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Die Digitalministerin macht Ernst

Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach sorgt für einen Paukenschlag. In Anbetracht der russischen Aggression braucht Deutschland dringend „einen digitalen Schutzschild“. Die Ministerin fordert 10 Milliarden Sonderfonds zur Verteidigung des Cyberraums. Die 36jährige Gerlach galt bislang als Sympathieträgerin der süddeutschen Startup-und IT-Szene. Nun zeigt sie im Vorfeld des Ludwig-Erhard-Gipfels, dass Kriegszeiten auch die Digitalpolitik ändern.

bayerns digitalministerin judith gerlach spricht auf der bühne
Bayerns Digitalministerin Judith Gerlach fordert 10 Milliarden Sonderfonds für die Abwehr von Cyberangriffen.

Judith Gerlach galt bislang als sympathisches Sinnbild der süddeutschen Digitalszene. Jung, heiter, liberal und auf Netzwerktreffen der Münchner Startup-Szene genau der Typus Politikerin, der zur neuen, spielerischen Digital-Ära passt, in der Unternehmen sich anfühlen wie Duz-Wohngemeinschaften und der Kapitalismus wie ein klimperndes Videospiel. Gerlach wurde von Markus Söder 2018 zur Digitalministerin berufen, dabei hatte er noch gar kein Digitalministerium. Das gründete die Jungpolitikerin wie ein Startup ihrer selbst. Für Söder und die schwächelnde CSU hat sich die Sache als cleverer Schachzug entpuppt. Denn Gerlach wurde nicht nur eine strahlende Sympathieträgerin für die altmännerige Partei, sie besetzt vor allem das Zukunftsthema Digitalisierung mit Charme und Energie. Dabei sprengt sie auch Grenzen der üblichen Kabinettskultur und veralbert schon mal ihren altmodischen Ministerkollegen Hubert Aiwanger (immerhin stellvertretender Ministerpräsident sowie mächtiger Wirtschaftsminister) in einem Comedy-Video über Faxgeräte mit dem Tenor „Lass doch die Faxen sein, Hubert“. Gerlach pusht, treibt und zwingt die bayerische Staatsverwaltung zur Digitalisierung, so dass heute immerhin zwei Drittel der Serviceleistungen des Freistaats digital verfügbar gemacht sind.

 

An ihrem Förderprogramm „Digitales Rathaus“ nehmen mehr als 1000 bayerischen Gemeinden, Städte und Landkreise teil.

 

„Überall wo Gerlach auftaucht, verschwinden die Faxgeräte“, raunt es aus der Ministerialbürokratie. Keiner will sich einem weiteren Anti-Fax-Comedy-Video aussetzen. Gerlach kämpft zudem wie eine Löwin für den Digital-Standort Bayern, lockt Unternehmen und Investoren, damit nicht Berlin sondern München Deutschlands IT-Hauptstadt wird. Microsoft hat seine Deutschlandzentrale in München. Amazon hat seine Deutschlandzentrale in München. Google hat seinen Hauptstandort in München und baut dort gerade massiv aus. Auch Apple, IBM und Huawei investieren massiver in den Standort München. Die Präsenz der größten Tech-Konzerne der Welt spricht eine relativ deutliche Sprache – und Gerlach empfängt sie alle mit einem strahlenden Lächeln und handfester Standortförderung. So wird sie in München zuweilen als „die Wachstumstreiberin aus Weiberbrunn“ (so heißt ihr unterfränkischer Heimatort) gerufen, beliebt in einer Branche, die seit Jahren nur störungsfreies Wachstum kennt.

 

Doch der Aggressionskrieg Russlands verändert plötzlich die Stimmung auch in der Digitalbranche.

 

Die Ukraine ist ein Cluster für Programmierer und Softwareentwickler, viele in der Branche haben Kollegen, die plötzlich in einen Krieg gezwungen werden. Auch Cybersicherheit wird auf einmal in ganz neuen Kategorien gedacht und diskutiert. Gerlach sorgt in dieser Debatte nun für einen politischen Paukenschlag. „Angesichts der gestiegen Cyberbedrohung aus Russland“ fordert sie einen „Sonderfonds zur Verteidigung des Cyberraums. Die Digitalministerin verlangt nicht weniger als „Mittel in Höhe von 10 Milliarden Euro“, die sollen aus dem aktuell diskutierten Sondervermögen der Bundeswehr stammen und in die Ausstattung der Cybertruppe fließen.„Die digitale Bedrohung wird weiter zunehmen. Die sich bisher abzeichnenden Pläne der Bundesregierung sind dafür absolut ungenügend. Deutschland braucht einen starken, digitalen Schutzschild,“ sagt Gerlach.

 

Die angekündigten 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr dürfen nach Ansicht von Gerlach nicht nur in die materielle Ausrüstung investiert werden, wie zum Beispiel in neue Kampfflugzeuge und Panzer.

 

Die Digitalisierung der Bundeswehr und die Stärkung ihrer materiellen und personellen Ressourcen für Aufgaben der Cyberverteidigung müssen gerade jetzt weiter konsequent gestärkt werden. Ein Sonderfonds zur Entwicklung neuartiger Technologien eigne sich hierfür ideal.
Der von der Ministerin geforderte Sonderfonds solle von der Bundeswehr gesteuert werden. So könnten dann, beispielsweise im Rahmen von Public-Private-Partnerships, Innovation gemeinsam mit Universitäten und Unternehmen entwickelt und zügig Richtung Praxis umgesetzt werden. Ein Vorbild für die erfolgreiche Kooperation von öffentlichem und privatem Sektor zur Entwicklung neuartiger Innovation ist die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) in den USA. Die DARPA führt Forschungsprojekte für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten durch und ermöglicht durch die enge Einbindung von Industrie und Militär einen schnellen Transfer von der Forschung zur Praxis. Ein Schwerpunkt der DARPA-Forschung sind neue digitale Technologien. Gerlach: „Wir müssen verstärkt innovative Wege finden, um in der Cyberabwehr schneller zu marktreifen Lösungen zu kommen.“ Auch der Informationsaustausch zwischen Behörden und der Wirtschaft muss nach Ansicht der Ministerin verbessert werden.

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