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Zukunftsmärkte > Macher der Woche

„Ein Arbeitsplatz ist eine Lebensperspektive“

Der Unternehmer Sven Höppner baute mit seinem Team gerade eine Niederlassung in der Ukraine auf, als Russland angriff. Jetzt findet er unkonventionelle Mittel und Wege, um ukrainischen Mitarbeitern und Flüchtenden zu helfen.

Sven Höppner
© Anne Großmann Fotografie

„Wir helfen jedem Mitarbeiter, außer Landes zu kommen, aber viele wollen bleiben“, beschreibt Sven Höppner seine Lage als Hamburger Unternehmer mit Niederlassung in der Ukraine. Er versteht sie. „Die Männer wollen ihre angegriffene Stadt Dnipro verteidigen, die Frauen sich nicht mit Kindern ins Ungewisse stürzen.“ Also versucht der geschäftsführende Gesellschafter der Werner-Wirth-Gruppe, anders zu helfen. In Litauen.

 

Dnipro, am Ufer der Samara gelegen, war ein guter Platz zum Leben. 400 Kilometer südöstlich von Kiew, fast eine Million Einwohner. Einst eine der wichtigsten Wirtschafts-, Industrie-, Metallurgie-, Transport- und Landwirtschaftsregionen, zu Sowjet-Zeiten ein Zentrum der Kernenergie-, Waffen- und Raumfahrtindustrie. Heute ein wichtiger Finanzstandort und Sitz des Operativen Armeekommandos Ost. Kurz: die perfekte Zielscheibe.

 

„Wir bauten gerade unserer Niederlassung auf“, sagt Höppner bitter. Corona hatte den Start 2020 verhindert, aber 2021 ging es los. 15 ukrainische Fachkräfte sollten die Produktion für Verbindungselemente und Kabelkonfektion aufbauen. Die Werner-Wirth-Gruppe ist ein Elektronik-Spezialist für Verbindungstechnik und Komponentenschutz.

 

„Wir stehen täglich in Kontakt mit dem Team in Dnipro und helfen so effektiv, wie es geht“, sagt Höppner. „Natürlich haben wir alle unsere Mitarbeiter in Deutschland und in unserer Niederlassung in Litauen gefragt: Wie können wir euch unterstützen, wenn ihr Freunde und Verwandte aus der Ukraine oder von den Grenzen abholen wollt?“ Als klar war, dass das Team aus Dnipro die Stadt nicht verlassen will, startete er Plan B. „Ich bin zutiefst überzeugt, dass ein Arbeitsplatz eine Lebensperspektive bietet.“ Arbeit stabilisiert die wirtschaftliche Lage und die Nerven. „Den Transport von Säuglingsnahrung können andere besser organisieren, aber Arbeitsplätze zur Verfügung stellen, das können wir.“

 

Mit Kriegsbeginn stellte er der Niederlassung in Litauen ein Extra-Budget zur Verfügung, damit geflüchtete Ukrainerinnen dort einen Job bekommen. „Hier fertigen wir vor allem manuell, weshalb wir eine Frauenquote von 70 Prozent haben - da findet sich auf jeden Fall Arbeit“, sagt der 52-Jährige und ergänzt seufzend, „aber wir brauchen noch Geduld. Die Situation gestaltet sich rechtlich sehr schwierig.“ Er setzt sich dafür ein, dass die Litauer Behörden die nötigen Arbeitserlaubnisse möglichst unbürokratisch vergeben. „Wir müssen unbedingt verhindern, dass die Geflüchteten nur ausharren dürfen und so psychisch immer stärker unter dem Krieg leiden“. Seine Konsequenzen: „Solange sich der Krieg noch nicht auf unsere Wirtschaft in Deutschland auswirkt – und das wird er noch –, verlagern wir so viel Arbeit wie möglich nach Litauen.“

 

Und die Unternehmensgruppe wird ab sofort bei Kenntnis russischer Beteiligung in der Lieferkette diese Geschäfte ablehnen. So lange, wie Russland kämpft oder ukrainisches Gebiet besetzt. „Die russische Wirtschaft ist nicht zu 100 Prozent Putin und seine Oligarchen, das wissen wir“, sagt Höppner, „und wir bedauern die Auswirkungen auf die russischen mittelständischen Unternehmer. Aber die Situation erfordert eine klare Positionierung. Das werden wir in den Ablehnungen auch kommunizieren.“

 

Auch als Familienmensch bringt ihn der Krieg um den Schlaf. „Ich habe viel Verwandtschaft dort, auch in den östlichen Separatistengebieten“, erzählt er. Wie kann er denen helfen? „Erst mal gar nicht“, antwortet er ein zweites Mal bitter. „Wir können Familienmitglieder nicht mehr einfach herausholen, nicht mal über Russland.“

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