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Zukunftsmärkte > Digitalisierung

Die Blockchain kann die Exportfinanzierung vereinfachen

Viele Banken experimentieren mit der Blockchain-Technologie in der Handelsfinanzierung. Die Methode bietet exportorientierten Mittelständlern viele Vorteile – doch einiges ist auch noch unausgegoren.

Die Transaktionswege in der Handelsfinanzierung sind lang und verschlungen. Fünf bis zehn Tage braucht es derzeit im Durchschnitt, bis eine Transaktion abgewickelt ist, mit der Exportwaren finanziert werden. Bei mittelständischen Unternehmen führt das regelmäßig zu Frust. Denn bei Lieferungen ins Ausland finanziell in Vorleistung zu gehen ist für sie riskant.

Die Einbindung der Blockchain-Technologie in die Handelsfinanzierung könnte helfen, die Prozesse zu vereinfachen und deutlich zu beschleunigen. Denn aktuell ist die nationale und internationale Handelsfinanzierung durch die aufwendige papierbasierte Dokumentation mit einem massiven bürokratischen Aufwand verbunden. Durch die Digitalisierung könnten bei jeder Transaktion bis zu 100 Seiten an Unterlagen eingespart werden, prognostizierte die Internationale Handelskammer Ende Mai 2018. Ihr zufolge beruhte 2017 ein Großteil der Transaktionen von über neun Billionen US-Dollar auf dem Austausch von Dokumenten.

Kein Papier mehr

Solch eine papierbasierte Dokumentation ist mit der Blockchain nicht mehr nötig. Generell gesprochen, werden in einer Blockchain Datensätze digital miteinander verkettet. Erstmals bekannt wurde die Technologie im Rahmen des Einsatzes von Kryptowährungen wie Bitcoin. Mittlerweile bauen auf ihr aber auch Buchführungssysteme auf. Beim Einsatz in der Handelsfinanzierung würde die Blockchain alle am Handel beteiligten Parteien – Importeur, Exporteur, Banken, Transporteure, Zoll- und Steuerbehörden – über eine dezentrale Datenbank direkt miteinander verbinden. Sie alle können dadurch im Prinzip in Echtzeit auf die gleichen Daten zugreifen und zum Beispiel sehen, an welchem Punkt des Transports die zu liefernde Ware schon angekommen ist. Zudem werden alle Vertragsbestandteile wie Bestellung oder Rechnungsstellung über die Blockchain abgebildet. Akkreditive und Zolldokumente können digital ausgestellt, Handelsdokumente von Lieferkettenpartnern digital gesendet, verifiziert und verarbeitet werden.

Auch die Einbindung sogenannter Smart Contracts ist in diesem Zusammenhang denkbar. Diese lösen automatisch ein gewisses Ereignis – beispielsweise eine Zahlung – aus, wenn vorher definierte Bedingungen erfüllt sind, wie beispielsweise das physische Eintreffen der Ware am Zielort, und bilden diese in der Blockchain ab. Das macht die Handelsgeschäfte vollkommen transparent.

Erhöhte Sicherheit

Die Blockchain erhöht auch die Sicherheit: Denn die Transaktionsdaten sind vollständig verschlüsselt. Für Betrüger wird es dadurch schwieriger, Daten zu manipulieren. Um in die Abläufe einzugreifen, müssten sie die Mehrheit der Server kontrollieren, auf denen die Daten gespeichert sind, die die Handelsbeteiligten miteinander teilen. Einige Plattformbetreiber wollen Unternehmen darüber hinaus ermöglichen, ihre Waren vom Versand bis zur Anlieferung an den Verbraucher über einen individuellen Code nachzuverfolgen. Das sie noch sicherer machen. Auch weitere Risikomanagementtools können die Handelspartner einbeziehen.

Wichtigstes Argument pro Blockchain ist aber: Unternehmen könnten durch die automatisierte Abwicklung viel Zeit und Geld sparen. Erste Testläufe zeigen: Innerhalb von 24 Stunden sind Trade-Finance-Deals dank der neuartigen Technologie unter Dach und Fach.

