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Zukunftsmärkte > GINT-Projekt: Gigabit im Zug

Auf Schienen aus dem Funkloch: Deutschlands Weg zum digitalen Vorreiter im Bahnverkehr

Unglaublich, aber möglich: Wie das GINT-Projekt die Weichen für blitzschnelles Internet in Zügen stellt und welche Herausforderungen anstehen.

Hochmoderne Technik entlang der Bahnstrecke versprechen Gigabit-Geschwindigkeiten für Reisende. (Foto: Shutterstock)

Stellen Sie sich vor: Sie sitzen im ICE, mitten in einer wichtigen Videokonferenz, und plötzlich bricht die Verbindung ab. Ein Szenario, das vielen Geschäftsreisenden nur allzu bekannt vorkommt. Doch das könnte sich bald ändern.

Mit dem Forschungsprojekt "Gigabit Innovation Track" (GINT) wollen die Deutsche Bahn, Mobilfunkanbieter und die Bundesregierung die Weichen für eine digitale Revolution auf Schienen stellen. In einer Zeit, in der nahtlose Konnektivität für Unternehmen unerlässlich ist, verspricht dieses Vorhaben, die Produktivität und Attraktivität des Bahnreisens grundlegend zu verbessern.

Von Funklöchern zu Datenautobahnen: Das GINT-Projekt als Wegbereiter

Die Deutsche Bahn AG hat erkannt, dass der Bedarf an Konnektivität im Zug stetig steigt und die verfügbare Bandbreite bald nicht mehr ausreichen wird, um die Anforderungen der Reisenden zu erfüllen. In Zusammenarbeit mit Partnern wie Icomera Germany GmbH, Ericsson, O2 Telefónica und Vantage Towers wurde das GINT-Projekt ins Leben gerufen. Ziel ist es, bis Ende 2024 die Nutzbarkeit neuer WLAN-Access Points, innovativer Mobilfunkantennen und Breitband-Internet über Low Earth Orbit (LEO) Satelliten im Schienenverkehr zu erproben.

Das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr mit rund 6,4 Millionen Euro geförderte Projekt setzt dabei auf 5G-Mobilfunk-Technologie. Experten prognostizieren, dass zu Beginn der 2030er Jahre Datenraten von bis zu 5 Gigabit pro Sekunde pro Zug erforderlich sein werden – ein Vielfaches der heutigen LTE-Kapazitäten. Dies stellt nicht nur eine technische Herausforderung dar, sondern erfordert auch ein Umdenken beim Mobilfunkausbau: Bahnstrecken benötigen künftig eine dedizierte 5G-Anbindung zusätzlich zum allgemeinen Netzausbau.

Technische Innovationen: Maßgeschneiderte Lösungen für den Schienenverkehr

Die technischen Herausforderungen, die das GINT-Projekt angeht, sind beachtlich. Die Nutzung von 3,6-Gigahertz-Frequenzen ermöglicht zwar besonders schnelle Datenübertragung, hat jedoch eine geringere Reichweite. Um diesem Problem zu begegnen, werden spezielle Funkmasten entlang der Gleise getestet. Diese Masten, die auch für den künftigen 5G-basierten Bahnfunk (FRMCS) benötigt werden, könnten die Grundlage für eine flächendeckende Hochgeschwindigkeits-Internetversorgung bilden.

Vantage Towers hat im Rahmen des Projekts neuartige, kostengünstig in Serie fertigbare Funkmasten entwickelt. Diese können schnell und unkompliziert entlang der Bahnstrecken errichtet werden, was den Ausbau erheblich beschleunigen könnte. Ericsson steuert innovative 5G-Antennen bei, die gezielt entlang der Schiene in länglichen Korridoren senden und empfangen, anstatt großflächig zu strahlen. Technologien wie Mehrfachantennen (MIMO) und Beamforming versprechen dabei eine optimale Signalausrichtung auf fahrende Züge.

