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Zukunftsmärkte > Serie Bürokratie

Gelesen, gelacht, gelocht: Nur noch 1-Euro Läden und Döner-Buden

Deutsche Innenstädte werden immer unattraktiver. Kaufkraft wandert ab. Überbordende Bürokratie bremst gute Ideen aus. Handel und Gewerbe leiden.

Mit einem Stadtentwicklungskonzept will die Stadt Hanau die Innenstadt wieder attraktiver für Bürger und Geschäftsleute machen und so dem Laden-Leerstand entgegenwirken. Bildnachweis: picture alliance/dpa | Helmut Fricke

Auch wenn der einstige Innenstadt-Magnet Galeria Karstadt Kaufhof nun doch nicht zerschlagen wird, weil die Gläubiger gerade dem nächsten Sanierungsplan zugestimmt haben: Das ändert nichts am Elend der meisten deutschen Innenstädte. 1-Euro-Shops und Dönerbuden ersetzen überall traditionsreiche, inhabergeführte Geschäfte. Kaufkraft verschwindet ins Internet oder in große Einkaufszentren. Für die verbliebenen Geschäfte wird das Überleben immer schwieriger. Das trifft längst nicht mehr nur die standardisierten Fußgängerzonen in Großstädten, sondern längst auch vermeintlich idyllischere Klein- und Mittelstädte.

So auch Hanau. Dort schickte der Oberbürgermeister Claus Kaminsky im vergangenen Sommer einen Brandbrief an die Bundesbauministerin. Kaminsky ist kein notorischer Jammerer. Im Gegenteil: Hanau investiert seit Jahren in die Belebung seiner City. Die kann nicht von hübschem Altstadtflair profitieren, sondern hat von Haus aus den Charme einer typischen deutschen Nachkriegs-Innenstadt. Doch die Stadt setzte auf das preisgekrönte Innenstadtkonzept „HanauaufLaden“. Dazu gehören beispielsweise Pop-up-Stores, in denen Gründer Ladenkonzepte für einen begrenzten Zeitraum zu subventionierten Mieten testen können - ohne ein großes wirtschaftliches Risiko eingehen zu müssen. Die Stadt bietet auch Kurse für digitales Marketing und übernahm einen alten, von der Schließung bedrohten Spielwarenladen.

Doch auch Kaminsky kam an bürokratische Grenzen. „Ich bin entsetzt, erzürnt, enttäuscht über die zähe Abwicklung des Förderprogramms Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren. Zähmen Sie dieses Bürokratie-Monster!", appellierte der OB 2022 an die Bundesbauministerin Klara Geywitz. „Wir werden von einer Prüf-Prozess-Lawine überrollt, statt schnell und effektiv handeln zu können.“
Hanau erhielt aus dem besagten Programm eine Förderzusage über 3,75 Millionen Euro. Aber das dringend benötigte Geld kam und kam nicht. Weder nach Hanau, noch in die anderen 230 geförderten Kommunen. 
Kaminsky stellte fest: „Statt dringend benötigtes Fördergeld vertrauensvoll an die Kommunen, die dank handfester Konzepte wissen, was zu tun ist, zu geben, wird ein nicht unerheblicher Teil des Förderprogramms für Beratungsagenturen und endlose Prüfprozesse ausgegeben.“ Selbst die von der Stadt beauftragte Fördermittel-Expertin habe den Durchblick verloren. Mittlerweile floss das Geld. Heureka in Hanau.

So ginge es besser: 

Um die Attraktivität der Innenstädte zu erhöhen, fordern Bürgermeister, Handwerksinnungen und Kaufleute bundesweit:

Einfacheren Zugang zu Fördermitteln: 
Langfristiger Ladenleerstand macht eine Shoppingtour noch unattraktiver. Deshalb fordern die Stadtplaner flexibleren und unbürokratischen Zugang zu Fördertöpfen, um eine schnelle Zwischenvermietung zu ermöglichen.  Zudem sollten für alle Fördermaßnahmen Antragstellung, Abwicklung und Abrechnung vereinfacht werden. 

Bessere Erreichbarkeit für Kunden:
Die Kommunen fordern, ohne überbordenden bürokratischen Aufwand mehr P+R-Plätze ausbauen und Ersatzflächen für wegfallende Parkflächen ausweisen zu können. 

Zugang für Handwerker:
Wohin mit dem Sprinter voller Werkzeug und Material? Ohne Parkplätze in der Innenstadt können Handwerker dort kaum arbeiten. So appelliert Ralph Bührig, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Potsdam, an die dortigen Stadtverordneten im Namen der etwa 250 dort ansässigen Handwerksbetriebe: „Viele von ihnen sind darauf angewiesen, für ihre Kunden mit dem Auto erreichbar zu bleiben, mindestens, wenn Material und Waren zu transportieren sind oder körperlich Eingeschränkte bei einem Gesundheitsdienstleister Hilfsmittel bestellen, anpassen oder abholen möchten.“ Die Stadt müsse es den Handwerkern deshalb ermöglichen, ohne große bürokratische Exzesse ihrer Arbeit in der Innenstadt nachgehen können.

Unterstützung der Gastronomie:
Mit vollen Einkaufstüten noch einen Kaffee trinken oder eine Pasta genießen? Das findet immer seltener in den Einkaufszonen und ihren umliegenden Gassen statt. Nicht nur wegen Corona, sondern weil sich immer weniger Menschen zum Einkaufsbummel in die Innenstädte bewegen. Darunter leiden auch Cafés und Restaurants, egal, wie gut ihr Angebot ist. DEHOGA-Präsident Guido Zöllick beklagt: „Aufgabe der Politik ist es, die Betriebe nicht mit immer neuen Auflagen und Reglementierungen zu belasten.“ Konkret schlägt die DEHOGA vor, den gesamten Erfüllungsaufwand der Gastronomen in besonders belastenden Regelungsbereichen substanziell zu reduzieren und an die unternehmerische Praxis anzupassen. Neue Gesetze sollten einen Praxis-Check durchlaufen. Zudem solle die "One in, one out“-Regel geändert werden. Seit 2015 gilt im Rahmen der sogenannten Bürokratiebremse für die Wirtschaft die Regel: Für jede neue Belastung, soll an anderer Stelle eine gestrichen werden. Die DEHOGA fordert eine „One in, two-out“-Regel. Dem dürften sich viele Branchen anschließen. 

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