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Zukunftsmärkte > Sicherheitstechnikunternehmen Haverkamp

„Ein mittelständisches Unternehmen sollte auch im Ausland erfolgreich sein“

Als Student gründete Ulrich Haverkamp ein Unternehmen für Sicherheitstechnik. Heute verkauft er seine Produkte weltweit. Von seinen Expansionsplänen ins Ausland ließ er sich auch nicht durch eine Beinah-Pleite abhalten.

Vor einer Scheibe in Münster explodiert ein Sprengsatz. Ein lauter Knall wird von einer großen Druckwelle begleitet, die auch in den umliegenden Straßen noch spürbar ist. Doch das Glas hält dem Angriff stand. Zwar ziehen sich viele Risse durch die Scheibe, aber es fliegen keine Glassplitter durch die Gegend, und das Glas sitzt noch fest im Fensterrahmen. Ein Mann wirft daraufhin einen Molotowcocktail hinterher. Bis die Flüssigkeit verbrannt ist, steht die Scheibe kurz in Flammen. Auch diese Attacke übersteht das Fenster, ohne zu bersten.

Was wie eine Mischung aus Terroranschlag und Einbruchsversuch wirkt, ist in Wirklichkeit eine Produktvorführung des mittelständischen Sicherheitstechnikherstellers Haverkamp aus Münster. Das Unternehmen stellt unter anderem Polyesterfolien her, die weniger als einen halben Millimeter dick sind und auf der Innenseite von Scheiben befestigt werden. Die Folien sollen verhindern, dass das Glas bei Angriffen mit Bomben oder Schlagwaffen zerbricht und splittert. In Regierungsgebäuden in Oslo sind die Folien des Mittelständlers schon seit Jahren im Einsatz. Als dort 2011 ein Rechtsterrorist einen Anschlag verübte, retteten sie Dutzenden Menschen das Leben. Die Folien von Haverkamp schützen auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.

Ende der siebziger Jahre wütete die Rote Armee Fraktion in Deutschland. Spitzenpolitiker und Topmanager mussten Anschläge auf ihr Leben fürchten. Haverkamp las damals in einer Zeitung von der Erfindung eines niederländischen Unternehmers. Der Mann hatte eine Splitterschutzfolie für Fenster entwickelt und suchte für Deutschland nach einem Vertriebspartner. Für Haverkamp war es die Gelegenheit, sich selbständig zu machen. Kurzerhand kontaktierte er den holländischen Unternehmer und wurde mit ihm einig. Als Haverkamp 1978 sein Sicherheitsunternehmen gründete, war er noch als BWL-Student in Münster eingeschrieben. „Ich wollte immer schon eigene Ideen entwickeln und umsetzen“, sagt der heute 62-Jährige. Die Partnerschaft mit dem niederländischen Geschäftsmann kam ihm da gerade recht.

Fortan widmete er sich mit seinem Unternehmender Sicherheitstechnologie und entwickelte die Produkte weiter. Die Splitterschutzfolie wurde um neue Schichten ergänzt und damit widerstandsfähiger. Und Haverkamp erweiterte auch sein Geschäftskonzept: Er bot nicht mehr nur Schutzvorrichtungen für Fenster und Türen an, sondern entwickelte mit seinen Mitarbeitern auch die Technologie für einen Sicherheitszaun und Sensoren für das Grundstück,die erkennen, wenn jemand den Boden betritt. Später kam noch der sogenannte Panic Room dazu, ein Rückzugsraum im Gebäude, in den Leute bei einem Angriff fliehen, die Tür verriegeln und anschließend die Polizei rufen können. Laut Haverkamp gibt es kein anderes Unternehmen in Deutschland, dass ein solches ganzheitliches Gebäudesicherungskonzept anbietet.

Ingenieur oder Techniker ist Haverkamp nicht. „Die Funktionsweise von technischen Produkten hat mich schon als Kind interessiert.“ Sein Wissen über Technologien hat er sich selbst im Laufe der Jahre beigebracht und bei zwei Jobs in den Semesterferien bei einem Kunststoffproduzenten und einem Unternehmen für Fahrbahnmarkierungen vertieft. Diese Erfahrungen halfen ihm dann bei der Gründung seines Unternehmens.

