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Zukunftsmärkte > Corona-Krise

Exit-Pläne: Was Wissenschaftler der Politik und der Wirtschaft raten

Schritt für Schritt will die Politik in den kommenden Wochen und Monaten die Corona-bedingten Einschränkungen für Unternehmen zurücknehmen. Wie das funktionieren kann, haben verschiedene Forschungsinstitute untersucht.

Welche Lockerungen sollten wann und für welche Betriebe erfolgen? Wie lässt sich verhindern, dass die Infiziertenzahlen in die Höhe schnellen, wenn die Wirtschaft wieder anläuft? Forscher der Deutschen Akademie der Naturwissenschaften Leopoldina, des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln und des Ifo Instituts haben jeweils Thesenpapiere veröffentlicht, worauf es ihrer Meinung nach beim Exit vom Lockdown ankommt. Wir haben die für die Unternehmen wichtigsten Punkte zusammengefasst.

Die Empfehlungen der Leopoldina:

Nach Überzeugung der Leopoldina werden die bereits beschlossenen wirtschaftlichen Hilfen nicht ausreichen, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Weitere konjunkturpolitische Maßnahmen seien erforderlich, betonen die Forscher aus Halle. Dazu könnten etwa steuerpolitische Instrumente wie die Abschaffung der Mindestbesteuerung bei Verlustvorträgen gehören. 

Die Bundesregierung sollte bei ihren wirtschaftlichen Hilfen zudem gezielt nachhaltige Unternehmen und Geschäftsfelder besonders fördern, etwa über Subventionen. „Mit einer nachhaltigen Ausrichtung der jetzt getätigten Investitionen und Programme entstünde die Freiheit der Beteiligten, die notwendigen Änderungen […] umzusetzen, dringend nötige Technologieoffenheit beispielsweise bei der Energiewende herzustellen sowie regionale und globale Stoffkreisläufe zu schließen“, schreiben die Forscher in ihrem Papier. Die Corona-Krise sei eine historische Chance, den Kampf gegen den Klimawandel zu stärken und damit nicht nur Umweltschäden, sondern auch die daraus entstehenden massiven Kosten für Unternehmen und Steuerzahler zu vermeiden. 

Kurzfristig müsste die Politik den Unternehmen vor allem Hilfen zur Überbrückung der schwierigen Situation bereitstellen. Dazu gehörten Kurzarbeit, Liquiditätshilfen, Steuerstundungen und Zuschüsse, um Insolvenzen zu vermeiden. Staatliche Beteiligungen sollten nur im äußersten Notfall zur Stabilisierung von Unternehmen eingesetzt werden und dürften nicht mit industriepolitischen Zielen verknüpft werden. Daher raten die Forscher zu stillen Beteiligungen, die der Staat nach der Krise so schnell wie möglich wieder verkaufen müsse.

Mittelfristig seien weitere expansive fiskalpolitische Impulse notwendig. Auf der Einnahmenseite könnten dies Steuererleichterungen sein, aber auch die teilweise oder vollständige vorzeitige Abschaffung des Solidaritätszuschlags. Auf der Ausgabenseite seien neben vorhandenen Stabilisatoren, wie der Arbeitslosenversicherung, zusätzliche Mittel für öffentliche Investitionen, beispielsweise im Gesundheitswesen, der digitalen Infrastruktur und dem Klimaschutz, wichtig.

Die Bundesregierung solle sich zudem während der Covid-19-Pandemie für grenzüberschreitende Hilfeleistungen innerhalb der Europäischen Unionen einsetzen. Ansonsten drohe, so fürchtet die Leopoldina, eine Desintegration der EU sowie eine wirtschaftliche Schwächung der Nachbarländer. Dies würde Deutschland mit seinen zahlreichen exportorientierten Unternehmen empfindlich schaden. Daher müsse sich Deutschland allein schon aus wirtschaftlichen Überlegungen für eine stärkere internationale Zusammenarbeit starkmachen.

Eine gemeinschaftliche europäische Krisenbekämpfung umfasse beispielsweise die Bereitstellung von genügend Liquidität durch die Europäische Zentralbank, finanzielle Unterstützung aus dem EU-Haushalt und zusätzliche Programme der Europäischen Investitionsbank.

