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Zukunftsmärkte > Elektro Einbruch

Die Autobranche erwartet ein schwieriges Jahr

Alles auf Elektro? Vielleicht kam diese Strategie bei dem einen oder anderen Autobauer zu früh. Rund um die nachhaltige Antriebsart herrscht derzeit Blues. Für viele Zulieferer muss das nicht nur schlecht sein.

Die Gewinne sprudeln und die Aktionäre reiben sich die Hände: Das Jahr 2023 hat den Autobauern prächtige Erträge in die Kassen gespült. Da passt gar nicht ins Bild, dass die Stimmung in der Branche mehr als gedrückt ist. Doch die Hersteller blicken sorgenvoll ins kommende Jahr. „Es läuft längst nicht mehr rund für die weltweite Autoindustrie“, meint Constantin M. Gall, Managing Partner beim Stuttgarter Beratungsunternehmen EY. Er beobachtet vor allem den westeuropäischen Markt und sieht dort trotz der glänzenden Zahlen schon länger eine schwache Entwicklung. „Es sind Rekorde aus der Vergangenheit. Das kommende Jahr wird deutlich herausfordernder. Denn die Einschläge kommen näher: Die Nachfrage nach Neuwagen schwächelt, der Hochlauf der Elektromobilität stockt, und der Preisdruck nimmt zu.“
 
Probleme bei der Einführung neuer Modelle werden die Profitabilität belasten, da der Umsatz fehlt und die Entwicklungskosten höher sind als geplant. Zumal die ganz großen Herausforderungen noch bevorstünden, so Gall. „Der Umstieg auf Elektromobilität wird zur entscheidenden Bewährungsprobe für die Branche. Aktuell nehmen allerdings die Sorgen zu, dass die Kunden den ambitionierten Umbau der Mobilität hin zu Elektromobilität nicht mitgehen. Der Markt wird zwar geflutet mit neuen E-Autos, aber die Kunden zeigen sich zurückhaltender als erwartet.“ Verschärft wird die Lage auf dem wichtigen Absatzmarkt Deutschland, wo die klamme Bundesregierung die 2016 eingeführte und bis Ende 2024 geplante Förderung über Nacht gestrichen hat.
 
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) kritisiert das abrupte Förderende scharf. „Das ist ein unfassbar großer Vertrauensbruch für mehrere Zehntausend Kundinnen und Kunden, die ihre E-Fahrzeuge bestellt haben unter der Voraussetzung, dass die Fördersumme fließt", rügt Präsident Arne Joswig. Zuletzt konnten hierzulande Elektroautokäufer mit Zuschüssen von bis zu 6750 Euro rechnen, davon kamen 4500 Euro vom Staat. Experten wie Ferdinand Dudenhöffer von Bochumer CAR-Institut gehen bei einer ersten Schätzung von „90.000 bis 200.000 Fahrzeugen weniger“ aus. Der Anteil von reinen Elektroautos am gesamten Neuwagenmarkt könnte 2024 von derzeit 18 bis auf elf Prozent abstürzen, so der Marktbeobachter im Gespräch mit dem Handelsblatt. Von Januar bis November 2023 wurden hierzulande rund 470.000 Elektroautos neu zugelassen. Insgesamt sind 1,3 Millionen Stromer auf deutschen Straßen unterwegs.

Nach den ehrgeizigen Plänen der Bundesregierung sollen es bis 2030 rund 15 Millionen werden. Das galt schon vor der Haushaltskrise als sehr unrealistisch. „Ohne Prämie sehe ich ganz schwarz“, sieht beispielsweise Thomas Maurer im Gespräch mit dem SWR seine Umsätze mit E-autos schwinden. Der Händler aus Holzgerlingen bei Böblingen verkauft vor allem Fahrzeuge des VW-Konzerns. „Ein I-3 kostet 40.000 Euro und mehr. Aber das ist nur ein Golf“, bringt Maurer auf den Punkt, was anscheinend viele Verbraucher denken. Die Kosten sind für die meisten unerschwinglich. Das Center of Automotive Management (CAM) hat einen Durchschnittspreis für Stromer von 52.700 Euro ermittelt – 4000 Euro mehr als noch im Vorjahr. Sonderausstattung und Förderungen wurden dabei nicht mitgerechnet.

Die Kunden treibt neben den hohen Anschaffungskosten auch die Sorge um, wo sie ihren Stromer in der Praxis überhaupt laden können. Diese Bedenken hat in diesem Jahr bereits Marktführer Tesla zu spüren bekommen. Er steuert mit Rabatten gegen das schwindende Interesse. Das hat Folgen: Der amerikanische E-Auto-Konzern erzielte zuletzt eine Marge von 7,6 Prozent – nach sensationellen 17,2 Prozent im Vorjahr. Tesla hat in Deutschland die Marktführung an VW abgegeben. Doch in Wolfsburg knallen deshalb keine Sektkorken. Der Autoriese musste seine Produktion teilweise ganz stoppen, weil nicht genügend E-Motoren geliefert wurden. 

Zwar konnte der Konzern auf dem Hauptmarkt China deutlich mehr E-Fahrzeuge absetzen, doch dort tobt inzwischen eine heftige Rabattschlacht. Denn bei den chinesischen Verbrauchern liegt das Geld angesichts der dortigen Wirtschaftskrise nicht mehr so locker in der Tasche.  Bei der Tochter Audi hat man sich inzwischen von dem Gedanken verabschiedet, dass E-Modelle bald sie gleichen Renditen einbringen, wie die Benzin- und Diesel Varianten. Die Ingolstädter kämpfen mit hohen Kosten für die Batterien und Rohstoffe für die Stromer. Zudem kommt die Entwicklung wesentlich zäher voran, als ursprünglich gedacht.

