
Hannover Messe, Cebit, IAA und Co.: In Deutschland gibt es etliche Industrieschauen, die sich ob der Quantität und Qualität ihrer Aussteller und Besucher mit Fug und Recht „Weltleitmesse“ nennen. Daneben tummeln sich noch Hunderte kleinerer Spezialausstellungen, die sich an unterschiedlichste Branchen und Zielgruppen richten. Und es gib eine Sonderform: die Hausmesse.
„Unter einer klassischen Hausmesse verstehe ich: Ein einzelnes Unternehmen präsentiert sich und sein Angebotsportfolio – und bindet mögliche Lieferanten in diese Leistungsschau ein“, sagt Jan Gerrit Ebener. Er gehört der Geschäftsleitung der Nürnberg Messe an und ist als Bereichsleiter Gastveranstaltungen und Kongresse für solche gemieteten Fremdmessen verantwortlich. „Entweder kommt das ausstellende Unternehmen direkt auf unser Team zu“, erklärt er, „oder es beauftragt eine Agentur, die das Ausstellungskonzept entwirft und dann die entsprechende Hallenfläche für die gewünschte Dauer anmietet.“ Die Messegesellschaft fungiert in diesem Fall lediglich als Vermieter der Location und vermittelt bei Bedarf Dienstleister für Messebau, Beleuchtung oder Catering. „Auf das Konzept selbst nehmen wir bei Hausmessen keinen Einfluss, stehen aber beratend zur Seite“, betont Ebener.
Hoher Aufwand
Zwölf solcher Veranstaltungen gab es in Nürnberg im Messejahr 2016/17: Manche begnügten sich mit 2.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, andere füllten gleich mehrere Hallen. Die Rifa-Messe des Sanitärgroßhändlers Richter + Frenzel etwa, die seit vielen Jahren im zweijährigen Turnus stattfindet, lockt zum Beispiel im kommenden Oktober mit über 250 einzelnen Ständen. „Viele Unternehmen betreiben großen Aufwand, um ihre Kunden an sich zu binden“, berichtet Ebener. So gebe es für Premiumkunden opulente Abendveranstaltungen, zu denen auch die Familie eingeladen werde, außerdem Bespaßung für die Kinder und Wellness für die Ehefrauen. Die direkte Zielgruppenansprache sei der große Vorteil von Hausmessen, betont Ebener.
Zahlreiche Unternehmen, die das Format Hausmesse oder Firmenevent einsetzen, bekommen damit „Appetit auf mehr“, berichtet Ebener. Gerade ein attraktives Gesamtportfolio am Messestandort führe in zahlreichen Fällen dazu, dass sich mittelständische Unternehmen an bestehenden Fachmessen als Aussteller beteiligten. Parallel hierzu lasse die momentane wirtschaftliche Boomphase auch das Budget für Corporate Events steigen. Für den Ausstellungsexperten aus Nürnberg steht fest: In vielen Fällen ist die Hausmesse erst der Einstieg in das Marketinginstrument Messe.
Roadshow: Von Kunde zu Kunde

