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Zukunftsmärkte > Zoff mit Öko-Hersteller

dm unter Druck: "Nehmen Sie diese Kopie vom Markt!"

Ein kleiner Öko-Textilhersteller präsentiert dm einen Rucksack fürs Sortiment und blitzt ab. Ein paar Monate später findet sich eine ziemlich exakte Kopie des Rucksacks in den dm-Regalen. Allerdings zu einem Fünftel des Preises und damit wahrscheinlich deutlich weniger nachhaltig produziert. Jetzt herrscht Zoff zwischen dem Ökolabel und dem Drogeriekönig.

Es ist die größte Drogeriemarktkette Europas: dm, deren erste Filiale 1973 in Karlsruhe, eröffnete, hat seine Gründer, die Familien Werner und Lehmann, zu Milliardären gemacht. Der Einzelhändler ist heute Deutschlands umsatzstärkster Drogeriemarkt, 1,7 Millionen Kunden kaufen hier täglich ein. Sie alle glauben an das, was dm verspricht: Nachhaltiges Handeln sei "tief verwurzelt", versichert der Einzelhändler. "Es ist ein wesentlicher Teil des Selbstverständnisses des Unternehmens, denn Nachhaltigkeit sichert Zukunftsfähigkeit. Und Zukunftsfähigkeit berücksichtigen wir nicht nur in der ökonomischen Dimension, sondern auch im Ökologischen, im Sozialen und im Kulturellen." Daran, ob dieses Versprechen der Wirklichkeit entspricht, sind jetzt Zweifel angebracht.

Dafür gesorgt hat Mela, ein kleiner Hersteller ökologischer Kleidung aus Kassel, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, gegen die Missstände in der Textilindustrie anzugehen. Mela versucht die gesamte Lieferkette entlang von der Baumwolle am Strauch bis zu Hemd und Hose im Laden stets die nachhaltigste Vorgehensweise zu garantieren. Zu den Mela-Produkten zählen auch Rucksäcke des Modells "Ansvar", mit modischem Rollverschluss, selbstverständlich ökologisch zertifiziert. Knapp 100 Euro ruft Mela dafür auf.

Henning Siedentopp, Chef des Kassler Herstellers berichtet, dass Mela seine Kollektion dem Drogerieriesen vorgestellt hat. Wenige Monate ist das her, und es ging darum, ob dm einige Produkte ins eigene Sortiment aufnehmen wollte. Das meiste kam nicht in Frage, "Ansvar", was schwedisch ist und auf deutsch so viel wie "Verantwortung" heißt, stieß bei dm aber auf Interesse. Der Rucksack sei "super spannend" und in diesem Zusammenhang wollte dm wieder auf Mela zurückkommen, berichtet Siedentopp. "Wir sind nicht die Firma die pusht und fragt wann und wie; für uns hieß das: Ok, das wird intern besprochen, so läuft es bei einer größeren Firma, so kennen wir es auch von anderen großen Unternehmen, mit denen dann ja auch oft Kooperationen zustande kommen." Doch so passierte es diesmal nicht. Siedentopp fand stattdessen fünf Monate später eine ziemlich exakte Kopie von "Ansvar" in einem dm-Markt. Name: Pusblu. Preis: 17,99 Euro.

Seitdem ist Zoff zwischen dem kleinen Ökolabel aus Kassel und Europas größter Drogeriekette. Siedentopp schrieb erst einmal einen Brief an dm-Chef Christoph Werner, den er sicherheitshalber auch gleich in Social-Media-Kanälen veröffentlichte: "Wir haben den Wunsch, dass Sie Ihre eigene Unternehmenskultur umsetzen. Dies wird jedoch nicht durch Täuschung wohlwollender Kund:innen erreicht. Nehmen Sie diese billige Kopie wieder vom Markt", forderte er Werner unmissverständlich auf.

Bei dm schrillen die Alarmglocken

Im Gespräch legt er noch nach. Es geht ihm um zwei Dinge: Erstens ist "Ansvar" der Umsatzrenner bei Mela. Jedes Stück, das bei dm verkauft wird "wird ja nicht bei uns verkauft“". Den Schaden will sich Siedentopp ersetzen lassen. Und zweitens: Der dm-Rucksack unterstütze nicht den nachhaltigen Handel und schade damit allen Produzenten von Mela, die nun nicht auf ihre Kosten kommen. Darüber müsste man mit dm sprechen. "Eine Spende oder eine andere Aktion wären denkbare Widergutmachungen. Zusätzlich natürlich eine klare Aussage zum Vorgang und dass man das nicht wiederholen wird. Diesen Weg sollte dm jetzt gehen", fordert der Mela-Chef.

Er kann richtig wütend werden: "Uns geht es um das Thema, dass wir einen Rucksack kreiert haben, der zertifiziert und nachhaltig ist. Das ist eine Weltneuheit, seit 2016 nicht nachgeahmt und von keinem anderen Hersteller so auf den Markt gebracht." Das Verfahren sei kompliziert, weil das Produkt "unglaublich ökologisch" ist. Und nun komme ein großes Unternehmen, das sich mit nachhaltigen Werten und Attributen schmücke, "bringt ein total unnachhaltiges Produkt auf den Markt und umgeht damit die eigenen Werte".

Bei dm schrillen deswegen seit dieser Woche die Alarmglocken. Eine interne Truppe wurde zusammengestellt, um zu prüfen, was an den Vorwürfen von Mela dran ist. Anschließend trafen sich die Vertreter beider Unternehmen am Donnerstag, den 8. Oktober. Den Verlauf des Gesprächs schildern nun beide Seiten unterschiedlich. Sebastian Bayer, verantwortlich für Marketing und Beschaffung bei dm, beginnt erst mit einer kleinen Entschuldigung: "Wir von dm-drogerie markt bedauern sehr, dass der Eindruck entstanden ist, unser Rucksack würde Ähnlichkeiten zu dem Artikel von Mela aufweisen." Dann kommt aber: "Bei einer genauen Betrachtung lassen sich zahlreiche relevante Unterschiede feststellen. Unser Anspruch ist es, dass Produkte von uns als solche gut erkannt werden können und wir werden in Zukunft darauf noch mehr achten. Derzeit auf dem Markt befindliche Rolltop-Rucksäcke ähneln sich oft." Die Sache mit der Nachhaltigkeit beantwortet Bayer so: "Wir von dm haben den Anspruch, gemeinsam mit den Herstellerpartnern unserer dm-Marken verantwortlich in Bezug auf Mensch und Natur zu handeln. Wir können die Lieferkette auch bei diesem Produkt nachvollziehen und gehen weiter als es der gesetzliche Standard vorsieht."

Für Mela reicht das bei weitem nicht aus. Das Gespräch bewertet Siedentropp als „"unbefriedigend". Er bleibt bei seinem Standpunkt: Entschuldigung, Schadensersatz und "Pusblu" muss aus dem dm-Sortiment verschwinden.

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