Die Empfehlungen des Ifo Instituts:

Je nach Regionen und wirtschaftlichen Bereichen unterscheiden die Ökonomen des Ifo Instituts die Situation und die Auswirkungen der Corona-Pandemie. Dies müsse auch die Politik bei den Lockerungen berücksichtigen. Allerdings seien die verschiedenen Branchen wirtschaftlich miteinander verflochten, etwa durch Lieferketten. Für eine Differenzierung bei der Lockerung der Maßnahmen bleibe so nur wenig Spielraum.

Es sei zudem sowieso nicht die Aufgabe der Politik, einzelne Wirtschaftszweige zu öffnen oder zu schließen, warnen die Forscher in ihrem Papier, das hätte einen „planwirtschaftlichen Charakter, der in der Praxis nicht funktioniere“. Stattdessen solle die Bundesregierung nur Kriterien aufstellen, nach denen die Unternehmen weitgehend selber entscheiden, wann für sie persönlich eine Lockerung möglich sei. Diese Richtlinien könnten laut Ifo Institut etwa sein:

  • Sektoren mit niedriger Ansteckungsgefahr wie zum Beispiel hochautomatisierte Fabriken sollten zuerst öffnen.
  • Zusammenhänge zwischen Sektoren sollten berücksichtigt werden. Beispielsweise könnten viele Menschen mit Kindern nicht zur Arbeit gehen, wenn Kindertagesstätten und Schulen geschlossen sind.
  • Sektoren, in denen gut mit Homeoffice und digitalen Techniken gearbeitet werden kann, sollten weniger Priorität haben als Sektoren, in denen das nicht geht.
  • Hohe Wertschöpfung, wie sie insbesondere Teile des verarbeitenden Gewerbes aufweisen, sollte als Kriterium für prioritäre Öffnung berücksichtigt werden.
  • Regionen mit niedrigeren Infektionsraten und geringerem Verbreitungsrisiko könnten eher geöffnet werden.
  • Nach der Ausbildung von natürlicher Immunität könnten vor allem Bereiche und Regionen geöffnet werden, in denen sich eine hohe Immunität nachweisen lasse.
  •  Regionen mit freien Kapazitäten in der Krankenversorgung könnten eher geöffnet werden.

Die Empfehlungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft Köln:

Auch das IW Köln weist in seinem Papier daraufhin, dass die Politik bei ihren Lockerungen die Verflechtungen zwischen den einzelnen Wirtschaftszweigen berücksichtigen müsse. Da die Unternehmen oft international ausgerichtet seien, müssten die Grenzen innerhalb der EU für den Warentransport weiter offen bleiben, ohne lange Verzögerungen etwa durch Kontrollen. Zudem seien einige Branchen auf ausländische Arbeitskräfte angewiesen – nicht nur die Landwirtschaft. Diese sollten schnellstmöglich wieder nach Deutschland einreisen dürfen. Eine Möglichkeit, um Ansteckungsrisiken zu minimieren, seien Schnelltests an der Grenze. Die Politik sollte sich darum bemühen, die Zahl solcher Tests zu erhöhen. Sobald es genügend davon gebe, könnten Unternehmen diese auch regelmäßig in ihren Betrieben einsetzen.

In den ersten Wochen nach Wiederanfahren werde in vielen Unternehmen die Liquiditätssituation weiterhin kritisch sein, zumal wenn verlorene Umsätze nicht nachgeholt werden können. Um die Unternehmen nicht zu gefährden, müsse sich die öffentliche Hand bei Steuernachzahlungen, Sozialversicherungsbeiträgen und Rückzahlungen von Überbrückungskrediten großzügig verhalten. Auch der Forderungsverzicht bei einer Fortführung der Geschäftstätigkeit sei eine Option. Eine steuerliche Entlastung – zum Beispiel die vollständige Abschaffung des Solidaritätszuschlags im Sommer – wäre ein Aufbruchsignal an Konsumenten und Unternehmen und könne wie ein Startschuss für einen neuen Aufschwung wirken.

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