Kooperationen und politische Unterstützung: Der Schlüssel zum Erfolg

Der Erfolg des GINT-Projekts basiert maßgeblich auf der engen Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Politik. Das kürzlich unterzeichnete "Memorandum of Understanding" (MoU) zwischen Bundesdigitalministerium, Mobilfunknetzbetreibern und der Deutschen Bahn unterstreicht die Bedeutung dieser Kooperation. Es sieht eine Ausweitung des Forschungsvorhabens zu GINT XT vor, bei dem alle vier Mobilfunknetzbetreiber gemeinsam mit der Bahn weitere Möglichkeiten technologieoffen erproben sollen.

Die Parlamentarische Staatssekretärin Daniela Kluckert betont die Notwendigkeit, heute die Grundlagen für die Bedarfe von morgen zu legen. Dies gilt nicht nur für den Komfort der Reisenden, sondern auch für den zunehmend digitalisierten und datenintensiven Zugbetrieb der Zukunft. Die DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik, Dr. Daniela Gerd tom Markotten, sieht in dem Projekt einen wichtigen Schritt zur Stärkung der Schiene als umweltfreundlichen Verkehrsträger der Zukunft.

Wirtschaftliche Implikationen: Herausforderungen und Chancen

Die wirtschaftlichen Aspekte des GINT-Projekts sind vielschichtig. Einerseits verspricht die verbesserte Konnektivität enorme Vorteile für Geschäftsreisende und könnte die Attraktivität des Bahnreisens insgesamt steigern. Andererseits stehen die Projektpartner vor der Herausforderung, ein wirtschaftlich tragfähiges Modell für den flächendeckenden Ausbau zu entwickeln.

Die Errichtung tausender neuer Mobilfunkmasten entlang der Bahnstrecken würde erhebliche Investitionen erfordern, die nicht allein von den Mobilfunkbetreibern getragen werden können. Hier sind innovative Finanzierungsmodelle und möglicherweise weitere staatliche Unterstützung gefragt. Gleichzeitig bietet das Projekt Chancen für Technologieunternehmen und könnte Deutschland als Vorreiter in der digitalen Mobilitätsinfrastruktur positionieren.

Ein weiterer wirtschaftlicher Aspekt ist die potenzielle Steigerung der Produktivität. Wenn Geschäftsreisende während der Fahrt genauso effektiv arbeiten können wie im Büro, könnte dies zu einer Verlagerung von Geschäftsreisen von der Straße und aus der Luft auf die Schiene führen – mit positiven Auswirkungen auf die Umwelt und die Auslastung der Bahn.

Ausblick

Das GINT-Projekt markiert einen entscheidenden Schritt in Richtung einer vollständig vernetzten Mobilität in Deutschland. Die technischen Innovationen und die branchenübergreifende Zusammenarbeit versprechen, die Art und Weise, wie wir Bahnreisen erleben, grundlegend zu verändern. Doch trotz der vielversprechenden Fortschritte bleiben Herausforderungen bestehen.

Die hohen Investitionskosten für den flächendeckenden Ausbau müssen gegen den wirtschaftlichen Nutzen abgewogen werden. Fragen der Datensicherheit und des Datenschutzes bei Hochgeschwindigkeits-Internet im Zug bedürfen sorgfältiger Betrachtung. Zudem könnte die ständige Erreichbarkeit während der Reise die Work-Life-Balance weiter verschieben – ein Aspekt, den Unternehmen und Gesellschaft im Auge behalten sollten.

Dennoch überwiegen die Chancen: Vom produktiveren Geschäftsreisenden bis hin zu neuen digitalen Diensten im Bahnverkehr eröffnen sich vielfältige Möglichkeiten. Wenn Deutschland es schafft, die technischen und wirtschaftlichen Herausforderungen zu meistern, könnte das Land zum Vorbild für moderne, digitale Mobilität werden. Die Vision vom ICE als rollendem Büro oder Unterhaltungszentrum rückt damit in greifbare Nähe – ein Quantensprung für die deutsche Wirtschaft und alle Bahnreisenden.

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