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„EU schafft ein bürokratisches Monster“

Aus Stuttgart erklingt heftige Kritik an der EU-Taxonomie. Der Bürokratiezuwachs belaste kleine und mittelständische Unternehmen.

EU-Flaggen wehen vor einem Gebäude der Europäischen Union.
Vertreter der Wirtschaft in Baden-Württemberg und die baden-württembergische Regierung kritiseren die neue europäische Gesetzgebung.

Ungewöhnlich heftig haben die Stuttgarter Landesregierung und Vertreter der baden-württembergischen Wirtschaft den klimapolitischen Kurs der EU kritisiert. „Die EU-Taxonomie wächst zunehmend zu einer Belastung für den Mittelstand heran“, klagte Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) im Rahmen eines Gipfeltreffens mit EU-Vertretern unter anderem mit Industriekommissar Thierrry Breton. So seien die immer detaillierteren Vorschriften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ein „Bürokratiekrake“ geworden. Statt immer kleinteiliger zu klassifizieren, sei es zielführender, auf die Lenkungswirkung effizienter marktwirtschaftlicher Mechanismen wie den europäischen Emissionshandel zu setzen, so die Ministerin. Hier werde dem Klimaschutz ein Bärendienst erwiesen.


„Es ist alles andere als trivial, die Geschäftstätigkeit bis ins Detail nach den neuen Vorgaben in Kennziffern zu pressen. Kleine und mittlere Unternehme, die das nicht im Detail liefern können, laufen Gefahr künftig Schwierigkeiten bei der Finanzierung zu bekommen“, warnt Hoffmeister-Kraut. Das bestätigt Peter Schneider, Präsident des Sparkassenverbandes Baden-Württemberg: „Die europäische Gesetzgebung sollte mehr mit der mittelständischen Brille gestaltet werden.“ Brüssel schaffe derzeit mit regulatorischem Wahnsinn ein bürokratisches Monster. So müsse allein die Landesbank Baden-Württemberg Kredite im Volumen von 150 Milliarden Euro nach ESG-Kriterien überprüfen. „Und am Ende stehen Unternehmen vor einer roten Ampel.“


Die Stuttgarter Landesregierung fordert mehr Gestaltungsmöglichkeiten, um den Transformationsprozess der Unternehmen begleiten zu können. „Auch wirtschaftsstarke Regionen brauchen Möglichkeiten im Beihilferecht. Ein erster Schritt wäre, dass die EU-Erleichterungen aus der Corona-Krise auf die Transformation überträgt“, erklärter Hoffmeister-Kraut. „Vorgaben allein sind zu wenig. Die Politik muss die Voraussetzungen schaffen, damit alle die Ziele erreichen können“, betonte Roman Zitzelsberger, Chef der IG Metall in Baden-Württemberg. Dazu brauche es neben der Förderung nachhaltiger Technologien vor allem die Unterstützung stark betroffener Regionen sowie eine aktive Beschäftigungs- und Qualifizierungspolitik.


„Fast alle Industrieländer unterstützen ihre Unternehmen stärker in Forschung und Entwicklung als Deutschland. Industrielle Gemeinschaftsforschung und steuerlicher Forschungsförderung sind hier die Förderinstrumente der Wahl“, betonte Hartmut Rauen, stellvertretender -Hauptgeschäftsführer des Verbands der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer. Neun von zehn Unternehmen im Maschinenbau wollten die Forschungszulage in zusätzliche Innovationen investieren. Die Förderung erfolgte nah am innovativen Arbeitsplatz und stärke Deutschland im internationalen Standortwettbewerb. „Mit einer deutlichen Ausweitung können wir Transformationsprozesse etwa einer klimaneutralen Produktion und nachhaltigen Wirtschaft noch offensiver angehen.“


Nach einer Innovationserhebung des ZEW haben kleine und mittlere Unternehmen (KMU) haben ihre Investitionen in Forschung und Entwicklung um sechs Prozent reduziert. Für 2022 wird ein weiterer Rückgang um acht Prozent erwartet. Großunternehmen habe ihre Investitionen dagegen für 2021 um 3,6 erhöht und wolle sie 2022 um weitere drei Prozent steigern. „Die Corona-Pandemie scheint somit bei den KMU stärkere und längerfristige Spuren zu hinterlassen“, urteilt das ZEW.

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