Beitrag teilen

Link in die Zwischenablage kopieren

Link kopieren
Suchfunktion schließen
Einkauf, Marketing und Marken > Elektromobilität

Flaute bei E-Autos bremst Marquardt aus

Der schwäbische Autozulieferer Marquardt wollte mit der Elektromobilität richtig durchstarten. Doch wie viele in der Branche ist der Mittelständler vom Nachfrageeinbruch kalt erwischt worden.

Mit einer neuen Bedienarchitektur liefert Marquardt eine Antwort auf den Technologiewandel hin zu autonomen Fahrzeugen. Foto: Marquardt

„Wir sind weit hinter unseren Erwartungen geblieben“ fasst Firmenchef Harald Marquardt die Entwicklung des 1925 gegründeten Familienunternehmens zusammen. Grund sei die deutlich rückläufige Produktion in der Autoindustrie. Im letzten Quartal 2023 liefen zehn Prozent weniger Fahrzeuge vom Band als im Vorjahr. Ein Trend der sich auch in den ersten Monaten dieses Jahres mit einem Umsatzrückgang von 10,9 Prozent quer durch die gesamte deutsche Autoindustrie fortgesetzt hat. Beim erfolgsverwöhnten Hersteller von Zugangssystemen, Bedienelementen für den Fahrzeuginnenraum und Sensoren für das Batteriemanagement ging der Umsatz um 2,2 Prozent auf knapp 1,4 Milliarden Euro zurück
Mit „kein zufriedenstellendes Betriebsergebnis“ umschreibt der Firmenchef, dass die Rendite inzwischen unter zwei Prozent liegt. Um unsere Investitionen finanzieren zu können, benötigen wir eigentlich sechs Prozent“, erklärt Marquardt, der für den Arbeitgeberverband Südwestmetall 2022 den Pilotabschluss in der Metall- und Elektroindustrie ausgehandelt hat. Damit kann Marquardt wie viele Zulieferer den Wandel hin zu Produkten rund um die Elektromobilität nicht aus eigener Kraft finanzieren. Dabei wendet der Familienkonzern zehn Prozent des Umsatzes allein für Forschung und Entwicklung auf. 

„Dazu braucht es Banken, die viel Verständnis mitbringen“, gibt der Unternehmenschef zu. Marquardt befindet sich mit einer Eigenkapitalquote von „über 40 Prozent“ in einer relativ komfortablen Lage. Und dennoch: „Die Gespräche dauern länger“, beschreibt Marquardt die Verhandlungen mit den Banken. Immerhin komme man im Gegensatz zu anderen Kollegen am Ende doch noch zum Ziel. Bei einigen unternehmen sei die Luft inzwischen dünn geworden, so das Vorstandsmitglied von Südwestmetall. Jedes siebte Unternehmen schreibe inzwischen rote Zahlen. Da seien Gespräche mit den Banken schwierig.

Marquardt ist ein Beispiel, wie der Einbruch der Nachfrage auf dem Markt für Elektrofahrzeuge die Strategie vieler Zulieferer erschüttert. Das Unternehmen aus Rietheim-Weilheim bei Tuttlingen hat vor den Toren Erfurts für „einen hohen dreistelligen Millionenbetrag“ ein neues Werk für Regelsysteme errichtet, die die Leistung der Hochleistungsbatterien optimieren. Doch statt 800 Beschäftigte im dreischichtbetrieb sind derzeit nur 300 Mitarbeiter dort tätig. Viele sind offenbar unterbeschäftigt, denn die Fluktuation sei am Standort ungewöhnlich hoch. 

Die Flaute am Stromer-Markt bringt beschert Zulieferer ungeplante Zusatzkosten. So haben einigen E-Mobilhersteller bei Marquardt nur 40 Prozent dessen abgerufen, was sie ursprünglich geordert haben. Das bedeutet zusätzliche Lagerkosten, stehende Produktion und Kapitalbindung. Die Politik habe durch die Streichung der Förderung nicht nur viel Vertrauen bei den Verbrauchern verspielt. „Sie untergräbt auch die Planungen der Autoindustrie“, rügt Marquardt, dessen Unternehmen auch Regelsysteme für Brennstoffzellen und die Wasserstoffproduktion entwickelt.

Der schwäbische Zulieferer hat auf die Entwicklung mit einem Sparprogramm im Volumen von 50 Millionen Euro reagiert. „Für uns ist das nicht wenig“, betont Marquardt. Weltweit sind 700 Stellen weggefallen davon 150 in Deutschland. Am Stammsitz sollen in diesem Jahr erneut 150 Stellen gestrichen werden. Die meisten durch Fluktuation. Aber für 50 Mitarbeiter ist bereits ein Sozialplan errichtet worden. Weltweit stehen bei Marquardt derzeit rund 10.000 Beschäftigte auf den Gehaltslisten. 

Das Sparprogramm sei auch ein Ergebnis der verfehlten Wirtschaftspolitik in Berlin, betont der Firmenchef und warnt: „Sind die Arbeitsplätze einmal weg, kommen sie nicht wieder zurück.“ Deutschland laufe den anderen Ländern immer weiter hinterher. Marquardt listet Bürokratie, Energiekosten, Überregulierung und langsame Digitalisierung auf. Einen Verweis zu den im kommenden Herbst anstehenden Tarifverhandlungen kann sich der Verhandlungsführer von Südwestmetall dann doch nicht verkneifen. „Eine Nullrunde würde unseren Betrieben in dieser Situation sehr guttun.“

Für 2024 erwartet der Zulieferer noch eine eher gedämpfte Entwicklung mit allenfalls leichtem Wachstum. Doch auch bei Marquardt sieht man Licht am Ende des trüben Konjunkturtunnels. Im kommenden Jahr will Marquardt dann wieder durchstarten und zweistellig wachsen. Dann sollen auch all die Produkte für die E-Mobilität richtig Laufen, für die das Unternehmen in Vorleistung gegangen ist. Schub wird dem Zulieferer aber auch die Produktion im Ausland verleihen. In Tunesien, Indien und China erweitert Marquardt derzeit kräftig die Fertigungskapazitäten. Vor allem das dritte Werk in Tunesien, wo das Unternehmen seit 1991 aktiv ist, soll Innenraumkomponenten für europäische Premiumhersteller fertigen.

Ähnliche Artikel