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Zukunftsmärkte > Gastbeitrag

Ein Schlag ins Gesicht

„Standpunkt“ zur EU-Taxonomie

Illustration von Europas Landkarte, mit Bezug auf erneuerbare Energien.
Der Handel mit Solarmodulen und Ökostrom ist nicht in den EU Taxonomie-Kriterien berücksichtigt.

Wie glaubwürdig ist die EU beim Umbau der Wirtschaft in Richtung Nachhaltigkeit? Mit ihrem Plan, die Energieerzeugung aus Atomkraft und Erdgas in die EU-Taxonomie aufzunehmen, lässt die EU-Kommission jedenfalls erhebliche Zweifel an ihrer Ernsthaftigkeit zu. Der Sturm der Entrüstung, der zu Silvester aufzog, ist mittlerweile zu einem Orkan herangewachsen. Was dabei in dieser aufgeladenen Debatte leicht übersehen wird, ist der eigentliche Skandal: Während zwei Auslaufmodelle der Energiegewinnung in ein grünes Mäntelchen gehüllt werden, werden umgekehrt Teile der erneuerbaren Energien künftig schlechter gestellt.

 

Der Handel mit Solarmodulen und Ökostrom zum Beispiel ist nicht in den Taxonomie-Kriterien berücksichtigt. Sie gelten somit als nicht signifikant für Nachhaltigkeit – anders als der Bau und Betrieb von Atom- und Erdgaskraftwerken. Das ist ein Schlag ins Gesicht all jener Unternehmerinnen und Unternehmer, die bereits seit Jahren und Jahrzehnten ihren Beitrag im Sinne des europäischen Umwelt- und Klimaschutzes leisten und nun durchs Raster fallen, weil sie – ja, was eigentlich? Vergessen wurden? Oder bewusst ausgespart?

 

EU-Taxonomie

Die EU-Taxonomie soll den grünen Umbau der europäischen Wirtschaft finanzieren. Sie deckt aber nur Teile der Wertschöpfung ab. Das bedeutet: Unternehmen, deren Beitrag zur Minderung des Klimawandels laut EU-Taxonomie derzeit nicht als signifikant bewertet ist, laufen Gefahr, damit in der Bewertung als weniger nachhaltig dazustehen, als sie tatsächlich sind. Infolgedessen können sie womöglich bald keine grünen Finanzierungsinstrumente – das Steuerungsmittel der EU-Taxonomie für den Umbau der Wirtschaft – mehr nutzen. Anstatt, wie vorgesehen, nachhaltige Unternehmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, legt ihnen die EU-Kommission Steine in den Weg. Das hemmt nicht nur klimafreundliche Investitionen, sondern vernichtet im schlimmsten Fall Arbeitsplätze. Ganz zu schweigen davon, dass sich der angestrebte grundlegende Umbau der Wirtschaft verzögern und verteuern wird. Es ist absurd, dass die EU-Kommission damit ausgerechnet den – auch für günstigere Strompreise – dringend notwendigen Ausbau der erneuerbaren Energien ausbremst.

 

Nachteile des Mittelstands

Deutschland, dessen Wirtschaft stark mittelstandsgeprägt ist, ist davon besonders bedroht: Der Mittelstand wird in Brüssel nicht gesehen und profitiert nicht von den Vorteilen der EU-Taxonomie oder wird sogar benachteiligt. Und ob die von der Ampel-Koalition ausgegebenen Energieziele bis 2030 realistisch sind, wage ich spätestens jetzt zu bezweifeln: Allein im Solarbereich soll bis dahin die installierte Leistung von derzeit 59 Gigawatt (GW) auf 200 GW steigen. Wir brauchen also jedes Jahr einen Zubau von durchschnittlich 16 GW. Wie wollen wir das hinbekommen, wenn der Solarhandel, der die Lieferung der dafür notwendigen Produkte sicherstellt, EU-taxonomisch nicht berücksichtigt wird?

Prof. Klaus Josef Lutz


Vorstandsvorsitzender der BayWa AG und Präsident des Bayerischen Industrie- und Handelskammertages

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