielen BRIC- und Schwellenländern hat sich das Wirtschaftswachstum in der vergangenen Zeit verlangsamt. Hinzu kommt ein Mangel an qualifizierten Fachkräften auf vielen Wachstumsmärkten. „Wenn diese Märkte schwächeln, dann hat Europa das Zeug dazu, einzuspringen“, sagt Stefan Schilbe, Chefvolkswirt von HSBC.

Standort Osteuropa verspricht langfristige Vorteile
Rund 8 Prozent aller Investitionen gehen in neue EU-Länder (Beitritt zwischen 2004 und 2014) und westliche Balkanländer. Damit liegt die Region noch vor China, auf das etwa 4 Prozent des Investitionsvolumens fällt. Gesamtasien liegt bei 5,5 Prozent und Lateinamerika etwa bei 3,8 Prozent. Neben den niedrigen Arbeitskosten, der hohen Produktivität und einer allgemeinen Zufriedenheit mit der Qualifikation und Kosten sprechen auch die Qualität und Verfügbarkeit lokaler Zulieferer für den Standort Osteuropa.
Dennoch klagen vielen Unternehmen auch über Defizite der Region. So stört viele Unternehmen vor allem das Niveau der Berufsbildung sowie Probleme in der Infrastruktur des Landes. Hinzu kommen Unterschiede im Bezug auf die Steuersysteme der verschiedenen Länder und ein schwieriges wirtschaftspolitisches Umfeld. Viele der 1.500 befragten Manager in den 16 Ländern der Region MOE klagen über Korruption, fehlende Berechenbarkeit und Bürokratie. Die Unzufriedenheit in diesem Bereich hat im Vergleich zu vergangenen Jahren sogar noch zugenommen.

Polen beliebtester Standort in Osteuropa
Im osteuropäischen Vergleich setzt sich vor allem Polen als Standort und Investitionsziel durch. Die von der AHK befragten Manager bewerteten das Land mit durchschnittlich 2,9 (siehe Grafik oben). Damit liegt Polen knapp vor Tschechien und Estland. Polen zählt mit rund 40 Millionen Einwohnern zum größten Land der Region Mittel- und Osteuropa. Viele der dort ansäßigen Investoren haben für die Zukunft höhere Umsatzerwartungen. Nur 4 Prozent der befragten deutschen Unternehmer in Polen rechnen demnach mit Einbußen, 70 Prozent hingegen mit höheren Umsätzen.
Insgesamt zeigt sich jedoch ein Großteil der befragten Manager zufrieden mit ihrer Standortwahl. 83 Prozent würden ihren jetzigen Standort erneut als Investitionsziel wählen, nur 17 Prozent würden einen alternativen Standort bevorzugen. Die eigene wirtschaftliche Lage beurteilen Unternehmen dabei meist besser als die wirtschaftliche Lage im Investitionsland. Grund dafür ist vor allem die bessere Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Vergleich zu lokalen Unternehmen.