Auch die makroökonomischen Vorteile sind nicht von der Hand zu weisen: Bislang schreckt der Mangel an Absicherungs- und Finanzierungsgeschäften einige Unternehmen vom Export in gewisse Länder ab. Die Blockchain könnte das ändern: Durch die effizientere Abwicklung von Handelstransaktionen könnte laut einer Studie der Beratung Bain & Company und der britischen Großbank HSBC der weltweite Handel bis 2026 um 1,1 Billionen US-Dollar auf 17,1 Billionen US-Dollar steigen. Besonders in Regionen wie Südostasien, Afrika und Lateinamerika könnten Handelsfinanzierungen an Bedeutung gewinnen, glauben die Studienautoren. Dort ist das Bankennetz noch schlecht ausgebaut, Wirtschaftsteilnehmer digitalen Lösungen gegenüber aber aufgeschlossener.

Plattformen im Test

Angesichts des großen Potentials der Blockchain ist es nicht verwunderlich, dass zahlreiche Marktteilnehmer mit der Technologie experimentieren – allen voran die Banken, die darauf bedacht sind, ihr Geschäft in der Handelsfinanzierung nicht an Fintechs oder andere Drittanbieter zu verlieren. Seit ungefähr zwei Jahren testen verschiedene Banken die Möglichkeiten, die die Blockchain in der Handelsfinanzierung in der Praxis bietet. Mittlerweile existieren mehrere Plattformen, erste Testläufe mit interessierten Unternehmen haben bereits stattgefunden. Das Fazit: Die Möglichkeiten sind vielversprechend, aber die Blockchain-Plattformen sind noch nicht marktreif.

Hinzu kommt, dass eine Fragmentierung des Marktes droht. Denn die Banken möchten in Sachen digitaler Handelsfinanzierung nicht nur auf ein „Pferd“ setzen. Einige von ihnen sind an mehreren Blockchain-Plattformen beteiligt. So ist beispielsweise die britische Großbank HSBC nicht nur an der Blockchain-Plattform Voltron, sondern auch an bei den beiden Konkurrenz-Plattformen We Trade und Hong Kong Trade Finance Platform beteiligt. Auch BNP Paribas, ING, SEB und Standard Chartered sind bei mindestens zwei Initiativen engagiert.

Schon jetzt ist aber sicher: Alle Blockchain-Plattformen werden nicht bestehen können. Eine erste Konsolidierung zeichnet sich bereits ab: Vor wenigen Wochen liefen mit der spanischen Caixa Bank, der österreichischen Erste Group und der Schweizer Großbank UBS gleich drei Banken von der Blockchain-Plattform Batavia zur Konkurrenz We Trade über. Auch die Commerzbank, die bislang bei Batavia und Marco Polo engagiert war, will eigenen Angaben zufolge ihre Aktivitäten auf ihre Arbeit im Marco-Polo-Konsortium konzentrieren. Damit gibt es Batavia im Prinzip nicht mehr, sie ist in der Plattform We Trade aufgegangen.

Regulatorische Fragen

Die Test- und Entwicklungsphase in Sachen Blockchain geht weiter. Bis die Technologie im Alltag genutzt werden kann, müssen noch einige Aspekte, insbesondere auch regulatorische, geklärt werden. Eine wichtige Frage lautet: Wie gelingt es, Zahlungen über die Blockchain abzuwickeln? „Es gibt keinen Krypto-Euro“, sagt Michael Spitz, CEO von Main Incubator, der Forschungs- und Entwicklungseinheit der Commerzbank. Man arbeite eng mit den Zentralbanken zusammen, um Cash auf die Plattform zu transferieren. Das erfordere aber Zeit und Geduld und könne möglicherweise noch Jahre dauern.

Zudem stellt sich die Frage, ob die Zukunft der Handelsfinanzierung wirklich in der Blockchain liegt. Denn die kürzeren Abwicklungszeiträume sind auch mit anderen digitalen Lösungen zu erreichen – ohne Blockchain-Basis. Die Commerzbank beispielsweise will ausgewählte Compliance-Vorabprüfungen bei der Abwicklung von Handelsfinanzierungsgeschäften bis 2020 automatisieren und geht davon aus, dass die Prüfung der bislang papierhaften Akkreditiv-Dokumente durch die Automatisierung auf wenige Stunden reduziert werden kann. Dafür kooperiert die Bank seit kurzem mit dem Fintech Conpend.

Die Blockchain ist also für die Digitalisierung der Handelsfinanzierung nicht notwendig. Welche Technologie und welcher Ansatz sich durchsetzen wird, bleibt abzuwarten.


Der Artikel gehört zu einem Thema aus der „Markt und Mittelstand“-Ausgabe Oktober 2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

 

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