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Zukunftsmärkte > Sicherheitsgesetz in Hongkong

„Deutsche Unternehmen sind verunsichert“

Die chinesische Zentralregierung hat für Hongkong Ende Juni ein Sicherheitsgesetz verabschieden lassen. Wie deutsche Unternehmen die aktuellen Entwicklungen am Standort Hong Kong beurteilen, berichtet Wolfgang Ehmann, amtierender Geschäftsführer des Hongkonger Büros der Auslandshandelskammer (AHK).

Jüngst ist in Hongkong das "Gesetz zum Schutz der nationalen Sicherheit" in Kraft getreten. Was wird geregelt?

Das Gesetz richtet sich gegen Aktivitäten, die als Gefahr für die nationale Sicherheit betrachtet werden. Auswirkungen auf das Wirtschaftsleben vor Ort sind dabei nicht auszuschließen, auch wenn im Fokus eher der gesellschaftliche Raum und das Rechtssystem stehen. Ob es Auswirkungen auf die Unternehmen haben wird, hängt davon ab, wie das Gesetz umgesetzt wird. Seit 1997 war ein solches Gesetz geplant, also seitdem Hongkong zur chinesischen Sonderverwaltungszone wurde. Inwiefern beeinflusst dieses Gesetz das Wirtschaftsgeschehen am Standort Hongkong? Bislang heißt es von der Regierung in Hongkong: Das Gesetz betrifft Unternehmen nicht, da es sich in erster Linie gegen eine kleine Gruppe "radikaler Elemente" richte, die Unruhe gestiftet hätten. Unter unseren Mitgliedsunternehmen besteht aber weitgehend Konsens, dass das Gesetz, so wie es heute formuliert ist, einen weiten Interpretationsspielraum zulässt. Daher sorgt es bei den Unternehmen für ein hohes Maß an Verunsicherung.

Was heißt das konkret? Wenn sich der Mitarbeiter eines deutschen Mittelständlers kritisch über die chinesische Regierung äußert – ist er dann ein Terrorist?

Uns wurde in Gesprächen mit der Stadtverwaltung von Hongkong versichert, dass kritische politische Äußerungen kein Anlass seien, Sanktionen gegen ein Unternehmen fürchten zu müssen. Auf diese Zusicherung müssen wir uns aktuell stützen.

 

Das kann sich aber ändern.

Das kann ich derzeit nicht beurteilen. Das Gesetz ist zu neu. Wie es speziell für Unternehmen oder deren Mitarbeiter angewendet oder von Gerichten ausgelegt wird, ist noch vollkommen unklar.

 

Welche Einflussmöglichkeiten hat China denn durch das Gesetz nun in Hongkong?

Zunächst einmal gilt: Seit dem 1. Juli 1997 ist die Regierung in Peking ohnehin schon der Souverän über Hongkong. Durch das neue Gesetz ist der Einfluss Pekings nun größer geworden. Unsere Mitgliedsunternehmen machen sich deshalb Sorgen über die langfristige Stabilität des Prinzips „ein Land, zwei Systeme“.

 

Stichwort Sozialkreditsystem: Finden kritische Äußerungen eines Unternehmens in Hongkong dort einen Niederschlag?

Social Scoring gibt es in Hongkong nicht. Dennoch beschäftigt uns die Frage, ob sich das Verhalten eines Unternehmens in Hongkong auf das Social Scoring in China auswirkt. Denn viele deutsche Unternehmen mit Sitz in Hongkong sind auch auf dem chinesischen Festland aktiv.

 

Sie arbeiten seit mehr als 30 Jahren in Hongkong. Spüren Sie in Ihrem Alltag bereits Folgen des Sicherheitsgesetzes?

Deutsche Firmen haben – ebenso wie viele Expats, die hier leben – das hohe Maß an Rechtssicherheit und Transparenz in Hongkong immer geschätzt. Seine wichtige wirtschaftliche Stellung als internationaler Finanz- und Handelsplatz ist jedenfalls eng mit dem Grundsatz „ein Land, zwei Systeme“ verbunden. Aus unseren Unternehmensumfragen und in den vielen Gesprächen, die wir führen, können wir derzeit noch nicht ableiten, dass der Standort infolge der aktuellen Entwicklungen grundsätzlich in Frage gestellt wird. Doch die auch bei den Unternehmen spürbare Verunsicherung im Hinblick auf die Meinungsfreiheit macht den Wirtschaftsstandort im Moment zumindest nicht attraktiver.

 

Haben Sie Bedenken, dass sich die Menschenrechtslage in Hongkong nun der in China angleichen könnte?

Das kann ich derzeit nicht beurteilen. Klar ist: Sollte es eine Erosion der Grundfreiheiten von Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit geben, würde dies das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort Hongkong schwächen – ein Thema, das die deutschen Unternehmen hier sehr beschäftigt. Noch können die Menschen ihre Werte ausleben, es gibt auch kein zensiertes Internet.

 

Aber die Demonstranten fürchten ja, dass sich die Lage in Zukunft verschlechtert.

Bislang ist uns nicht bekannt, dass deutsche Unternehmen in Bezug auf das Sicherheitsgesetz unter Druck gesetzt worden sind. Für die Unternehmen ist Hongkong auch weiterhin ein ganz anderes Umfeld als Festlandchina. Sie hoffen deshalb, dass das so bleibt.

Zur Person

Wolfgang Ehmann ist amtierender Geschäftsführer des Hongkonger Büros der Auslandshandelskammer (AHK). Ehmann war nach dem Studium der Volkswirtschaftslehre in Freiburg von 1986 bis 1990 für eine deutsche Unternehmensberatung in Hongkong tätig. Seit 1991 arbeitet er dort bei der Auslandshandelskammer, mit einer Zwischenstation in Vietnam von 2004 bis 2006.

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