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Zukunftsmärkte > Handwerk kritisiert Wirtschaftspolitik

Handwerk im Regen: Wie die Politik den Mittelstand vernachlässigt

Handwerkspräsident Dittrich kritisiert einseitige Wirtschaftspolitik und fordert Reformen für KMUs - Debatte um Mindestlohn und Investitionsfonds

Handwerkspräsident Jörg Dittrich (Quelle: picture alliance/dpa)

Das deutsche Handwerk schlägt Alarm: Während die Politik die Großindustrie mit Milliardenhilfen und Sondergipfeln umwirbt, fühlt sich das Rückgrat der deutschen Wirtschaft zunehmend vernachlässigt. Handwerkspräsident Jörg Dittrich übt scharfe Kritik an der aktuellen Wirtschaftspolitik und warnt vor fatalen Folgen für den Mittelstand. Doch was steckt hinter dem Unmut der Handwerker?

Handwerk fordert Reformen statt Subventionen

Das Handwerk sieht sich in der aktuellen wirtschaftspolitischen Debatte nicht ausreichend berücksichtigt. Handwerkspräsident Jörg Dittrich kritisiert, dass die SPD in ihrem jüngsten wirtschaftspolitischen Papier einmal mehr die Industrie priorisiere und den Mittelstand im Regen stehen lasse. Dabei sei Wirtschaftspolitik für Mittelstand und Handwerk gelebte Demokratiebewahrung, betont Dittrich. Er verweist auf die wirtschaftliche Bedeutung des Handwerks mit rund 5,6 Millionen Beschäftigten und 766 Milliarden Euro Umsatz im Jahr.

Dittrich fordert mutige und echte Reformen statt Subventionen. "Zu hohe Lohnzusatzkosten und Steuern, überbordende Bürokratie und der akute Mangel an Fachkräften belasten das Handwerk", erklärt er die notwendige Stoßrichtung (Quelle: deutsche-handwerks-Zeitung.de). Kleine Korrekturen reichten nicht aus. Der Handwerkspräsident schlägt drei konkrete Punkte vor, die der gesamten Wirtschaft helfen würden:

  • Bezahlbare Energie für alle Unternehmen, nicht nur für die Industrie
  • Deutlicher Bürokratieabbau, insbesondere beim Lieferkettengesetz
  • Begrenzung der steigenden Sozialabgaben, die ab dem neuen Jahr drohen

Kontroverse um Mindestlohnerhöhung und Industrieförderung

Besonders kritisch sieht das Handwerk die von der SPD geplante Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Dittrich hält eine solche politische Festsetzung des Mindestlohnes für "reine Willkür", die weder regionale noch branchenspezifische oder internationale Unterschiede berücksichtige. Am Ende gefährde dies Arbeitsplätze und Existenzen, warnt er.

Auch die geplanten Maßnahmen zur Stabilisierung der Autoindustrie stoßen auf Kritik. Die SPD will eine Kaufprämie für E-Autos prüfen, eine E-Quote für Leasing-Anbieter einführen und elektrische Dienst- und Betriebswagen steuerlich fördern. Dittrich bemängelt, dass diese Maßnahmen vor allem der Großindustrie zugutekämen, während der Mittelstand leer ausgehe.

Skepsis gegenüber Habecks Investitionsfonds

Auch die Idee eines staatlichen Investitionsfonds, wie sie Wirtschaftsminister Robert Habeck vorschlägt, sieht das Handwerk kritisch. "Der ordnungspolitisch saubere Weg wäre, Steuern und Lohnzusatzkosten zu senken", argumentiert Dittrich. Dies würde den Betrieben Spielräume geben, aus eigener Kraft mehr Investitionen anzustoßen.

Zwar könnten gezielte Anreize Investitionen unterstützen, doch warnt Dittrich davor, dass dies nicht in einem "gewaltigen Subventionsmechanismus" enden dürfe. Die Mittel für Subventionen würden dann für dringend benötigte Entlastungen fehlen. Zudem sei es unredlich, einen schlankeren Staat mit mehr Eigenverantwortung zu fordern und gleichzeitig Subventionen zu verlangen.

Folgen für den Mittelstand: Ein Praxisbeispiel

Die möglichen Folgen der aktuellen Wirtschaftspolitik für den Mittelstand lassen sich am Beispiel eines mittelständischen Handwerksbetriebs veranschaulichen:

Ein Friseurunternehmen mit 20 Angestellten sieht sich durch die geplante Mindestlohnerhöhung auf 15 Euro mit deutlich steigenden Personalkosten konfrontiert. Gleichzeitig steigen die Energiekosten, da der Betrieb nicht von den Strompreissenkungen für die Industrie profitiert. Die Bürokratiebelastung durch das Lieferkettengesetz bindet zusätzliche Ressourcen.

Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss der Betrieb die Preise erhöhen. Dies führt zu einem Nachfragerückgang, da Kunden seltener zum Friseur gehen oder Alternativen suchen. In der Folge sieht sich der Betrieb gezwungen, Stellen abzubauen oder im schlimmsten Fall ganz zu schließen. Dies hätte nicht nur wirtschaftliche, sondern auch soziale Folgen für die Region, da der Betrieb Ausbildungsplätze anbietet und sich in der lokalen Gemeinschaft engagiert.

Ausblick

Die aktuelle wirtschaftspolitische Ausrichtung stellt das Handwerk und den Mittelstand vor enorme Herausforderungen. Während die Großindustrie von gezielten Fördermaßnahmen profitiert, sehen sich kleine und mittlere Unternehmen mit steigenden Kosten und bürokratischen Hürden konfrontiert. Die Forderungen des Handwerks nach einer ausgewogeneren Politik, die auch die Bedürfnisse des Mittelstands berücksichtigt, bleiben bisher weitgehend ungehört. Es bleibt abzuwarten, ob die Politik rechtzeitig umsteuert, um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft zu stärken - oder ob das Handwerk weiterhin im Regen stehen gelassen wird.

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