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Zukunftsmärkte > Energiekrise

Go West: In der Krise werben USA deutsche Firmen ab

Günstige Preise für Energie, Steuererleichterungen und zugleich wird die Abhängigkeit von China reduziert: Die USA ziehen deutsche Unternehmen derzeit geradezu magisch an. Mit Erfolg, aber auch mit Tücken. Trägt der Trend „Go West“ wirklich?

Günstige Preise für Energie, Steuererleichterungen reduzierte Abhängigkeit von China: die USA ziehen deutsche Unternehmen anBild: Shutterstock

Seit Jahren spielt die Industrie in den USA Blues statt Rock & Roll, aber der Wind dreht sich. Selbst um deutsche Firmen werben viele Gouverneure der 50 Bundessstaaten in diesen Wochen erfolgreich. Günstige Preise für Energie und charmante Steuererleichterungen sind nur zwei der Gründe, die Unternehmen aus good old Germany anziehen wie süße Donuts die Fliegen. Auch ökologisch sei die Produktion in den USA sinnvoll, heißt es dort: Schließlich steigen Staaten wie Oklahoma demnächst aus der Kohle aus – der Strom kommt dann aus CO2-freien Atomkraftwerken. Unterm Strich sinkt damit der ökologische Fußabdruck. Eine Geschichte, die im Land des Atomausstieges, in Deutschland also, nicht ohne Ironie zur Kenntnis genommen wird.

Kein Wunder, dass so manches deutsches Unternehmen da genau hinschaut. Diverse Firmen planen den Aufbau neuer Produktionsstätten oder deren Ausbau. Dazu gehören vor allem Betriebe, die viel Energie verbrauchen, allen voran Hersteller von Aluminium, Zement oder Stahl. Dax-Konzerne wie Bayer und BASF eröffnen in diesen Wochen neue Zentren und auch Aldi oder Lufthansa bauen aus. Die Bundesstaaten entsenden zum Teil sogar Manager nach Deutschland, die auf eigene Rechnung in den Unternehmen feststellen, was genau gebraucht wird – alles, um den Start in den USA leichter zu machen.

Der Bundesregierung hat den Trend zur Kenntnis genommen, ist aber in einer schwierigen Lage. Zum einen will sie die Produktion in Deutschland halten und verweist darauf, dass man mit einem Entlastungspaket den Standort attraktiv halte. Zudem seien die hohen Energiepreise nicht von Dauer, heißt es. Beleg dafür seien die aktuellen Flüssiggas-Abkommen mit den USA, Kanada oder Golfstaaten. Auf der anderen Seite kann es der Politik nur Recht sein, wenn die deutschen Unternehmen ihre Abhängigkeit von China reduzieren. Entsprechend schwer tut sie sich, steigendes Engagement in den USA schlecht zu reden. Vor allem Autokonzerne wie VW, BMW oder Mercedes investieren kräftig in den USA, damit das Standbein kräftiger wird und China nicht mehr derart dominiert.

 

Doch deutsche Firmen müssen in den USA auch Herausforderungen meistern, die sie so im Heimatland nicht kennen. Zum einen gibt es kulturelle Unterschiede insbesondere in den Südstaaten, wo Republikaner unter anderem die Abtreibungsgesetze verschärfen. Oklahomas Gouverneur Kevin Stitt sagt etwa: „Wir sind ein Staat, der sich sehr für das ungeborene Leben einsetzt. Vielen Unternehmen gefällt das, manchen vielleicht nicht. Aber da sind wir kulturell ganz entschieden."

Zudem gibt es juristische Fallstricke, die gelinde gesagt die freie Marktwirtschaft behindern können. Die Investitionskontrolle der USA – genannt CFIUS – prüft auch deutsche Unternehmen immer genauer. 2017 hat die Behörde zum Beispiel die Übernahme von Wolfspeed durch den deutschen Konzern Infineon verboten. Zweitens gibt es sehr unterschiedliche Ansichten zwischen einigen Bundesstaaten und dem europäischen Recht, was nachhaltig ist und was nicht. Staaten wie Texas, Florida oder West Virginia sind sehr empfindlich, wenn Unternehmen ihre fossile Brennstoffindustrie vor Ort benachteiligen. Vermutlich wird es diese sogenannten „ESG-Abwehrgesetze“ nach den Midterm-Wahlen im November immer häufiger geben. Da wird mit einem Erstarken der Republikaner gerechnet, die es mit Nachhaltigkeit nicht so haben.

Drittens treiben sowohl Demokraten als auch Republikaner eine Gesetzreform voran, die bald in Kraft treten könnte. Der „National Critical Capabilities Defense Act“ wird seinem Namen vermutlich gerecht und nimmt Unternehmen unter die Lupe, die auch in China aktiv sind. Und das trifft wohl auf die allermeisten deutschen Unternehmen zu. Wer dort in bestimmten Bereichen investiert muss das dann auch in den USA anmelden. Das gilt zum Beispiel für Bereiche wie Medikamente, künstliche Intelligenz, Halbleiter, Batterietechnik. Also alles Sektoren, in denen deutsche Firmen sehr aktiv sind.

Die Ausweitung der Aktivitäten in den USA mag also logisch erscheinen, aber auch die Bundesstaaten haben ihren eigenen Vorteil im Blick und nichts zu verschenken. Und wie es in den Vereinigten Staaten weitergeht, wenn Ende 2024 Donald Trump oder jemand von seinem Kaliber zum nächsten US-Präsidenten gewählt werden sollte, ist ohnehin eine andere Frage.

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