Einen ganz eigenen Weg, sich zu präsentieren, hat der Kölner Kunststoffverarbeiter und Lagertechnikhersteller Igus gewählt. Das Unternehmen veranstaltet eine mobile Hausmesse bei seinen Kunden, erklärt Prokurist Tobias Vogel, der das Thema bei Igus mitbetreut. Zwei Messebauer fahren mit einem Anhänger voll Maschinen und Produkten von Kunde zu Kunde – „wie eine Musikkapelle“, sagt Vogel. Dort wird dann frühmorgens aufgebaut, bevor ab 8:30 Uhr zwei Igus-Außendienstmitarbeiter kommen, die Produkte vorführen und Fragen beantworten. Sowohl die Auswahl der Mitarbeiter vor Ort als auch die Ausstellungs- und Vorführstücke sind dabei auf den jeweiligen Kunden abgestimmt. Denn was nutzt es, einem Logistikanbieter die neuesten Lösungen für die Werkzeugmaschinenindustrie vorzuführen?
Durch den Einsatz des Ausstellungsanhängers ist die Präsentation einer deutlich größeren Anzahl und Vielfalt von Produkten möglich. Die Gespräche laufen in einer ungezwungenen und offenen Atmosphäre ab: „Bei unseren mobilen Hausmessen geht es weniger um den Verkauf als um Informationsvermittlung“, sagt Tobias Vogel. Informiert werden sollen vor allem auch jene Mitarbeiter des Igus-Kunden, die sonst nie auf eine Messe fahren: „Deren Feedback hilft uns oft besonders.“ Zudem besteht vor Ort häufig die Möglichkeit, die Anwendungen des jeweiligen Kunden live und in Farbe zu betrachten.
Industriemessen zur Neukundenakquise
Verkaufsfördernd wirken die Roadshows von Igus natürlich dennoch: „Wenn wir unsere Produkte etwa dem Monteur unseres Kunden vorstellen, entscheidet der zwar nicht selbst, was eingekauft wird“, sagt Vogel. Als Meinungsbildner innerhalb ihres Betriebs spielten die Anwender aber eine wichtige Rolle. Aber lohnt sich der Aufwand? „Eine klare Kosten-Nutzen-Rechnung kann man nicht machen“, sagt Tobias Vogel. Er ist sich aber sicher, dass eine gezielte und punktgenaue Kommunikation mit den Anwendern auf Kundenseite die Geschäftsbeziehung stärkt. „Unsere Kunden nutzen unsere Roadshows gern, um sich auf den Stand der Dinge zu bringen“, berichtet Vogel. So hätten mehrere Kunden, bei denen die mobile Hausmesse stattfand, darum gebeten, dass Igus zwei Jahre später wieder vorbeikomme – um die neue Produktpalette zu präsentieren.

Zur Neukundenakquise setzt Igus auch weiterhin auf die Teilnahme an traditionellen Industriemessen. Dass immer mehr mittelständische Unternehmen eine solche „Doppelstrategie“ fahren, beobachtet Jan Gerrit Ebener von der Nürnberg Messe häufig. „Diejenigen, die die Organisation einer Hausmesse auf sich nehmen, gehen in der Regel auch auf Fachmessen“, sagt er. Denn nur dort treffe sich die gesamte Branche inklusive potentieller neuer Kunden aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt. Um neue Kunden zu gewinnen, seien klassische Messen besser geeignet als Hausmessen. Das erscheint logisch: Denn diese richten sich in der Regel an Bestandskunden.
Natürlich sind bei den großen, öffentlichen Industrieschauen auch die unmittelbaren Wettbewerber vor Ort – mitsamt der Gefahr, dass sie einem die Kunden wegschnappen. Doch Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.
Hausmesse, Roadshow, Ausstellung
Der Begriff „Hausmesse“ wird heute kaum noch gebraucht. Neudeutsche Kreationen wie Roadshow, Firmenevent oder Convention haben ihn weitgehend abgelöst. Hinzu kommt: Ob sich eine Hausmesse, rein rechtlich gesehen, überhaupt Messe nennen darf, ist umstritten. Denn eigentlich schreibt die Gewerbeordnung vor, dass auf einer Messe die wesentlichen Aussteller einer Branche vertreten sein müssten. Eine ernsthafte Rolle spiele diese theoretische Diskussion heute allerdings kaum noch, sagt Jan Gerrit Ebener von der Nürnberg Messe. Der Begriff „Hausmesse“ klinge einfach altbacken und sei daher in der heutigen Zeit unüblich geworden.

Dieser Text gehört zu einem Thema aus der Markt-und-Mittelstand-Ausgabe 05/2018. Hier können Sie das Heft bestellen und „Markt und Mittelstand“ abonnieren.