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Zukunftsmärkte > EU-Mercosur-Abkommen Mittelstand

EU-Mercosur-Deal: Mittelstand zwischen Euphorie und Skepsis

Das Freihandelsabkommen zwischen EU und Mercosur-Staaten verspricht neue Märkte, stößt aber auf Kritik. Was bedeutet es für den Mittelstand?

EU- und Mercosur-Flaggen symbolisieren eine neue Ära des Freihandels. (Foto: Shutterstock)

Nach zwei Jahrzehnten zäher Verhandlungen steht das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den MERCOSUR-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay vor dem Abschluss. Mit einem Schlag entsteht ein gemeinsamer Markt von über 700 Millionen Menschen – ein Meilenstein für die globale Handelspolitik. Doch was bedeutet dieser Deal konkret für den deutschen Mittelstand?

 

Neue Horizonte: Der Mercosur-Markt als Chance für den Mittelstand

Der Mercosur repräsentiert die fünftgrößte Wirtschaftsregion der Welt. Die Staaten des Mercosur sind mit Ausfuhren in Höhe von 2,23 Milliarden Euro in 2023 (-3,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr) ein ausbaufähiger Markt für die deutsche Exportwirtschaft. Für deutsche Unternehmen öffnet sich damit ein Tor zu einem Markt mit enormem Potenzial. Besonders der Mittelstand, das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, könnte von diesem Abkommen profitieren.

Laut EU-Angaben exportieren bereits rund 12.500 deutsche Unternehmen in den Mercosur-Raum, wobei bemerkenswerte 72 Prozent davon kleine und mittlere Betriebe sind. Diese Exporte sichern nach Schätzungen der EU rund 244.000 Arbeitsplätze in Deutschland. Mit dem Wegfall von Zöllen und Handelsbarrieren dürfte sich diese Zahl noch deutlich erhöhen.

Zollabbau und Marktzugang: Konkrete Vorteile für Exporteure

Ein zentraler Aspekt des Abkommens ist der Abbau von Zöllen. Bisher mussten beispielsweise deutsche Autohersteller für ihre Exporte in die Mercosur-Staaten Zölle von 35 Prozent entrichten. Diese Barriere führte dazu, dass 2023 lediglich 20.700 Pkw aus Deutschland nach Argentinien und Brasilien exportiert wurden. Mit dem Wegfall dieser Zölle eröffnen sich völlig neue Perspektiven.

Auch andere Branchen profitieren: Zölle auf Schokolade und Süßwaren (20 Prozent), Wein (27 Prozent), Spirituosen (20 bis 35 Prozent) und Erfrischungsgetränke (20 bis 35 Prozent) sollen ebenfalls fallen. Dies kann insbesondere für mittelständische Lebensmittelhersteller neue Absatzchancen eröffnen.

 

Die wichtigsten Vorteile des EU-Mercosur-Abkommens für den Mittelstand

  • Abbau von Zöllen und Handelsbarrieren
  • Verbesserter Zugang zu einem Markt mit 260 Millionen Verbrauchern
  • Erleichterter Zugang zu kritischen Rohstoffen wie Lithium und Kupfer
  • Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Konkurrenten aus anderen Weltregionen
  • Potenzial für Investitionen und Aufbau neuer Geschäftsbeziehungen
  • Vereinfachte Zollverfahren und Bürokratieabbau

Umwelt- und Sozialstandards: Balanceakt zwischen Wirtschaft und Nachhaltigkeit

Trotz der wirtschaftlichen Chancen sieht sich das Abkommen auch mit Kritik konfrontiert. Umweltschützer befürchten, dass die neuen Absatzchancen für landwirtschaftliche Produkte die Abholzung des Amazonas-Regenwaldes beschleunigen könnten.

Greenpeace prognostiziert einen Anstieg der Abholzungsraten in der Mercosur-Region um fünf Prozent pro Jahr in den kommenden sechs Jahren.

Auch europäische Landwirte äußern Bedenken. Sie warnen vor Billigkonkurrenz aus Südamerika, wo Lohnkosten und Umweltstandards niedriger sind. Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbands, befürchtet eine Verdrängung heimischer Erzeugnisse "zum Nachteil von Verbrauchern, Landwirten, Tieren, Umwelt und Klima".

Die EU und die Bundesregierung betonen jedoch, dass das Abkommen Schutzmechanismen für sensible Agrarprodukte enthält und dass alle Importe weiterhin den EU-Standards entsprechen müssen. Zudem soll das Pariser Klimaschutzabkommen besondere Berücksichtigung finden.

Geopolitische Dimension: Europas Antwort auf globale Handelsspannungen

Das EU-Mercosur-Abkommen hat neben der wirtschaftlichen auch eine bedeutende geopolitische Dimension. In Zeiten zunehmender Handelsspannungen und protektionistischer Tendenzen setzt die EU ein klares Zeichen für offene Märkte und internationale Zusammenarbeit.

Für den deutschen Mittelstand bietet dies die Chance, seine Lieferketten zu diversifizieren und die Abhängigkeit von einzelnen Märkten wie China zu reduzieren.

Ingo Kramer, Vorsitzender der Lateinamerika Initiative der Deutschen Wirtschaft, betont: "Ob Lithium, kritische Rohstoffe oder Wasserstoff: Wir brauchen Lateinamerika, und wir brauchen insbesondere dessen größten gemeinsamen Wirtschaftsraum, den Mercosur."

Fazit

Das EU-Mercosur-Abkommen eröffnet dem deutschen Mittelstand zweifellos neue Chancen. Es verspricht Zugang zu einem riesigen Markt, Kostenersparnisse durch Zollabbau und die Möglichkeit zur Diversifizierung von Lieferketten. Gleichzeitig stellt es Unternehmen vor die Herausforderung, sich in einem neuen Wettbewerbsumfeld zu behaupten und hohe Nachhaltigkeitsstandards zu wahren.

Die kommenden Monate werden zeigen, wie die Details des Abkommens umgesetzt werden und welche konkreten Auswirkungen es auf einzelne Branchen haben wird. Für den Mittelstand gilt es nun, sich frühzeitig auf die neuen Marktbedingungen einzustellen und die sich bietenden Chancen zu nutzen – ohne dabei die Risiken aus den Augen zu verlieren.

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