Ende August 2012 trat Russland nach 18 Verhandlungsjahren der WTO bei. Dementsprechend hoch waren die Erwartungen an den Beitritt. Mit der Mitgliedschaft in der Handelsorganisation wurde auch tatsächlich eine Senkung der Einfuhrzölle von 10 Prozent auf 7,8 Prozent verwirklicht. Daneben standen die Automobil-, Landwirtschafts- und Lebensmittelbranche im Mittelpunkt, die sich erhofften, besonders von der Senkung der Import-Zölle zu profitieren. Abseits der gesunkenen Einfuhrzölle schaut die unternehmerische Realität allerdings trist aus: Russland setzt auf neue protektionistische Maßnahmen, die besonders deutschen Unternehmen zu schaffen machen.
Versteckte Gebühren belasten Mittelständler
„Diese neuen Maßnahmen belasten deutsche Unternehmen sogar mehr, als die Rückgänge der Einfuhrzölle durch den WTO-Beitritt sie einst entlastet haben.“, sagt der Russland Korrespondent von Germany Trade and Invest, Bernd Hones. Besonders hart trifft es die Automobilbranche. So gibt es hohe Entsorgungsgebühren auf ausländische Import-Autos, die schließlich sogar dazu führten, dass die EU sich bei der WTO beschwerte. Doch Hones glaubt nicht, dass es langfristig zu einer Verbesserung kommt: „Selbst wenn die Recycling-Gebühr zurückgenommen wird, werden wieder neue Maßnahmen auftauchen, die den russischen Markt schützen.“ Neben der Entsorgungsgebühr verärgert die deutsche Automobilbranche vor allem die Strafzölle für Nutzfahrzeuge wegen angeblichen Preis-Dumpings. Des Weiteren strebt Russland Zollveränderungen bezüglich des TIR Verfahrens für Lastwagentransporte an. Die Deutsche-Russische Auslandshandelskammer warnt, dass dies beim Export zu einem Transportkollaps an den Zollposten führen könnte. Vorerst wurde die Einführung von August auf Mitte September verschoben und wird, vermutet Russland-Experte Hones, aufgrund massiver Proteste auch von russischer Seite sogar zurückgenommen.
Russland diskriminiert deutsche Unternehmen
Der Grund, warum Russland immer noch ausländische Unternehmen diskriminieren kann ist, dass die Regierung beim Beitritt zur WTO es verweigert hat, ein Gleichstellungsabkommen bezüglich öffentlicher Ausschreibungen zu unterschreiben. Andere handelshemmende Maßnahmen treffen die Lebensmittelbranche und die Medizintechnik. So gibt es ein Einfuhrverbot für deutsche Milch- und Fleischerzeugnisse. Die Medizintechnik leidet vor allem unter der Bevorzugung russischer Unternehmen, die sich noch verstärken wird, wie der Experte vermutet. Auch in der Landtechnik gibt es bereits Subventionen für russische Unternehmen, von denen deutsche Unternehmen ausgeschlossen sind. „Und das, obwohl sie lokale Technik nutzen und russische Mitarbeiter vor Ort einstellen“, bemängelt Hones.
Diffuse Auswirkungen des Russland-Beitritts
Deutsche Unternehmen ziehen schon jetzt eine ernüchternde Bilanz. „Das Verhalten von Russland konterkarikiert den ganzen WTO Beitritt.“, sagt Bernd Hones. Besonders Unternehmen, die eine andere Entwicklung nach dem Beitritt erwartet hatten, sind stark enttäuscht. Da hilft es ihnen wenig, dass auch russische Unternehmen mit dem WTO-Beitritt des Landes unzufrieden sind. Laut einer Studie des russischen Verbandes für Industrie und Unternehmer sehen rund ein Viertel der Unternehmen in Russland negative Veränderungen durch die Mitgliedschaft in der WTO. Hones begründet dies vor allem mit der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der russischen Unternehmen.
Durch die Mitgliedschaft in der WTO verpflichten sich die Mitgliedsstaaten, Barrieren für den Handel untereinander abzubauen. So erhofften sich auch deutsche Mittelständler vor Ort eine Öffnung des russischen Marktes. Mit einem Handelsvolumen von 80 Milliarden Euro ist dieser für deutsche Unternehmen besonders attraktiv, Deutschland ist darüber hinaus einer der wichtigsten Handelspartner Russlands.
Ein Jahr WTO: Mittelständler in Russland enttäuscht

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