Bei Mercedes stockt ebenfalls die Produktion – allerdings im Verbrennerbereich. Zehntausende Fahrzeuge von Bestsellern wie GLC und E-Klasse konnten nicht gebaut werden, weil es dem Stuttgarter Topzulieferer Bosch nicht gelingt, ausreichend 48-Volt-Bordnetze in passabler Qualität an die Mercedes-Bänder zu bringen. Das sind Verbrennermodelle, die gerade neu auf den Markt gekommen sind und normalerweise ohne Rabatte verkauft werden können. Man hätte fünf Prozent mehr Autos verkaufen können, klagt Finanzchef Harald Wilhelm. Auf die Jahresproduktion umgerechnet wären das 100.000 Autos. Das entspricht etwa dem Gesamtabsatz des Sportwagenbauers Porsche im vergangenen Jahr.

Doch ein Unglück kommt selten allein. Das E-Geschäft, das eigentlich bis Ende der Dekade jeden Mercedes ausmachen soll, läuft längst nicht, wie es Konzernchef Ola Källenius gerne verkauft. „Mercedes hat wieder einmal zu viel versprochen“, rügt Moritz Kronenberger Fondsmanager bei Union Investment.  Der Peak sei überschritten, die Auftragsbücher leerten sich. „Bis die nächste Generation von Stromern mit Sternlogo gegen 2025 auf den Markt kommt, gebe es eine „Produktlücke“, so der Analyst im Gespräch mit dem Handelsblatt. Dann will Mercedes alleine in der Mittelklasse drei potenzielle Besteller mit Elektroantrieb auf den Markt bringen: CLA, GLC und die C-Klasse. Mit neuen Batterien sollen Reichweiten von bis zu 800 Kilometern ermöglichen.

Doch das ist Zukunftsmusik. So läuft das Top-Modell EQS beispielsweise wesentlich schlechter als erwartet. Die Ergebnisbeiträge der Elektroautos seien insgesamt eine „Katastrophe“ ist aus dem Konzern zu hören. Jedes E-Fahrzeug verschlechtere die Marge. Und auch die nächste Generation von Stromern drohe strukturell zu geringe Deckungsbeiträge abzuwerfen. So wird am Sitz in Stuttgart Untertürkheim die Debatte immer lauter, nicht voreilig von den Erfolgsmodellen aus dem Verbrennersegment zu verabschieden. Vor allem die Pläne, die erfolgreichen Kombi-Varianten einzustellen gilt inzwischen als sehr umstritten. Die Konzernführung orientiert sich bisher am wichtigsten Markt: China. Dort sind Kombis ein Nischenprodukt. Zudem sollen neben der A-Klasse und B-Klasse auch diverse Coupés und Cabrios aus dem Produktionsprogramm gestrichen werden. Doch inzwischen nimmt Konzernchef Källenius den Fuß vom Gas und will die Elektrostrategie „flexibel gestalten“.

Das macht Konkurrent BMW schon länger. In München hat man es bislang vermieden, die Produktion von Verbrennermodellen mit einem Ablaufdatum zu versehen. Viele Kunden seien noch nicht bereit, auf ein rein batterieelektrisches Fahrzeug umzusteigen. Würden keine Neuwagen mit Verbrennermotor mehr angeboten, führen viele Verbraucher ihre alten Autos einfach länger, glaubt Konzernchef Oliver Zipse. Ohnehin werde die Bedeutung der Bestandsflotte verkannt. Weltweit seien aber mehr als 1,2 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennermotor im Einsatz, „deshalb sind auch E-Fuels wichtig“.

Die Verbraucher sind merklich verunsichert und viele warten ab. So mancher spekuliert bereits darauf, dass im kommenden Jahr die Zinsen wieder sinken und der Autokauf leichter zu finanzieren ist. Immer mehr Unternehmen reagieren mit Rabattaktionen, günstigen Finanzierungsangeboten und Sondermodellen. Die gehen aber auf kosten der Marge, was an den Finanzmärkten nicht gut ankommt. „Inzwischen regiert wieder der Rotstift, denn viele Autokonzerne leiden unter einer überbordenden internen Bürokratie und zu komplexen Abläufen – was hohe Summen verschlingt und die Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt“, stellt EY-Experte Gall fest.
 
So hat VW ein Sparprogramm angekündigt, mit dem die Kosten um zehn Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren gedrückt werden sollen. Bei Audi in Neckarsulm werden Hunderte Zeitarbeitsverträge nicht verlängert. Genaue Zahlen nennt der Konzern nicht. Bei Bosch regiert trotz einer erst im Sommer vereinbarten Beschäftigungssicherung ebenfalls der Rotstift. In Stuttgart Feuerbach und Schwieberdingen sollen 1500 Stellen wegfallen. Argumentiert wird in Stuttgart, dass der Auslauf der Verbrennertechnik weniger Personalbedarf bedeutet.
 
Doch möglicherweise bleibt diese Technik doch länger am Markt als gedacht. Stellantis-Chef Tavares gehört wie Zipse zu jenen, die von einem Ausstiegstermin nicht viel halten. Die Zweifel der Industrie ringen zunehmend bis zur Politik durch, auch wenn die EU-Kommission sich der Debatte noch nicht stellen will. Doch es könnte ein Thema der bevorstehenden Wahl zum Europaparlament werden. „Wenn meine Fraktion eine Mehrheit herstellen kann, werden wir das Verbrennerverbot rückgängig machen“, verspricht beispielsweise Manfred Weber, der Chef der konservativen EVP-Fraktion.

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