 

Mehr als 90 Prozent der Produkte von Haverkamp stammen aus eigener Produktion: „Eigentlich sind wir fünf Unternehmen in einem“, sagt der Chef. Das bedeutet ganz eigene Herausforderungen. Die Mitarbeiter müssen technisches Know-how in den unterschiedlichsten Bereichen mitbringen und weitergebildet werden, da das Unternehmen nicht nur Folien, sondern auch Sicherheitszäune oder Kamerasysteme entwickelt. Doch zugleich hat dieses Konzept den Vorteil, dass sämtliche Produkte aufeinander abgestimmt sind. Dazu hat das Unternehmen eine eigene Software entwickelt.

Fehlschlag in Arabien

Nicht immer ging es mit dem Unternehmen nur bergauf. 2008 wollte der Mittelständler stärker wachsen und dafür den Exportanteil erhöhen. „Ein mittelständisches Unternehmen mit guten Produkten sollte auch im Ausland erfolgreich sein“, war und ist Haverkamp bis heute überzeugt. Eine Marktanalyse wies Russland und Arabien als die Regionen mit dem größten Potential aus: „Da ich weder Kälte noch Wodka mag, fiel die Wahl schnell auf den Mittleren Orient“, sagt er mit einem Augenzwinkern.

Zahlen & Daten

 

Haverkamp GmbH

 

  • Gründung: 1978, Firmierung als GmbH ab 1982
  • Umsatz: 9 Millionen Euro (2017)
  • Mitarbeiterzahl: 84
  • Exportanteil: 12 Prozent
  • Firmensitz: Münster

In den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) erhielt der Mittelständler von einem staatlichen Energieversorger den Auftrag, ein Kraftwerk mit Sicherheitstechnologie auszustatten. Das Geschäft im Wert von über fünf Millionen Euro verlief reibungslos. Also nahm das Unternehmen einen weiteren Auftrag für die Sicherheitsausstattung von vier weiteren Kraftwerken an. Doch der Bauherr in den VAE geriet in Schwierigkeiten. Die Führungsspitze wurde ausgetauscht, die Baustelle stand still. Von den vertraglich zugesagten 26 Millionen Euro erhielt Haverkamp am Ende nur 18 Millionen. Die fehlenden acht Millionen trieben das Unternehmen, dessen Bilanzsumme Ende 2013 knapp acht Millionen Euro betrug, beinahe in den Ruin. Haverkamp musste 2014 ein Planinsolvenzverfahren beantragen. Nach einigen Monaten einigte sich das Unternehmen mit seinen Gläubigern, die auf einen Teil der Verbindlichkeiten verzichteten. Im Gegenzug musste der Betrieb die Kosten reduzieren. Von 104 Mitarbeitern musste knapp die Hälfte gehen. „Das war eine schmerzliche Erfahrung für mich und natürlich vor allem für meine Mitarbeiter“, sagt Haverkamp. Dafür ist der Mittelständler nicht mehr überschuldet und konnte den Betrieb aufrechterhalten.

Von seinen Expansionsplänen ins Ausland lässt sich Haverkamp auch von der Beinah-Pleite nicht abhalten. Mit einem lokalen Unternehmer hat er in den VAE ein Joint Venture gegründet und will dort weiter Geschäfte machen. „Ich gebe nicht auf, ich bleibe immer am Ball“, sagt der Gründer, der in den VAE genauso wie im deutschen Markt viel Potential sieht: „Die Sicherheitstechnologie ist ein Wachstumsmarkt.“ Von allen wichtigen Sicherheitslösungen der Zukunft soll ein Teil auch aus dem Hause Haverkamp stammen.


Der Artikel gehört zu einem Thema aus der „Markt und Mittelstand“-Ausgabe Oktober 2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.

 

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